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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Der Überfluß an Gerichtsassessoren

braucht jeder, der Lust hat, mit beschränkter Haftung zu arbeiten, nur
mit seiner Frau oder seinem Sohne oder seinem Gehilfen eine Gesellschaft mit
beschränkter Haftung zu bilden, dann hat er sein Ziel erreicht. Aber auch
wenn das Gesetz eine bestimmte Anzahl von Gesellschaftern vorschreiben wollte,
so würde das nichts ändern. Strohmänner finden sich nicht nur in England,
sondern überall.

Ist es die Absicht, daß sich jeder für seinen persönlichen Geschäftsbetrieb
beschränkte Haftung soll verschaffen können, dann wäre es um einfachsten,
man schriebe gleich in das bürgerliche Gesetzbuch: "Jeder kann seine Geschäfte
mit beschränkter Haftung betreiben, wenn er seinem Geschäftsbetrieb einen be¬
sondern Namen giebt und diesem die Worte beifügt "mit beschränkter Haftung";
und wenn er ferner erklärt, 20000 Mark in seinem Geschäftsbetriebe verwenden
zu wollen, und versichert, daß er von diesen 20000 Mark 5000 Mark schon
bar besitze. Alsdann haftet für die nnter dein Namen seines Geschäftsbetriebes
eingegangnen Verbindlichkeiten nur dasjenige Vermögen, das aus den für den
Betrieb bestimmten 20000 Mark hervorgegangen ist."

Ist es aber nicht die Absicht, auch jedem Einzelnen den Geschäftsbetrieb
mit beschränkter Häftling zu gestatten, dann muß man auch kein Gesetz geben,
das unzweifelhaft in diesem Sinne ausgebeutet werden würde. Denn nichts
zerstört den Glauben an das Recht mehr, als wenn das Gesetz selbst in hand¬
greiflicher Weise die Mittel darbietet, Mißbrauch damit zu treiben.

Bei dem Gesetze vom 11. Juni 1870 hat man nachträglich eingestehen
müssen, daß man von den Wirkungen, die sich daran geknüpft haben, keine
Ahnung gehabt habe. Auch bei dem Gesetze vom 18. Juli 1884 sind --
nach dem Zeugnis des Ausschusses des Handelstages -- die daran geknüpften
Hoffnungen zu einem wesentlichen Teile nicht in Erfüllung gegangen. Möchte
man sich doch bei einem dritten Gesetze dieser Art nicht ähnlichen Täuschungen
hingeben! Vielleicht würden diese die schlimmsten von allen sein.




Der Überfluß an Gerichtsassessoren

l^MHl.MM.t/ohl keine höhere Berufsart hat heutzutage Mangel an jungem
Nachwuchs, im Gegenteil darf man fast sämtliche Studienfächer
als überfüllt bezeichnen; besonders in den meisten Fächern
des höhern Staatsdienstes ist die Zahl der Stellenanwärter
Legion. Während aber Regierungs-, Forst- und Bergassessoren,
Negierungsbaumeister u. s. w. sast durchgehends, sobald sie der Staat be¬
schäftigt, sofort Gehalt bekommen, sind die Gerichtsassessoren in Zeiten derl-TML".^
^Mös


Der Überfluß an Gerichtsassessoren

braucht jeder, der Lust hat, mit beschränkter Haftung zu arbeiten, nur
mit seiner Frau oder seinem Sohne oder seinem Gehilfen eine Gesellschaft mit
beschränkter Haftung zu bilden, dann hat er sein Ziel erreicht. Aber auch
wenn das Gesetz eine bestimmte Anzahl von Gesellschaftern vorschreiben wollte,
so würde das nichts ändern. Strohmänner finden sich nicht nur in England,
sondern überall.

Ist es die Absicht, daß sich jeder für seinen persönlichen Geschäftsbetrieb
beschränkte Haftung soll verschaffen können, dann wäre es um einfachsten,
man schriebe gleich in das bürgerliche Gesetzbuch: „Jeder kann seine Geschäfte
mit beschränkter Haftung betreiben, wenn er seinem Geschäftsbetrieb einen be¬
sondern Namen giebt und diesem die Worte beifügt „mit beschränkter Haftung";
und wenn er ferner erklärt, 20000 Mark in seinem Geschäftsbetriebe verwenden
zu wollen, und versichert, daß er von diesen 20000 Mark 5000 Mark schon
bar besitze. Alsdann haftet für die nnter dein Namen seines Geschäftsbetriebes
eingegangnen Verbindlichkeiten nur dasjenige Vermögen, das aus den für den
Betrieb bestimmten 20000 Mark hervorgegangen ist."

