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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Gesellschaften mit beschränkter Haftung

Gesellschaft ist, geht mit voller Deutlichkeit daraus hervor, daß in dem er¬
wähnten Gutachten des Handelstags gerade diese Formen des Aktienrechts als
unerträgliche Beschwernisse hingestellt werden. Und dem will das neue Gesetz
Folge geben. Es kommt gewiß selten vor, daß eine Gesetzgebung, nachdem
sie, durch dringende Gründe veranlaßt, eine Reihe sorgfältig ausgearbeiteter
Schutzmcißregeln für ein Verhältnis aufgestellt hat. uach wenigen Jahren diese
Schutzmaßregeln wieder einreißen und alles freigeben will.

Doch mit der Thatsache, daß das neue Gesetz zu dem bestehenden
Rechte, an dem mau bisher mit dem größten Eifer festgehalten hat, in einen
auffälligen Widerspruch tritt, ist ja an sich noch kein Urteil über seinen ma¬
teriellen Wert gesprochen. Es wäre ja möglich, daß Änderungen des bestehende"
Rechts in der Richtung des neuen Entwurfs geboten wären. Untersuche"
wir deshalb ohne Rücksicht aus diesen Widerspruch die Frage, ob und inwie¬
weit eine Erweiterung des bestehenden Gesellschaftsrechts ein Bedürfnis sei.
Die Bedürfuisfrage werden wir aber nicht einseitig, lediglich in Hinblick auf
die Wünsche, einem vermehrten Geschäftsbetriebe Raum zu schaffen, sondern
nur zugleich mit Rücksicht auf die Wirksamkeit eines solchen Geschäftsbetriebes
beurteile" dürfen.

Alle Befürworter einer Umgestaltung des Gesellschaftsrechts in dem
Sinne des neuen Entwurfs weisen auf die Thatsache hin, daß sich schon
jetzt Gesellschaften in der Form der Aktiengesellschaft oder auch der Berg¬
gewerkschaft bilden, die mit dem ursprünglichen Gedanken des Aktieurechts und
der Gewerkschaft nichts gemein haben, die sich vielmehr nur die rechtlichen
Vorteile aneignen wollen, die an diese Rechtsformen geknüpft sind. Hieraus
wird gefolgert, daß ein dringendes Bedürfnis vorliege, diese rechtlichen Vor¬
teile auch andern Gesellschaften zu gewähren. Und folglich sei es Pflicht der
Gesetzgebung, dem nachzukommen.

Betrachten wir nun die Fälle, die zur Nachweisung dieses Bedürfnisses
als Beispiele vorgeführt werde,', so haben diese eine ganz verschiedne Natur.
Wenn eine Studentenverbindung oder der Klub einer Stadt sich als Aktien¬
gesellschaft aufthut, so liegt ihnen gewiß nicht im Sinne, daß sie Schulden
"lachen n"d dann den Vorteil haben wollen, diese Schulden nicht persönlich be¬
zahlen zu müssen. Vielmehr ist es ihnen darum zu thun, auf den Name" ihrer
Verbindung selbständig Vermögen, namentlich Grundvermögen -- also sagen
wir kurz ein Haus -- erwerben zu können, das dann ohne Rücksicht auf den
Wechsel der Mitglieder dauerndes Eigentum ihrer Verbindung bleibt. Ist
nun gegen dieses Bestreben ein Einwand zu erheben? Sicherlich nicht. Es
ist ein zu engherziger Standpunkt unsers Rechts, daß es für Personenverbände
die Befähigung, selbständig Vermögen zu erwerben und Verbindlichkeiten ein¬
zugehen, in der erwähnten Weise beschränkt. Ganz unbedenklich könnte allen
Gesellschaften und Vereinen (vielleicht nur mit Vorbehalt einer Ausnahme für


Gesellschaften mit beschränkter Haftung

Gesellschaft ist, geht mit voller Deutlichkeit daraus hervor, daß in dem er¬
wähnten Gutachten des Handelstags gerade diese Formen des Aktienrechts als
unerträgliche Beschwernisse hingestellt werden. Und dem will das neue Gesetz
Folge geben. Es kommt gewiß selten vor, daß eine Gesetzgebung, nachdem
sie, durch dringende Gründe veranlaßt, eine Reihe sorgfältig ausgearbeiteter
Schutzmcißregeln für ein Verhältnis aufgestellt hat. uach wenigen Jahren diese
Schutzmaßregeln wieder einreißen und alles freigeben will.

Doch mit der Thatsache, daß das neue Gesetz zu dem bestehenden
Rechte, an dem mau bisher mit dem größten Eifer festgehalten hat, in einen
auffälligen Widerspruch tritt, ist ja an sich noch kein Urteil über seinen ma¬
teriellen Wert gesprochen. Es wäre ja möglich, daß Änderungen des bestehende»
Rechts in der Richtung des neuen Entwurfs geboten wären. Untersuche»
wir deshalb ohne Rücksicht aus diesen Widerspruch die Frage, ob und inwie¬
weit eine Erweiterung des bestehenden Gesellschaftsrechts ein Bedürfnis sei.
Die Bedürfuisfrage werden wir aber nicht einseitig, lediglich in Hinblick auf
die Wünsche, einem vermehrten Geschäftsbetriebe Raum zu schaffen, sondern
nur zugleich mit Rücksicht auf die Wirksamkeit eines solchen Geschäftsbetriebes
beurteile« dürfen.

