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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Friedrich Myconius

el". Das war des Heinzen Evangelium, das er suchte." Mit Recht wirft er
dem König weiter vor, er habe seine Gemahlin Anna von Cleve, "die Herzogin
von Gülich," verstoßen, wie schon drei Königinnen vorher, und habe die fünfte
genommen. Zuvor habe er sechsundzwanzig Herren im Lande umgebracht,
etliche seiner nächsten Blutsverwandten. Den, der zuerst an den Religionsge¬
sprächen teil genommen, "den treuen, hochgelehrten, allergeschicktesten Mann,
den ganz England hatte," Dr. Robert Barus, der viele Jahre in Wittenberg
gewesen und den man Antonius Anglns genannt, habe er mit zwei andern
evangelischen und drei katholische" Doktoren verbrennen, seinen treuesten Minister
Thomas Cromwell, äorawuin xriv^U si^nu, köpfen lassen. "Und verbot, ver¬
bannt und vertreib Christus Nahmen gar. Summa: Herodes ist nicht wider
Christum, und Nerv wider die Apostel so thrauuisch gewesen."

Um so erfolgreicher war seine Thätigkeit in Leipzig, ja sie bildet, ab¬
gesehen von seinein Thüringer Wirken, den Glanzpunkt seiner reformntorischen
Thätigkeit überhaupt. Es war ihm aber auch nicht bloß Gewissens-, sondern
Herzenssache, auf sächsischem Gebiete der Reformation zum völligen Siege zu
verhelfen. In Sachsen, zu Annaberg, war zuerst die Erkenntnis über ihn
gekommen, hier war er verfolgt und eingekerkert worden, hier sollte auch durch
ihn die Sache des Evangeliums triumphiren. Gerade Leipzig schien ihm der
rechte Ort dafür.

Georg der Bärtige war gewiß mich in den Angen des Myeonins kein
gewöhnlicher Fürst; seine Thatkraft, seine Umsicht, seine Leutseligkeit, die zwar
vielleicht manchmal nicht ohne Berechnung war, sichern ihm einen hervor¬
ragenden Platz unter den deutschen Regenten. Aber eine gewisse ererbte Eifer¬
sucht auf die eruestinischen Vettern machte den sonst auch in Bezug ans
Kirchenreform hellsehender Herrscher blind. Schon der Umstand, daß sich
Luther des Schutzes der Ernestiner erfreute, genügte, Georg mißtrauisch zu
stimmen. Er war vollkommen überzeugt, daß die nicht wegzuleugnenden
Mißbräuche in der Kirche abgestellt werden müßten, aber er wollte doch die
Lehre selbst nicht angetastet wissen und machte für die Ausschreitungen, die
der Strom der Reformation als Schlamm mit sich führte, für den Bildersturm,
den Bauernkrieg und den Unfug der Wiedertäufer die Reformatoren, in erster
Linie Luther verantwortlich, der ihm die feindselige Gesinnung mit ziemlich
unparlamentarischen Ausdrücken heimzahlte. Großen Schmerz bereitete es ihm.
als sich auch sein Bruder Heinrich, der sein Nachfolger werden sollte,
offen zur neuen Lehre bekannte; aber sein Plan, diesen von der Nachfolge
auszuschließen, wurde vereitelt. Sein Tod im Frühling 1539 räumte das
letzte Hindernis, die Reformation in ganz Sachsen einzuführen, hinweg.

Unter Fackelschein zog Herzog Heinrich noch am Abend des Todestages
in die Hauptstadt ein. Bereits am Pfingstfest, Ende Mai, sollten auch in den
Kirchen Leipzigs die. neuen Klänge erschallen Noch vorher aber begab sich


Friedrich Myconius

el». Das war des Heinzen Evangelium, das er suchte." Mit Recht wirft er
dem König weiter vor, er habe seine Gemahlin Anna von Cleve, „die Herzogin
von Gülich," verstoßen, wie schon drei Königinnen vorher, und habe die fünfte
genommen. Zuvor habe er sechsundzwanzig Herren im Lande umgebracht,
etliche seiner nächsten Blutsverwandten. Den, der zuerst an den Religionsge¬
sprächen teil genommen, „den treuen, hochgelehrten, allergeschicktesten Mann,
den ganz England hatte," Dr. Robert Barus, der viele Jahre in Wittenberg
gewesen und den man Antonius Anglns genannt, habe er mit zwei andern
evangelischen und drei katholische» Doktoren verbrennen, seinen treuesten Minister
Thomas Cromwell, äorawuin xriv^U si^nu, köpfen lassen. „Und verbot, ver¬
bannt und vertreib Christus Nahmen gar. Summa: Herodes ist nicht wider
Christum, und Nerv wider die Apostel so thrauuisch gewesen."

Um so erfolgreicher war seine Thätigkeit in Leipzig, ja sie bildet, ab¬
gesehen von seinein Thüringer Wirken, den Glanzpunkt seiner reformntorischen
Thätigkeit überhaupt. Es war ihm aber auch nicht bloß Gewissens-, sondern
Herzenssache, auf sächsischem Gebiete der Reformation zum völligen Siege zu
verhelfen. In Sachsen, zu Annaberg, war zuerst die Erkenntnis über ihn
gekommen, hier war er verfolgt und eingekerkert worden, hier sollte auch durch
ihn die Sache des Evangeliums triumphiren. Gerade Leipzig schien ihm der
rechte Ort dafür.

