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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Gesellschafte" mit beschränkter Haftung

durch die Staatsgewalt, sondern durch die Bundesgewalt verliehen wird. So¬
dann ist durch ein neues Gesetz vom 1. Mai 1889 auch den Erwerbs- und
Wirtschaftsgeuossenschaften gestattet worden, sich mit beschränkter Haftung zu
bilden. Über die Wirksamkeit des Gesetzes in der hier fraglichen Richtung
liegen wohl noch keine Erfahrungen vor.

Das sind nach dem bisherige" Rechte die Formen gewesen, an die sich
für Personenverbände das Recht selbständigen Vermögeuserwerbes und be¬
schränkter Haftung für die Schulden geknüpft hat. Fragen wir nun. wie in
dieses bestehende Recht das Recht des neuen Entwurfes, wenn er Gesetz werden
sollte, eingreifen würde.

Ma"i wird unbedenklich aussprechen können, daß er dem bestehenden Rechte
den Boden aufschlüge. Eine Gesellschaft mit der Befugnis selbständigen Ver¬
mögenserwerbs und beschränkter Haftung soll sich für jeden gesetzlichen Zweck
frei bilden können! Damit ist die ganze Lehre, daß die Rechte einer juri¬
stischen Person nur durch Verleihung der Staatsgewalt erworben werden
können, über Bord geworfen. Denn es liegt auf der Hand, daß jede Gesell¬
schaft, jeder Verein die Rechte einer juristischen Person ausübt, sobald er sich
als "Gesellschaft mit beschränkter Haftung" bildet. Allerdings soll nach den
weitern Bestimmungen des Entwurfs die Gesellschaft mit einem gewissen, dem
Handelsrecht entnommenen Apparat ausgestattet sein. Sie soll eine Firma
führen, soll zum Handelsregister angemeldet werden, soll ein Stammkapital
haben, auf das gewisse Einlagen zu machen sind, soll alljährlich eine Bilanz
aufstellen u. s. w. Aber kann sich denn nicht jede Gesellschaft, mag sie Zwecke
verfolgen, welche sie will, diese Formen aneignen? Jede Gesellschaft wird doch
mit einer gewissen Vermögensverwaltung verbunden sein. Was hindert es,
für diese Vermögensverwaltung die von dem neuen Gesetz gcbotnen Formen,
sei es auch nur als einen nichtssagenden Hokuspokus, anzunehmen? Warum
sollte sich nicht z. B. jeder neue religiöse Orden als "Gesellschaft mit beschränkter
Haftung" ciufthuu können? Das erforderliche Stammkapital bildet doch
gewiß kein Hindernis. Was sind denn unter den heutigen Verhältnissen
20000 Mark, von denen ohnehin nur 5000 eingezahlt zu sein brauchen?

Nicht minder wird aber auch das Recht der Aktiengesellschaft, das man noch
im Jahre 1884 mit so großer Mühe neu aufgebaut hat, durch das neue
Gesetz großenteils überflüssig. Die einzige Beschränkung, die der neue"
Gesellschaft im Vergleich mit der Aktiengesellschaft auferlegt ist, besteht darin,
daß sie ihre Anteilscheine nicht auf den Inhaber stellen soll. Nur solche Gesell¬
schaften also, die Aktien auf den Inhaber ausgeben wollen, würden noch an
das Aktienrecht des Gesetzes vom 18. Juli 1884 gebunden sein. Alle übrigen
Gesellschaften, die bisher unter das Aktienrecht fielen, würden sich nach dem
neuen Gesetze bilden können und damit aller erschwerenden Formen, die jenes
Gesetz geschaffen hat, überhoben sein. Daß dies gerade Zweck der neuen


Grenzboten I 1892 28
Gesellschafte» mit beschränkter Haftung

durch die Staatsgewalt, sondern durch die Bundesgewalt verliehen wird. So¬
dann ist durch ein neues Gesetz vom 1. Mai 1889 auch den Erwerbs- und
Wirtschaftsgeuossenschaften gestattet worden, sich mit beschränkter Haftung zu
bilden. Über die Wirksamkeit des Gesetzes in der hier fraglichen Richtung
liegen wohl noch keine Erfahrungen vor.

Das sind nach dem bisherige» Rechte die Formen gewesen, an die sich
für Personenverbände das Recht selbständigen Vermögeuserwerbes und be¬
schränkter Haftung für die Schulden geknüpft hat. Fragen wir nun. wie in
dieses bestehende Recht das Recht des neuen Entwurfes, wenn er Gesetz werden
sollte, eingreifen würde.

Ma»i wird unbedenklich aussprechen können, daß er dem bestehenden Rechte
den Boden aufschlüge. Eine Gesellschaft mit der Befugnis selbständigen Ver¬
mögenserwerbs und beschränkter Haftung soll sich für jeden gesetzlichen Zweck
frei bilden können! Damit ist die ganze Lehre, daß die Rechte einer juri¬
stischen Person nur durch Verleihung der Staatsgewalt erworben werden
können, über Bord geworfen. Denn es liegt auf der Hand, daß jede Gesell¬
schaft, jeder Verein die Rechte einer juristischen Person ausübt, sobald er sich
als „Gesellschaft mit beschränkter Haftung" bildet. Allerdings soll nach den
weitern Bestimmungen des Entwurfs die Gesellschaft mit einem gewissen, dem
Handelsrecht entnommenen Apparat ausgestattet sein. Sie soll eine Firma
führen, soll zum Handelsregister angemeldet werden, soll ein Stammkapital
haben, auf das gewisse Einlagen zu machen sind, soll alljährlich eine Bilanz
aufstellen u. s. w. Aber kann sich denn nicht jede Gesellschaft, mag sie Zwecke
verfolgen, welche sie will, diese Formen aneignen? Jede Gesellschaft wird doch
mit einer gewissen Vermögensverwaltung verbunden sein. Was hindert es,
für diese Vermögensverwaltung die von dem neuen Gesetz gcbotnen Formen,
sei es auch nur als einen nichtssagenden Hokuspokus, anzunehmen? Warum
sollte sich nicht z. B. jeder neue religiöse Orden als „Gesellschaft mit beschränkter
Haftung" ciufthuu können? Das erforderliche Stammkapital bildet doch
gewiß kein Hindernis. Was sind denn unter den heutigen Verhältnissen
20000 Mark, von denen ohnehin nur 5000 eingezahlt zu sein brauchen?

