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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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hundert voll ins Leben getreten. Die Aktiengesellschaft beruht ans dein Ge¬
danken, die zu großen gewerblichen Unternehmungen erforderlichen großen
Kapitalien, für die das Vermögen einzelner nicht ausreicht, durch das Zu-
sammenwirken vieler aufzubringen. Wollte man viele zu einer solchen Teil¬
nahme veranlassen, so mußte mau sie dafür auch an dem Gewinn des Unter¬
nehmens teilnehmen lassen. Da aber die vielen unmöglich das Unternehmen
anch verwalten konnten, so mußte man eine einheitlich organisirte Verwaltung
dafür festsetzen und dieser die Befugnis verleihen, auf den Namem der Gesell¬
schaft Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Bedeutend gesteigert
wurde endlich die Bereitwilligkeit, zu einem solchen Unternehmen ein Stück Ver¬
mögen herzugeben, bei vielen dadurch, daß mau zugleich den Grundsatz auf¬
stellte: für die Schulden der Gesellschaft haftet mir das Gesellschaftsvermögen.
Der einzelne Aktionär kann also niemals mehr einbüßen, als das, was er für
seine Aktie hingegeben hat.

Zur Sicherung gegen die Gefahren eines Mißbrauchs dieser den Aktien¬
gesellschaften verliehenen Rechte erachtete es noch das deutsche Handelsgesetzbuch
für notwendig, die Errichtung jeder Aktiengesellschaft um die staatliche Genehmi¬
gung zu knüpfen. Das war also derselbe Grundsatz, der für die Erwerbung
der juristische" Persönlichkeit gilt. Im Jahre 1870 glaubte man aber diese
Schranke fallen lassen zu können. Durch Neichsgesetz vom 11. Juni 187l>
wurde die Bildung von Aktiengesellschaften völlig freigegeben und zugleich
ausgesprochen, daß eine Aktiengesellschaft als Handelsgesellschaft gelte, auch
wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften bestehe.
Es ist bekannt, daß bald nach Erlaß dieses Gesetzes mit der Bildung von
Aktiengesellschaften ein Schwindel ohne gleichen getrieben wurde, bei dem
viele Menschen ihr Vermögen verloren. Dies gab Veranlassung, daß im Jahre
1884 die Reichsregierung dem Reichstage ein wesentlich umgearbeitetes Aktien-
gesctz vorlegte. Ju der Begründung hierzu wurde unter andern" gesagt, mun
habe sich bei Erlaß des Gesetzes vom 11. Juni 1870 nicht verhehlt, daß un¬
mittelbar nach Wegfall der Staatsgenehmigung eine Periode des Aktienschwindels
eintreten könne; diese befürchtete Folge sei aber in einem viel größer"
Umfange eingetreten, als es damals geahnt worden sei. Das Altienwesen sei
in eine dnrchnns ungesunde Entwicklung geraten. Dieser ungesunden Entwicklung
wollte das neue Gesetz dadurch entgegentreten, daß es die Gründuiig und die
Verwaltung der Aktiengesellschaften an weit strengere Formen knüpfte. Die
Varlage fand auch die Zustimmung des Reichstages und trat als Gesetz vom
18. Juli 1884 ins Leben.

In neuester Zeit sind dann noch zwei Arten von Gesellschaften mit dem Rechte
selbständigen Vermögenserwerbes und beschränkter Haftung hinzukommen. Es
sind das zunächst die schon vorher erwähnten Kvlonialgesellschaften. Man
kann sie als juristische Personen ansehen, bei denen die Persönlichkeit nicht


Gesellschafieu nul l»-Sebra>ille^ ^afnui^

hundert voll ins Leben getreten. Die Aktiengesellschaft beruht ans dein Ge¬
danken, die zu großen gewerblichen Unternehmungen erforderlichen großen
Kapitalien, für die das Vermögen einzelner nicht ausreicht, durch das Zu-
sammenwirken vieler aufzubringen. Wollte man viele zu einer solchen Teil¬
nahme veranlassen, so mußte mau sie dafür auch an dem Gewinn des Unter¬
nehmens teilnehmen lassen. Da aber die vielen unmöglich das Unternehmen
anch verwalten konnten, so mußte man eine einheitlich organisirte Verwaltung
dafür festsetzen und dieser die Befugnis verleihen, auf den Namem der Gesell¬
schaft Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Bedeutend gesteigert
wurde endlich die Bereitwilligkeit, zu einem solchen Unternehmen ein Stück Ver¬
mögen herzugeben, bei vielen dadurch, daß mau zugleich den Grundsatz auf¬
stellte: für die Schulden der Gesellschaft haftet mir das Gesellschaftsvermögen.
Der einzelne Aktionär kann also niemals mehr einbüßen, als das, was er für
seine Aktie hingegeben hat.

