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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Gesellschafton mit beschränkter Haftung

finden. Man kann ja das vielfache Kreditgeben unter den heutigen Verhält¬
nissen beklagen. Aber es ist doch schwer, es ganz zu vermeide". Ein Gc-
werbtreibender z. B,, bei dem Bestellungen gemacht werden, wird schon durch
die Konkurrenzverhältnisse oft genötigt sein, Kredit zu gewähren. Jeden¬
falls erklärt aber eine Gesellschaft, die sich "mit beschränkter Haftung" bildet,
selbst, daß sie auf Kredit rechnet. Den" wenn sie nicht auf Kredit rechnete,
brauchte sie ja keine beschränkte Haftung. Die beschränkte Haftung kommt
immer nur zur Geltung, wenn die Gesellschaft Schulden gemacht, also Kredit ge-
funden hat. Mau braucht dabei nicht anzunehmen, daß eine solche Gesellschaft
von vornherein die Absicht habe, die Gläubiger um ihr Geld zu bringen. So
lange ein Unternehmen gut geht, wird wohl auch eine Gesellschaft mit be¬
schränkter Haftung in der Regel ihre Schulden bezahlen. Geht aber das
Unternehmen schlecht, dann wollen die Unternehmer den Schaden nicht auf
sich nehmen, sonder" ihn aus ihre Gläubiger überwälzen. Das ist der Witz
von der Sache. Sie glauben dann sagen zu können: "Warum habt ihr dummen
Menschen n"s Kredit gegeben! Das brauchtet ihr jn uicht zu thun. Darum
geschieht euch ganz recht, wenn ihr jetzt Schaden leidet." Ist das aber Wohl
eine gerechte und aufkündige Betrachtungsweise von feiten derer, die selbst
den Kredit in Anspruch genommen haben? Wer den Gewinn von einem
Unternehmen ziehen will, der muß auch den Schaden ans sich nehmen. Das
ist der Grundsatz des natürlichen Rechts. Und in diesen, Grundsatz liegt
zugleich dus wirksamste Gegengewicht gegen schwindelhafte Unternehmungen.

Es ist also klar, was von dem große" Aufschwung des Geschäfts¬
betriebes zu halten wäre, der sich an die Schaffung von Gesellschaften mit be¬
schränkter Haftung knüpfen würde. Es würde ein Aufschwung von Geschäften
sein, bei denen in Aussicht genommen wäre, je nach dem die Gläubiger zu
prellen. Geschäfte dieser Art zu begünstigen, hat aber der Staat keine Ver¬
anlassung, am allerwenigsten in einer Zeit, wie der unsrigen, wo man eine
wahre Virtuosität darin besitzt, Rechtsformen mißbräuchlich auszunutzen.

Vertritt man einmal die Ansicht, daß das Prinzip beschränkter Haftung
nicht bloß dem "kollektivistischen," sondern auch dem "individualistischen"
Geschäftsbetriebe zu gute kommen müsse, dann ist nicht einzusehen, warum die
Befürworter dieses Prinzips bei der individualistischen Gesellschaft stehe" bleibe"
wolle" und nicht einfach gesagt haben: Das Prinzip muß auch jedem einzelnen
Geschäftsmanne zu gute kommen. Denn der Betrieb des Einzelne" ist doch
jedenfalls der individuellste Geschäftsbetrieb. Haben aber die Vertreter des
neuen Grundsatzes diese Folgerung absichtlich nicht gezogen und vielleicht auch
geglaubt, sie dadurch auszuschließen, so haben sie sich sicherlich darin getäuscht.
Unzweifelhaft bietet die neue Gesellschaftsform das einfachste Mittel dar, daß
sich anch jeder Einzelne für seinen Geschäftsbetrieb beschränkte Haftung ver¬
schaffen kann. Da das Gesetz keine Zahl von Gesellschafter" vorschreibt, so


