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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Gesellschaften mit beschränkter Haftung

durch unberechtigte Aufzählungen an die Gesellschafter stattfindet ^§8 24, 31).
Natürlich kann diese Haftung mir eine subsidiäre sei", indem sie nur einzu¬
treten hat, soweit die eiuzuzahlcudeu oder zurückzuerstattenden Beträge in
andrer Weise nicht zu erlangen sind. Auch besteht kein Bedenken, den solidareu
Charakter der Verpflichtung insoweit zu modifiziren, daß die betreffenden Fehl¬
beträge auf alle zahlungsfähigen Gesellschafter verhältnismäßig verteilt werden.
Eine so lonstruirte Gesamthaftuug der Gesellschafter für etwaige Schmäle¬
rungen des Stammkapitals entspricht einerseits dem Grundgedanken der neue"
Gesellschaftsform, indem sie notwendig dazu beitragen muß, die Verbindung
der Mitglieder mit der Gesellschaft fester zu knüpfen: und sie erscheint andrer¬
seits ebenso notwendig wie ausreichend, um anderweite k-mtelarische Vor¬
schriften in vielen Beziehungen entbehrlich zu machen."

Worin bestehen denn nun die hier für ausreichend erklärten Garantien?
Eine beliebige Anzahl von Personen erklärt, daß sie sich verpflichtet hätten,
29000 Mark zusammen zu bringen, und daß 5000 Mark davon bereits zur
Verfügung stünden. Für die zusammenzubringende Summe sollen die Ein¬
zelnen nicht einmal solidarisch, sondern nur nach Anteilen haften, und nur
hilfsweise soll für ausfallende Anteile eine Haftung der übrigen, auch wieder
nach Anteilen, eintreten. Aber selbst angenommen, die zusammenzubringenden
20000 Mark läge" bereits bar in dem Kasten des Geschäftsführers, wo ist
denn um dieser Kasten zu finden? Und welche Bürgschaft ist gegeben, daß,
wenn die 20000 Mark heute bar in dem Kasten liegen, sie über acht Tage
noch darin sind? Es ist ja möglich, daß die Gesellschaft Gegenstände erwirbt,
die sich schon äußerlich als Gesellschaftsvermögeu kennbar macheu, und auf die
ohne Schwierigkeit die Hilfsvollstreckung wegen Schulden gerichtet werden
konnte. Ein solcher Erwerb ist aber durchaus nicht notwendig. Die Gesell¬
schaft hat natürlich keine Wohnung, in der man sie pfänden könnte; ja sie
braucht nicht einmal einen Geschäftsraum zu haben, der irgend welche Gegen¬
stände als in ihrem Besitz befindlich aufwiese. Wenn also der Gerichtsvoll¬
zieher in die Wohnung des Geschäftsführers träte, so könnte dieser ganz un¬
befangen erklären: "Alles, was Sie hier sehen, ist mein persönliches Eigentum.
Gesellschaftsvermögeu besitze ich nicht." Wo soll dann der Gerichtsvollzieher
das Gesellschaftsvermögeu suche" und finden? Der Entwurf legt zwar im
Interesse der Gläubiger dem Geschäftsführer die Pflicht auf, die geleisteten
Beitrüge nicht an die Gesellschafter zurückzuzahlen. Wohin aber im übrigen
das Gesellschaftsvermögeu kommt, darüber ist weder der Geschäftsführer noch
die Gesellschaft den Gläubiger" irgend welche Rechenschaft schuldig.

Man wird vielleicht sagen, solche Gesellschafte" würden doch auch nicht
Kredit erhalten. Bei Klugen und Vorsichtigen vielleicht nicht. Aber bekannt¬
lich werden die Dummen in der Welt nicht alle. Und wenn eine solche Ge¬
sellschaft nur gehörig aufzutreten verstünde, so würden sich auch Kreditgeber


Gesellschaften mit beschränkter Haftung

durch unberechtigte Aufzählungen an die Gesellschafter stattfindet ^§8 24, 31).
Natürlich kann diese Haftung mir eine subsidiäre sei», indem sie nur einzu¬
treten hat, soweit die eiuzuzahlcudeu oder zurückzuerstattenden Beträge in
andrer Weise nicht zu erlangen sind. Auch besteht kein Bedenken, den solidareu
Charakter der Verpflichtung insoweit zu modifiziren, daß die betreffenden Fehl¬
beträge auf alle zahlungsfähigen Gesellschafter verhältnismäßig verteilt werden.
Eine so lonstruirte Gesamthaftuug der Gesellschafter für etwaige Schmäle¬
rungen des Stammkapitals entspricht einerseits dem Grundgedanken der neue»
Gesellschaftsform, indem sie notwendig dazu beitragen muß, die Verbindung
der Mitglieder mit der Gesellschaft fester zu knüpfen: und sie erscheint andrer¬
seits ebenso notwendig wie ausreichend, um anderweite k-mtelarische Vor¬
schriften in vielen Beziehungen entbehrlich zu machen."