Zur Sicherung gegen die Gefahren eines Mißbrauchs dieser den Aktien¬
gesellschaften verliehenen Rechte erachtete es noch das deutsche Handelsgesetzbuch
für notwendig, die Errichtung jeder Aktiengesellschaft um die staatliche Genehmi¬
gung zu knüpfen. Das war also derselbe Grundsatz, der für die Erwerbung
der juristische» Persönlichkeit gilt. Im Jahre 1870 glaubte man aber diese
Schranke fallen lassen zu können. Durch Neichsgesetz vom 11. Juni 187l>
wurde die Bildung von Aktiengesellschaften völlig freigegeben und zugleich
ausgesprochen, daß eine Aktiengesellschaft als Handelsgesellschaft gelte, auch
wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften bestehe.
Es ist bekannt, daß bald nach Erlaß dieses Gesetzes mit der Bildung von
Aktiengesellschaften ein Schwindel ohne gleichen getrieben wurde, bei dem
viele Menschen ihr Vermögen verloren. Dies gab Veranlassung, daß im Jahre
1884 die Reichsregierung dem Reichstage ein wesentlich umgearbeitetes Aktien-
gesctz vorlegte. Ju der Begründung hierzu wurde unter andern« gesagt, mun
habe sich bei Erlaß des Gesetzes vom 11. Juni 1870 nicht verhehlt, daß un¬
mittelbar nach Wegfall der Staatsgenehmigung eine Periode des Aktienschwindels
eintreten könne; diese befürchtete Folge sei aber in einem viel größer»
Umfange eingetreten, als es damals geahnt worden sei. Das Altienwesen sei
in eine dnrchnns ungesunde Entwicklung geraten. Dieser ungesunden Entwicklung
wollte das neue Gesetz dadurch entgegentreten, daß es die Gründuiig und die
Verwaltung der Aktiengesellschaften an weit strengere Formen knüpfte. Die
Varlage fand auch die Zustimmung des Reichstages und trat als Gesetz vom
18. Juli 1884 ins Leben.

In neuester Zeit sind dann noch zwei Arten von Gesellschaften mit dem Rechte
selbständigen Vermögenserwerbes und beschränkter Haftung hinzukommen. Es
sind das zunächst die schon vorher erwähnten Kvlonialgesellschaften. Man
kann sie als juristische Personen ansehen, bei denen die Persönlichkeit nicht


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[0224] Gesellschafieu nul l»-Sebra>ille^ ^afnui^ hundert voll ins Leben getreten. Die Aktiengesellschaft beruht ans dein Ge¬ danken, die zu großen gewerblichen Unternehmungen erforderlichen großen Kapitalien, für die das Vermögen einzelner nicht ausreicht, durch das Zu- sammenwirken vieler aufzubringen. Wollte man viele zu einer solchen Teil¬ nahme veranlassen, so mußte mau sie dafür auch an dem Gewinn des Unter¬ nehmens teilnehmen lassen. Da aber die vielen unmöglich das Unternehmen anch verwalten konnten, so mußte man eine einheitlich organisirte Verwaltung dafür festsetzen und dieser die Befugnis verleihen, auf den Namem der Gesell¬ schaft Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Bedeutend gesteigert wurde endlich die Bereitwilligkeit, zu einem solchen Unternehmen ein Stück Ver¬ mögen herzugeben, bei vielen dadurch, daß mau zugleich den Grundsatz auf¬ stellte: für die Schulden der Gesellschaft haftet mir das Gesellschaftsvermögen. Der einzelne Aktionär kann also niemals mehr einbüßen, als das, was er für seine Aktie hingegeben hat. Zur Sicherung gegen die Gefahren eines Mißbrauchs dieser den Aktien¬ gesellschaften verliehenen Rechte erachtete es noch das deutsche Handelsgesetzbuch für notwendig, die Errichtung jeder Aktiengesellschaft um die staatliche Genehmi¬ gung zu knüpfen. Das war also derselbe Grundsatz, der für die Erwerbung der juristische» Persönlichkeit gilt. Im Jahre 1870 glaubte man aber diese Schranke fallen lassen zu können. Durch Neichsgesetz vom 11. Juni 187l> wurde die Bildung von Aktiengesellschaften völlig freigegeben und zugleich ausgesprochen, daß eine Aktiengesellschaft als Handelsgesellschaft gelte, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften bestehe. Es ist bekannt, daß bald nach Erlaß dieses Gesetzes mit der Bildung von Aktiengesellschaften ein Schwindel ohne gleichen getrieben wurde, bei dem viele Menschen ihr Vermögen verloren. Dies gab Veranlassung, daß im Jahre 1884 die Reichsregierung dem Reichstage ein wesentlich umgearbeitetes Aktien- gesctz vorlegte. Ju der Begründung hierzu wurde unter andern« gesagt, mun habe sich bei Erlaß des Gesetzes vom 11. Juni 1870 nicht verhehlt, daß un¬ mittelbar nach Wegfall der Staatsgenehmigung eine Periode des Aktienschwindels eintreten könne; diese befürchtete Folge sei aber in einem viel größer» Umfange eingetreten, als es damals geahnt worden sei. Das Altienwesen sei in eine dnrchnns ungesunde Entwicklung geraten. Dieser ungesunden Entwicklung wollte das neue Gesetz dadurch entgegentreten, daß es die Gründuiig und die Verwaltung der Aktiengesellschaften an weit strengere Formen knüpfte. Die Varlage fand auch die Zustimmung des Reichstages und trat als Gesetz vom 18. Juli 1884 ins Leben. In neuester Zeit sind dann noch zwei Arten von Gesellschaften mit dem Rechte selbständigen Vermögenserwerbes und beschränkter Haftung hinzukommen. Es sind das zunächst die schon vorher erwähnten Kvlonialgesellschaften. Man kann sie als juristische Personen ansehen, bei denen die Persönlichkeit nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/224>, abgerufen am 23.07.2024.