Ist es aber nicht die Absicht, auch jedem Einzelnen den Geschäftsbetrieb
mit beschränkter Häftling zu gestatten, dann muß man auch kein Gesetz geben,
das unzweifelhaft in diesem Sinne ausgebeutet werden würde. Denn nichts
zerstört den Glauben an das Recht mehr, als wenn das Gesetz selbst in hand¬
greiflicher Weise die Mittel darbietet, Mißbrauch damit zu treiben.

Bei dem Gesetze vom 11. Juni 1870 hat man nachträglich eingestehen
müssen, daß man von den Wirkungen, die sich daran geknüpft haben, keine
Ahnung gehabt habe. Auch bei dem Gesetze vom 18. Juli 1884 sind —
nach dem Zeugnis des Ausschusses des Handelstages — die daran geknüpften
Hoffnungen zu einem wesentlichen Teile nicht in Erfüllung gegangen. Möchte
man sich doch bei einem dritten Gesetze dieser Art nicht ähnlichen Täuschungen
hingeben! Vielleicht würden diese die schlimmsten von allen sein.




Der Überfluß an Gerichtsassessoren

l^MHl.MM.t/ohl keine höhere Berufsart hat heutzutage Mangel an jungem
Nachwuchs, im Gegenteil darf man fast sämtliche Studienfächer
als überfüllt bezeichnen; besonders in den meisten Fächern
des höhern Staatsdienstes ist die Zahl der Stellenanwärter
Legion. Während aber Regierungs-, Forst- und Bergassessoren,
Negierungsbaumeister u. s. w. sast durchgehends, sobald sie der Staat be¬
schäftigt, sofort Gehalt bekommen, sind die Gerichtsassessoren in Zeiten derl-TML«.^
^Mös


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[0234] Der Überfluß an Gerichtsassessoren braucht jeder, der Lust hat, mit beschränkter Haftung zu arbeiten, nur mit seiner Frau oder seinem Sohne oder seinem Gehilfen eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu bilden, dann hat er sein Ziel erreicht. Aber auch wenn das Gesetz eine bestimmte Anzahl von Gesellschaftern vorschreiben wollte, so würde das nichts ändern. Strohmänner finden sich nicht nur in England, sondern überall. Ist es die Absicht, daß sich jeder für seinen persönlichen Geschäftsbetrieb beschränkte Haftung soll verschaffen können, dann wäre es um einfachsten, man schriebe gleich in das bürgerliche Gesetzbuch: „Jeder kann seine Geschäfte mit beschränkter Haftung betreiben, wenn er seinem Geschäftsbetrieb einen be¬ sondern Namen giebt und diesem die Worte beifügt „mit beschränkter Haftung"; und wenn er ferner erklärt, 20000 Mark in seinem Geschäftsbetriebe verwenden zu wollen, und versichert, daß er von diesen 20000 Mark 5000 Mark schon bar besitze. Alsdann haftet für die nnter dein Namen seines Geschäftsbetriebes eingegangnen Verbindlichkeiten nur dasjenige Vermögen, das aus den für den Betrieb bestimmten 20000 Mark hervorgegangen ist." Ist es aber nicht die Absicht, auch jedem Einzelnen den Geschäftsbetrieb mit beschränkter Häftling zu gestatten, dann muß man auch kein Gesetz geben, das unzweifelhaft in diesem Sinne ausgebeutet werden würde. Denn nichts zerstört den Glauben an das Recht mehr, als wenn das Gesetz selbst in hand¬ greiflicher Weise die Mittel darbietet, Mißbrauch damit zu treiben. Bei dem Gesetze vom 11. Juni 1870 hat man nachträglich eingestehen müssen, daß man von den Wirkungen, die sich daran geknüpft haben, keine Ahnung gehabt habe. Auch bei dem Gesetze vom 18. Juli 1884 sind — nach dem Zeugnis des Ausschusses des Handelstages — die daran geknüpften Hoffnungen zu einem wesentlichen Teile nicht in Erfüllung gegangen. Möchte man sich doch bei einem dritten Gesetze dieser Art nicht ähnlichen Täuschungen hingeben! Vielleicht würden diese die schlimmsten von allen sein. Der Überfluß an Gerichtsassessoren l^MHl.MM.t/ohl keine höhere Berufsart hat heutzutage Mangel an jungem Nachwuchs, im Gegenteil darf man fast sämtliche Studienfächer als überfüllt bezeichnen; besonders in den meisten Fächern des höhern Staatsdienstes ist die Zahl der Stellenanwärter Legion. Während aber Regierungs-, Forst- und Bergassessoren, Negierungsbaumeister u. s. w. sast durchgehends, sobald sie der Staat be¬ schäftigt, sofort Gehalt bekommen, sind die Gerichtsassessoren in Zeiten derl-TML«.^ ^Mös

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/234>, abgerufen am 23.07.2024.