Worin bestehen denn nun die hier für ausreichend erklärten Garantien?
Eine beliebige Anzahl von Personen erklärt, daß sie sich verpflichtet hätten,
29000 Mark zusammen zu bringen, und daß 5000 Mark davon bereits zur
Verfügung stünden. Für die zusammenzubringende Summe sollen die Ein¬
zelnen nicht einmal solidarisch, sondern nur nach Anteilen haften, und nur
hilfsweise soll für ausfallende Anteile eine Haftung der übrigen, auch wieder
nach Anteilen, eintreten. Aber selbst angenommen, die zusammenzubringenden
20000 Mark läge» bereits bar in dem Kasten des Geschäftsführers, wo ist
denn um dieser Kasten zu finden? Und welche Bürgschaft ist gegeben, daß,
wenn die 20000 Mark heute bar in dem Kasten liegen, sie über acht Tage
noch darin sind? Es ist ja möglich, daß die Gesellschaft Gegenstände erwirbt,
die sich schon äußerlich als Gesellschaftsvermögeu kennbar macheu, und auf die
ohne Schwierigkeit die Hilfsvollstreckung wegen Schulden gerichtet werden
konnte. Ein solcher Erwerb ist aber durchaus nicht notwendig. Die Gesell¬
schaft hat natürlich keine Wohnung, in der man sie pfänden könnte; ja sie
braucht nicht einmal einen Geschäftsraum zu haben, der irgend welche Gegen¬
stände als in ihrem Besitz befindlich aufwiese. Wenn also der Gerichtsvoll¬
zieher in die Wohnung des Geschäftsführers träte, so könnte dieser ganz un¬
befangen erklären: „Alles, was Sie hier sehen, ist mein persönliches Eigentum.
Gesellschaftsvermögeu besitze ich nicht." Wo soll dann der Gerichtsvollzieher
das Gesellschaftsvermögeu suche» und finden? Der Entwurf legt zwar im
Interesse der Gläubiger dem Geschäftsführer die Pflicht auf, die geleisteten
Beitrüge nicht an die Gesellschafter zurückzuzahlen. Wohin aber im übrigen
das Gesellschaftsvermögeu kommt, darüber ist weder der Geschäftsführer noch
die Gesellschaft den Gläubiger» irgend welche Rechenschaft schuldig.

Man wird vielleicht sagen, solche Gesellschafte» würden doch auch nicht
Kredit erhalten. Bei Klugen und Vorsichtigen vielleicht nicht. Aber bekannt¬
lich werden die Dummen in der Welt nicht alle. Und wenn eine solche Ge¬
sellschaft nur gehörig aufzutreten verstünde, so würden sich auch Kreditgeber


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[0232] Gesellschaften mit beschränkter Haftung durch unberechtigte Aufzählungen an die Gesellschafter stattfindet ^§8 24, 31). Natürlich kann diese Haftung mir eine subsidiäre sei», indem sie nur einzu¬ treten hat, soweit die eiuzuzahlcudeu oder zurückzuerstattenden Beträge in andrer Weise nicht zu erlangen sind. Auch besteht kein Bedenken, den solidareu Charakter der Verpflichtung insoweit zu modifiziren, daß die betreffenden Fehl¬ beträge auf alle zahlungsfähigen Gesellschafter verhältnismäßig verteilt werden. Eine so lonstruirte Gesamthaftuug der Gesellschafter für etwaige Schmäle¬ rungen des Stammkapitals entspricht einerseits dem Grundgedanken der neue» Gesellschaftsform, indem sie notwendig dazu beitragen muß, die Verbindung der Mitglieder mit der Gesellschaft fester zu knüpfen: und sie erscheint andrer¬ seits ebenso notwendig wie ausreichend, um anderweite k-mtelarische Vor¬ schriften in vielen Beziehungen entbehrlich zu machen." Worin bestehen denn nun die hier für ausreichend erklärten Garantien? Eine beliebige Anzahl von Personen erklärt, daß sie sich verpflichtet hätten, 29000 Mark zusammen zu bringen, und daß 5000 Mark davon bereits zur Verfügung stünden. Für die zusammenzubringende Summe sollen die Ein¬ zelnen nicht einmal solidarisch, sondern nur nach Anteilen haften, und nur hilfsweise soll für ausfallende Anteile eine Haftung der übrigen, auch wieder nach Anteilen, eintreten. Aber selbst angenommen, die zusammenzubringenden 20000 Mark läge» bereits bar in dem Kasten des Geschäftsführers, wo ist denn um dieser Kasten zu finden? Und welche Bürgschaft ist gegeben, daß, wenn die 20000 Mark heute bar in dem Kasten liegen, sie über acht Tage noch darin sind? Es ist ja möglich, daß die Gesellschaft Gegenstände erwirbt, die sich schon äußerlich als Gesellschaftsvermögeu kennbar macheu, und auf die ohne Schwierigkeit die Hilfsvollstreckung wegen Schulden gerichtet werden konnte. Ein solcher Erwerb ist aber durchaus nicht notwendig. Die Gesell¬ schaft hat natürlich keine Wohnung, in der man sie pfänden könnte; ja sie braucht nicht einmal einen Geschäftsraum zu haben, der irgend welche Gegen¬ stände als in ihrem Besitz befindlich aufwiese. Wenn also der Gerichtsvoll¬ zieher in die Wohnung des Geschäftsführers träte, so könnte dieser ganz un¬ befangen erklären: „Alles, was Sie hier sehen, ist mein persönliches Eigentum. Gesellschaftsvermögeu besitze ich nicht." Wo soll dann der Gerichtsvollzieher das Gesellschaftsvermögeu suche» und finden? Der Entwurf legt zwar im Interesse der Gläubiger dem Geschäftsführer die Pflicht auf, die geleisteten Beitrüge nicht an die Gesellschafter zurückzuzahlen. Wohin aber im übrigen das Gesellschaftsvermögeu kommt, darüber ist weder der Geschäftsführer noch die Gesellschaft den Gläubiger» irgend welche Rechenschaft schuldig. Man wird vielleicht sagen, solche Gesellschafte» würden doch auch nicht Kredit erhalten. Bei Klugen und Vorsichtigen vielleicht nicht. Aber bekannt¬ lich werden die Dummen in der Welt nicht alle. Und wenn eine solche Ge¬ sellschaft nur gehörig aufzutreten verstünde, so würden sich auch Kreditgeber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/232>, abgerufen am 23.07.2024.