Nicht minder wird aber auch das Recht der Aktiengesellschaft, das man noch
im Jahre 1884 mit so großer Mühe neu aufgebaut hat, durch das neue
Gesetz großenteils überflüssig. Die einzige Beschränkung, die der neue»
Gesellschaft im Vergleich mit der Aktiengesellschaft auferlegt ist, besteht darin,
daß sie ihre Anteilscheine nicht auf den Inhaber stellen soll. Nur solche Gesell¬
schaften also, die Aktien auf den Inhaber ausgeben wollen, würden noch an
das Aktienrecht des Gesetzes vom 18. Juli 1884 gebunden sein. Alle übrigen
Gesellschaften, die bisher unter das Aktienrecht fielen, würden sich nach dem
neuen Gesetze bilden können und damit aller erschwerenden Formen, die jenes
Gesetz geschaffen hat, überhoben sein. Daß dies gerade Zweck der neuen


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[0225] Gesellschafte» mit beschränkter Haftung durch die Staatsgewalt, sondern durch die Bundesgewalt verliehen wird. So¬ dann ist durch ein neues Gesetz vom 1. Mai 1889 auch den Erwerbs- und Wirtschaftsgeuossenschaften gestattet worden, sich mit beschränkter Haftung zu bilden. Über die Wirksamkeit des Gesetzes in der hier fraglichen Richtung liegen wohl noch keine Erfahrungen vor. Das sind nach dem bisherige» Rechte die Formen gewesen, an die sich für Personenverbände das Recht selbständigen Vermögeuserwerbes und be¬ schränkter Haftung für die Schulden geknüpft hat. Fragen wir nun. wie in dieses bestehende Recht das Recht des neuen Entwurfes, wenn er Gesetz werden sollte, eingreifen würde. Ma»i wird unbedenklich aussprechen können, daß er dem bestehenden Rechte den Boden aufschlüge. Eine Gesellschaft mit der Befugnis selbständigen Ver¬ mögenserwerbs und beschränkter Haftung soll sich für jeden gesetzlichen Zweck frei bilden können! Damit ist die ganze Lehre, daß die Rechte einer juri¬ stischen Person nur durch Verleihung der Staatsgewalt erworben werden können, über Bord geworfen. Denn es liegt auf der Hand, daß jede Gesell¬ schaft, jeder Verein die Rechte einer juristischen Person ausübt, sobald er sich als „Gesellschaft mit beschränkter Haftung" bildet. Allerdings soll nach den weitern Bestimmungen des Entwurfs die Gesellschaft mit einem gewissen, dem Handelsrecht entnommenen Apparat ausgestattet sein. Sie soll eine Firma führen, soll zum Handelsregister angemeldet werden, soll ein Stammkapital haben, auf das gewisse Einlagen zu machen sind, soll alljährlich eine Bilanz aufstellen u. s. w. Aber kann sich denn nicht jede Gesellschaft, mag sie Zwecke verfolgen, welche sie will, diese Formen aneignen? Jede Gesellschaft wird doch mit einer gewissen Vermögensverwaltung verbunden sein. Was hindert es, für diese Vermögensverwaltung die von dem neuen Gesetz gcbotnen Formen, sei es auch nur als einen nichtssagenden Hokuspokus, anzunehmen? Warum sollte sich nicht z. B. jeder neue religiöse Orden als „Gesellschaft mit beschränkter Haftung" ciufthuu können? Das erforderliche Stammkapital bildet doch gewiß kein Hindernis. Was sind denn unter den heutigen Verhältnissen 20000 Mark, von denen ohnehin nur 5000 eingezahlt zu sein brauchen? Nicht minder wird aber auch das Recht der Aktiengesellschaft, das man noch im Jahre 1884 mit so großer Mühe neu aufgebaut hat, durch das neue Gesetz großenteils überflüssig. Die einzige Beschränkung, die der neue» Gesellschaft im Vergleich mit der Aktiengesellschaft auferlegt ist, besteht darin, daß sie ihre Anteilscheine nicht auf den Inhaber stellen soll. Nur solche Gesell¬ schaften also, die Aktien auf den Inhaber ausgeben wollen, würden noch an das Aktienrecht des Gesetzes vom 18. Juli 1884 gebunden sein. Alle übrigen Gesellschaften, die bisher unter das Aktienrecht fielen, würden sich nach dem neuen Gesetze bilden können und damit aller erschwerenden Formen, die jenes Gesetz geschaffen hat, überhoben sein. Daß dies gerade Zweck der neuen Grenzboten I 1892 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/225>, abgerufen am 23.07.2024.