Grenzboten I 189Z 29
Gesellschafton mit beschränkter Haftung

finden. Man kann ja das vielfache Kreditgeben unter den heutigen Verhält¬
nissen beklagen. Aber es ist doch schwer, es ganz zu vermeide». Ein Gc-
werbtreibender z. B,, bei dem Bestellungen gemacht werden, wird schon durch
die Konkurrenzverhältnisse oft genötigt sein, Kredit zu gewähren. Jeden¬
falls erklärt aber eine Gesellschaft, die sich „mit beschränkter Haftung" bildet,
selbst, daß sie auf Kredit rechnet. Den» wenn sie nicht auf Kredit rechnete,
brauchte sie ja keine beschränkte Haftung. Die beschränkte Haftung kommt
immer nur zur Geltung, wenn die Gesellschaft Schulden gemacht, also Kredit ge-
funden hat. Mau braucht dabei nicht anzunehmen, daß eine solche Gesellschaft
von vornherein die Absicht habe, die Gläubiger um ihr Geld zu bringen. So
lange ein Unternehmen gut geht, wird wohl auch eine Gesellschaft mit be¬
schränkter Haftung in der Regel ihre Schulden bezahlen. Geht aber das
Unternehmen schlecht, dann wollen die Unternehmer den Schaden nicht auf
sich nehmen, sonder» ihn aus ihre Gläubiger überwälzen. Das ist der Witz
von der Sache. Sie glauben dann sagen zu können: „Warum habt ihr dummen
Menschen n»s Kredit gegeben! Das brauchtet ihr jn uicht zu thun. Darum
geschieht euch ganz recht, wenn ihr jetzt Schaden leidet." Ist das aber Wohl
eine gerechte und aufkündige Betrachtungsweise von feiten derer, die selbst
den Kredit in Anspruch genommen haben? Wer den Gewinn von einem
Unternehmen ziehen will, der muß auch den Schaden ans sich nehmen. Das
ist der Grundsatz des natürlichen Rechts. Und in diesen, Grundsatz liegt
zugleich dus wirksamste Gegengewicht gegen schwindelhafte Unternehmungen.

Es ist also klar, was von dem große» Aufschwung des Geschäfts¬
betriebes zu halten wäre, der sich an die Schaffung von Gesellschaften mit be¬
schränkter Haftung knüpfen würde. Es würde ein Aufschwung von Geschäften
sein, bei denen in Aussicht genommen wäre, je nach dem die Gläubiger zu
prellen. Geschäfte dieser Art zu begünstigen, hat aber der Staat keine Ver¬
anlassung, am allerwenigsten in einer Zeit, wie der unsrigen, wo man eine
wahre Virtuosität darin besitzt, Rechtsformen mißbräuchlich auszunutzen.

Vertritt man einmal die Ansicht, daß das Prinzip beschränkter Haftung
nicht bloß dem „kollektivistischen," sondern auch dem „individualistischen"
Geschäftsbetriebe zu gute kommen müsse, dann ist nicht einzusehen, warum die
Befürworter dieses Prinzips bei der individualistischen Gesellschaft stehe» bleibe»
wolle» und nicht einfach gesagt haben: Das Prinzip muß auch jedem einzelnen
Geschäftsmanne zu gute kommen. Denn der Betrieb des Einzelne» ist doch
jedenfalls der individuellste Geschäftsbetrieb. Haben aber die Vertreter des
neuen Grundsatzes diese Folgerung absichtlich nicht gezogen und vielleicht auch
geglaubt, sie dadurch auszuschließen, so haben sie sich sicherlich darin getäuscht.
Unzweifelhaft bietet die neue Gesellschaftsform das einfachste Mittel dar, daß
sich anch jeder Einzelne für seinen Geschäftsbetrieb beschränkte Haftung ver¬
schaffen kann. Da das Gesetz keine Zahl von Gesellschafter» vorschreibt, so