Alle Befürworter einer Umgestaltung des Gesellschaftsrechts in dem
Sinne des neuen Entwurfs weisen auf die Thatsache hin, daß sich schon
jetzt Gesellschaften in der Form der Aktiengesellschaft oder auch der Berg¬
gewerkschaft bilden, die mit dem ursprünglichen Gedanken des Aktieurechts und
der Gewerkschaft nichts gemein haben, die sich vielmehr nur die rechtlichen
Vorteile aneignen wollen, die an diese Rechtsformen geknüpft sind. Hieraus
wird gefolgert, daß ein dringendes Bedürfnis vorliege, diese rechtlichen Vor¬
teile auch andern Gesellschaften zu gewähren. Und folglich sei es Pflicht der
Gesetzgebung, dem nachzukommen.

Betrachten wir nun die Fälle, die zur Nachweisung dieses Bedürfnisses
als Beispiele vorgeführt werde,', so haben diese eine ganz verschiedne Natur.
Wenn eine Studentenverbindung oder der Klub einer Stadt sich als Aktien¬
gesellschaft aufthut, so liegt ihnen gewiß nicht im Sinne, daß sie Schulden
»lachen n»d dann den Vorteil haben wollen, diese Schulden nicht persönlich be¬
zahlen zu müssen. Vielmehr ist es ihnen darum zu thun, auf den Name» ihrer
Verbindung selbständig Vermögen, namentlich Grundvermögen — also sagen
wir kurz ein Haus — erwerben zu können, das dann ohne Rücksicht auf den
Wechsel der Mitglieder dauerndes Eigentum ihrer Verbindung bleibt. Ist
nun gegen dieses Bestreben ein Einwand zu erheben? Sicherlich nicht. Es
ist ein zu engherziger Standpunkt unsers Rechts, daß es für Personenverbände
die Befähigung, selbständig Vermögen zu erwerben und Verbindlichkeiten ein¬
zugehen, in der erwähnten Weise beschränkt. Ganz unbedenklich könnte allen
Gesellschaften und Vereinen (vielleicht nur mit Vorbehalt einer Ausnahme für


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[0226] Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gesellschaft ist, geht mit voller Deutlichkeit daraus hervor, daß in dem er¬ wähnten Gutachten des Handelstags gerade diese Formen des Aktienrechts als unerträgliche Beschwernisse hingestellt werden. Und dem will das neue Gesetz Folge geben. Es kommt gewiß selten vor, daß eine Gesetzgebung, nachdem sie, durch dringende Gründe veranlaßt, eine Reihe sorgfältig ausgearbeiteter Schutzmcißregeln für ein Verhältnis aufgestellt hat. uach wenigen Jahren diese Schutzmaßregeln wieder einreißen und alles freigeben will. Doch mit der Thatsache, daß das neue Gesetz zu dem bestehenden Rechte, an dem mau bisher mit dem größten Eifer festgehalten hat, in einen auffälligen Widerspruch tritt, ist ja an sich noch kein Urteil über seinen ma¬ teriellen Wert gesprochen. Es wäre ja möglich, daß Änderungen des bestehende» Rechts in der Richtung des neuen Entwurfs geboten wären. Untersuche» wir deshalb ohne Rücksicht aus diesen Widerspruch die Frage, ob und inwie¬ weit eine Erweiterung des bestehenden Gesellschaftsrechts ein Bedürfnis sei. Die Bedürfuisfrage werden wir aber nicht einseitig, lediglich in Hinblick auf die Wünsche, einem vermehrten Geschäftsbetriebe Raum zu schaffen, sondern nur zugleich mit Rücksicht auf die Wirksamkeit eines solchen Geschäftsbetriebes beurteile« dürfen. Alle Befürworter einer Umgestaltung des Gesellschaftsrechts in dem Sinne des neuen Entwurfs weisen auf die Thatsache hin, daß sich schon jetzt Gesellschaften in der Form der Aktiengesellschaft oder auch der Berg¬ gewerkschaft bilden, die mit dem ursprünglichen Gedanken des Aktieurechts und der Gewerkschaft nichts gemein haben, die sich vielmehr nur die rechtlichen Vorteile aneignen wollen, die an diese Rechtsformen geknüpft sind. Hieraus wird gefolgert, daß ein dringendes Bedürfnis vorliege, diese rechtlichen Vor¬ teile auch andern Gesellschaften zu gewähren. Und folglich sei es Pflicht der Gesetzgebung, dem nachzukommen. Betrachten wir nun die Fälle, die zur Nachweisung dieses Bedürfnisses als Beispiele vorgeführt werde,', so haben diese eine ganz verschiedne Natur. Wenn eine Studentenverbindung oder der Klub einer Stadt sich als Aktien¬ gesellschaft aufthut, so liegt ihnen gewiß nicht im Sinne, daß sie Schulden »lachen n»d dann den Vorteil haben wollen, diese Schulden nicht persönlich be¬ zahlen zu müssen. Vielmehr ist es ihnen darum zu thun, auf den Name» ihrer Verbindung selbständig Vermögen, namentlich Grundvermögen — also sagen wir kurz ein Haus — erwerben zu können, das dann ohne Rücksicht auf den Wechsel der Mitglieder dauerndes Eigentum ihrer Verbindung bleibt. Ist nun gegen dieses Bestreben ein Einwand zu erheben? Sicherlich nicht. Es ist ein zu engherziger Standpunkt unsers Rechts, daß es für Personenverbände die Befähigung, selbständig Vermögen zu erwerben und Verbindlichkeiten ein¬ zugehen, in der erwähnten Weise beschränkt. Ganz unbedenklich könnte allen Gesellschaften und Vereinen (vielleicht nur mit Vorbehalt einer Ausnahme für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/226>, abgerufen am 23.07.2024.