Georg der Bärtige war gewiß mich in den Angen des Myeonins kein
gewöhnlicher Fürst; seine Thatkraft, seine Umsicht, seine Leutseligkeit, die zwar
vielleicht manchmal nicht ohne Berechnung war, sichern ihm einen hervor¬
ragenden Platz unter den deutschen Regenten. Aber eine gewisse ererbte Eifer¬
sucht auf die eruestinischen Vettern machte den sonst auch in Bezug ans
Kirchenreform hellsehender Herrscher blind. Schon der Umstand, daß sich
Luther des Schutzes der Ernestiner erfreute, genügte, Georg mißtrauisch zu
stimmen. Er war vollkommen überzeugt, daß die nicht wegzuleugnenden
Mißbräuche in der Kirche abgestellt werden müßten, aber er wollte doch die
Lehre selbst nicht angetastet wissen und machte für die Ausschreitungen, die
der Strom der Reformation als Schlamm mit sich führte, für den Bildersturm,
den Bauernkrieg und den Unfug der Wiedertäufer die Reformatoren, in erster
Linie Luther verantwortlich, der ihm die feindselige Gesinnung mit ziemlich
unparlamentarischen Ausdrücken heimzahlte. Großen Schmerz bereitete es ihm.
als sich auch sein Bruder Heinrich, der sein Nachfolger werden sollte,
offen zur neuen Lehre bekannte; aber sein Plan, diesen von der Nachfolge
auszuschließen, wurde vereitelt. Sein Tod im Frühling 1539 räumte das
letzte Hindernis, die Reformation in ganz Sachsen einzuführen, hinweg.

Unter Fackelschein zog Herzog Heinrich noch am Abend des Todestages
in die Hauptstadt ein. Bereits am Pfingstfest, Ende Mai, sollten auch in den
Kirchen Leipzigs die. neuen Klänge erschallen Noch vorher aber begab sich


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[0133] Friedrich Myconius el». Das war des Heinzen Evangelium, das er suchte." Mit Recht wirft er dem König weiter vor, er habe seine Gemahlin Anna von Cleve, „die Herzogin von Gülich," verstoßen, wie schon drei Königinnen vorher, und habe die fünfte genommen. Zuvor habe er sechsundzwanzig Herren im Lande umgebracht, etliche seiner nächsten Blutsverwandten. Den, der zuerst an den Religionsge¬ sprächen teil genommen, „den treuen, hochgelehrten, allergeschicktesten Mann, den ganz England hatte," Dr. Robert Barus, der viele Jahre in Wittenberg gewesen und den man Antonius Anglns genannt, habe er mit zwei andern evangelischen und drei katholische» Doktoren verbrennen, seinen treuesten Minister Thomas Cromwell, äorawuin xriv^U si^nu, köpfen lassen. „Und verbot, ver¬ bannt und vertreib Christus Nahmen gar. Summa: Herodes ist nicht wider Christum, und Nerv wider die Apostel so thrauuisch gewesen." Um so erfolgreicher war seine Thätigkeit in Leipzig, ja sie bildet, ab¬ gesehen von seinein Thüringer Wirken, den Glanzpunkt seiner reformntorischen Thätigkeit überhaupt. Es war ihm aber auch nicht bloß Gewissens-, sondern Herzenssache, auf sächsischem Gebiete der Reformation zum völligen Siege zu verhelfen. In Sachsen, zu Annaberg, war zuerst die Erkenntnis über ihn gekommen, hier war er verfolgt und eingekerkert worden, hier sollte auch durch ihn die Sache des Evangeliums triumphiren. Gerade Leipzig schien ihm der rechte Ort dafür. Georg der Bärtige war gewiß mich in den Angen des Myeonins kein gewöhnlicher Fürst; seine Thatkraft, seine Umsicht, seine Leutseligkeit, die zwar vielleicht manchmal nicht ohne Berechnung war, sichern ihm einen hervor¬ ragenden Platz unter den deutschen Regenten. Aber eine gewisse ererbte Eifer¬ sucht auf die eruestinischen Vettern machte den sonst auch in Bezug ans Kirchenreform hellsehender Herrscher blind. Schon der Umstand, daß sich Luther des Schutzes der Ernestiner erfreute, genügte, Georg mißtrauisch zu stimmen. Er war vollkommen überzeugt, daß die nicht wegzuleugnenden Mißbräuche in der Kirche abgestellt werden müßten, aber er wollte doch die Lehre selbst nicht angetastet wissen und machte für die Ausschreitungen, die der Strom der Reformation als Schlamm mit sich führte, für den Bildersturm, den Bauernkrieg und den Unfug der Wiedertäufer die Reformatoren, in erster Linie Luther verantwortlich, der ihm die feindselige Gesinnung mit ziemlich unparlamentarischen Ausdrücken heimzahlte. Großen Schmerz bereitete es ihm. als sich auch sein Bruder Heinrich, der sein Nachfolger werden sollte, offen zur neuen Lehre bekannte; aber sein Plan, diesen von der Nachfolge auszuschließen, wurde vereitelt. Sein Tod im Frühling 1539 räumte das letzte Hindernis, die Reformation in ganz Sachsen einzuführen, hinweg. Unter Fackelschein zog Herzog Heinrich noch am Abend des Todestages in die Hauptstadt ein. Bereits am Pfingstfest, Ende Mai, sollten auch in den Kirchen Leipzigs die. neuen Klänge erschallen Noch vorher aber begab sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/133>, abgerufen am 23.07.2024.