Grenzboten I 189Z 29
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[0233] Gesellschafton mit beschränkter Haftung finden. Man kann ja das vielfache Kreditgeben unter den heutigen Verhält¬ nissen beklagen. Aber es ist doch schwer, es ganz zu vermeide». Ein Gc- werbtreibender z. B,, bei dem Bestellungen gemacht werden, wird schon durch die Konkurrenzverhältnisse oft genötigt sein, Kredit zu gewähren. Jeden¬ falls erklärt aber eine Gesellschaft, die sich „mit beschränkter Haftung" bildet, selbst, daß sie auf Kredit rechnet. Den» wenn sie nicht auf Kredit rechnete, brauchte sie ja keine beschränkte Haftung. Die beschränkte Haftung kommt immer nur zur Geltung, wenn die Gesellschaft Schulden gemacht, also Kredit ge- funden hat. Mau braucht dabei nicht anzunehmen, daß eine solche Gesellschaft von vornherein die Absicht habe, die Gläubiger um ihr Geld zu bringen. So lange ein Unternehmen gut geht, wird wohl auch eine Gesellschaft mit be¬ schränkter Haftung in der Regel ihre Schulden bezahlen. Geht aber das Unternehmen schlecht, dann wollen die Unternehmer den Schaden nicht auf sich nehmen, sonder» ihn aus ihre Gläubiger überwälzen. Das ist der Witz von der Sache. Sie glauben dann sagen zu können: „Warum habt ihr dummen Menschen n»s Kredit gegeben! Das brauchtet ihr jn uicht zu thun. Darum geschieht euch ganz recht, wenn ihr jetzt Schaden leidet." Ist das aber Wohl eine gerechte und aufkündige Betrachtungsweise von feiten derer, die selbst den Kredit in Anspruch genommen haben? Wer den Gewinn von einem Unternehmen ziehen will, der muß auch den Schaden ans sich nehmen. Das ist der Grundsatz des natürlichen Rechts. Und in diesen, Grundsatz liegt zugleich dus wirksamste Gegengewicht gegen schwindelhafte Unternehmungen. Es ist also klar, was von dem große» Aufschwung des Geschäfts¬ betriebes zu halten wäre, der sich an die Schaffung von Gesellschaften mit be¬ schränkter Haftung knüpfen würde. Es würde ein Aufschwung von Geschäften sein, bei denen in Aussicht genommen wäre, je nach dem die Gläubiger zu prellen. Geschäfte dieser Art zu begünstigen, hat aber der Staat keine Ver¬ anlassung, am allerwenigsten in einer Zeit, wie der unsrigen, wo man eine wahre Virtuosität darin besitzt, Rechtsformen mißbräuchlich auszunutzen. Vertritt man einmal die Ansicht, daß das Prinzip beschränkter Haftung nicht bloß dem „kollektivistischen," sondern auch dem „individualistischen" Geschäftsbetriebe zu gute kommen müsse, dann ist nicht einzusehen, warum die Befürworter dieses Prinzips bei der individualistischen Gesellschaft stehe» bleibe» wolle» und nicht einfach gesagt haben: Das Prinzip muß auch jedem einzelnen Geschäftsmanne zu gute kommen. Denn der Betrieb des Einzelne» ist doch jedenfalls der individuellste Geschäftsbetrieb. Haben aber die Vertreter des neuen Grundsatzes diese Folgerung absichtlich nicht gezogen und vielleicht auch geglaubt, sie dadurch auszuschließen, so haben sie sich sicherlich darin getäuscht. Unzweifelhaft bietet die neue Gesellschaftsform das einfachste Mittel dar, daß sich anch jeder Einzelne für seinen Geschäftsbetrieb beschränkte Haftung ver¬ schaffen kann. Da das Gesetz keine Zahl von Gesellschafter» vorschreibt, so Grenzboten I 189Z 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/233>, abgerufen am 23.07.2024.