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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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gehalten sein, gegenüber den jugendlichen Gästen, die bei ihm vorsprechen, um ein so
alltägliches Bedürfnis zu befriedigen, auf der Vorweisung ihres Tanfscheins zu
bestehen? Nun, wir unsrerseits hätten nichts dagegen einzuwenden.

Es wird uns nachträglich klar, daß wir auch in einem andern Punkt in
unsrer Polemik zu weit gegangen sind, wenn Wir sagten, der h 9 des Ent¬
wurfs mache sein Verbot durch die zugelassenen Ausnahmen überhaupt hinfällig.
Uns war ein wesentliches Thatbestandsmerkmal jener Ausnahme entgangen.
Wir hatten übersehen, daß der h 9 lediglich ein Bedürfnis der "Erfrischung/
nicht auch der Stärkung oder Erwärmung als zulässig anerkennt. Nach diesem
unzweideutigen Wortlaut genießen mithin allein die Einwirkungen des Sonnen¬
brandes und der Hitze, uicht auch die der Winterkälte u, a. in. das Vorrecht der
Befreiung von dem Verbot des § 9. Wir nehmen diese Einschränkung der
Ausnahmen gleichfalls mit Dank an und wollen zum Wohl der Jugend nicht
unterlassen, auf sie ausdrücklich aufmerksam zu machen, so wenig uns auch
deutlich geworden ist, von welchem Grunde sich der Verfasser des Entwurfs zu
dieser feinen Unterscheidung hat leiten lassen.

Nach 10 des Entwurfs ist es u. a. "deu Gast- und Schankwirten sowie
den Kleinhändlern mit Branntwein oder Spiritus verboten, offensichtlich be-
truüknen sowie solchen Personen, von denen sie wissen, daß sie innerhalb der
letzten drei Jahre wegen ärgerniserregcnder Trunkenheit als gewohnheitsmäßige
Trinker verurteilt worden sind, geistige Getränke zu verabreichen." h 11 besagt
u. a., "Gast- und Schankwirte dürsen geistige Getränke zum Genuß auf der
Stelle uicht auf Borg verabreichen," und h 15 bestraft den, der diefer Vorschrift
zuwiderhandelt, "sofern er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß
er durch die Kreditgewährung dem Hange des Empfängers zum übermäßigen
Genuß geistiger Getränke Vorschub leistet/'

Indem wir uns auf die Anerkennung beziehen, die wir diesen Vorschriften
nicht vorenthalten haben, können wir gleichwohl nicht umhin, ihren Inhalt in
einzelnen Punkten zu beanstanden.

Da nach h 15 in Verbindung mit h 11 das Borgen geistiger Getränke an
Personen, von denen der Wirt "weiß oder den Umständen nach annehmen
muß," daß er durch die Kreditgewährung ihrem Hange zum übermäßigem
Genuß geistiger Getränke Vorschub leistet, sagen wir der Kürze halber an
notorische Trinker, nur dann bei Strafe verboten fein soll, wenn die Verab¬
reichung zum Genuß auf der Stelle erfolgt, so ergiebt sich daraus, daß sie
andernfalls und gegen bare Zahlung auch zum Genuß auf der Stelle statt¬
haft sein würde. Dagegen soll nach § 10 die Verabreichung geistiger Getränke
nicht nur an offensichtlich betrunkne, soudern auch an die Personen, die inner¬
halb der letzten drei Jahre wegen ürgerniserregender Trunkenheit als gewohn¬
heitsmäßige Trinker rechtskräftig verurteilt wordeu sind, unter allen Umständen
strafbar sein. Es würde dies demnach anch von solchen Personen gelten, deren


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gehalten sein, gegenüber den jugendlichen Gästen, die bei ihm vorsprechen, um ein so
alltägliches Bedürfnis zu befriedigen, auf der Vorweisung ihres Tanfscheins zu
bestehen? Nun, wir unsrerseits hätten nichts dagegen einzuwenden.

Es wird uns nachträglich klar, daß wir auch in einem andern Punkt in
unsrer Polemik zu weit gegangen sind, wenn Wir sagten, der h 9 des Ent¬
wurfs mache sein Verbot durch die zugelassenen Ausnahmen überhaupt hinfällig.
Uns war ein wesentliches Thatbestandsmerkmal jener Ausnahme entgangen.
Wir hatten übersehen, daß der h 9 lediglich ein Bedürfnis der „Erfrischung/
nicht auch der Stärkung oder Erwärmung als zulässig anerkennt. Nach diesem
unzweideutigen Wortlaut genießen mithin allein die Einwirkungen des Sonnen¬
brandes und der Hitze, uicht auch die der Winterkälte u, a. in. das Vorrecht der
Befreiung von dem Verbot des § 9. Wir nehmen diese Einschränkung der
Ausnahmen gleichfalls mit Dank an und wollen zum Wohl der Jugend nicht
unterlassen, auf sie ausdrücklich aufmerksam zu machen, so wenig uns auch
deutlich geworden ist, von welchem Grunde sich der Verfasser des Entwurfs zu
dieser feinen Unterscheidung hat leiten lassen.

Nach 10 des Entwurfs ist es u. a. „deu Gast- und Schankwirten sowie
den Kleinhändlern mit Branntwein oder Spiritus verboten, offensichtlich be-
truüknen sowie solchen Personen, von denen sie wissen, daß sie innerhalb der
letzten drei Jahre wegen ärgerniserregcnder Trunkenheit als gewohnheitsmäßige
Trinker verurteilt worden sind, geistige Getränke zu verabreichen." h 11 besagt
u. a., „Gast- und Schankwirte dürsen geistige Getränke zum Genuß auf der
Stelle uicht auf Borg verabreichen," und h 15 bestraft den, der diefer Vorschrift
zuwiderhandelt, „sofern er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß
er durch die Kreditgewährung dem Hange des Empfängers zum übermäßigen
Genuß geistiger Getränke Vorschub leistet/'

Indem wir uns auf die Anerkennung beziehen, die wir diesen Vorschriften
nicht vorenthalten haben, können wir gleichwohl nicht umhin, ihren Inhalt in
einzelnen Punkten zu beanstanden.

Da nach h 15 in Verbindung mit h 11 das Borgen geistiger Getränke an
Personen, von denen der Wirt „weiß oder den Umständen nach annehmen
muß," daß er durch die Kreditgewährung ihrem Hange zum übermäßigem
Genuß geistiger Getränke Vorschub leistet, sagen wir der Kürze halber an
notorische Trinker, nur dann bei Strafe verboten fein soll, wenn die Verab¬
reichung zum Genuß auf der Stelle erfolgt, so ergiebt sich daraus, daß sie
andernfalls und gegen bare Zahlung auch zum Genuß auf der Stelle statt¬
haft sein würde. Dagegen soll nach § 10 die Verabreichung geistiger Getränke
nicht nur an offensichtlich betrunkne, soudern auch an die Personen, die inner¬
halb der letzten drei Jahre wegen ürgerniserregender Trunkenheit als gewohn¬
heitsmäßige Trinker rechtskräftig verurteilt wordeu sind, unter allen Umständen
strafbar sein. Es würde dies demnach anch von solchen Personen gelten, deren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/26>, abgerufen am 23.07.2024.