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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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der Regent in Begleitung des Myconius und vieler Evangelischen nach Annci-
berg, um dort, zur großen Genugthuung des ehemalige" Aunaberger Mönches,
das Abendmahl in beiderlei Gestalt austeilen zu lassen. Unter einem
ungeheuern Zulauf von Menschen predigte Mheouius in der dortigen
Klosterkirche.

Die schwerste Aufgabe aber wartete seiner in Leipzig, wo ihm Creuziger
beistand. Ebenso halfen die schon genannten Geistlichen, or, Pfeffinger,
übrigens auch ein Schüler der Aunaberger Anstalt, nud Magister Balthasar
Lop. Anfangs widerstrebte der Rat der Stadt, und heftigen, andauernden
Widerstand leistete die Universität. Von durchschlagender Wirkung war die
Disputation mit den Dominikanern über das Abendmahl am 20. Juni, über
die Myconius einen ausführlichen Bericht an den Kurfürsten von Sachsen
abstattete. Sie dehnte sich zwei Tage aus und wurde im Beisein des Rektors,
der bereits mehr auf evangelischer Seite stand, aller Fakultäten und einer
großen Menge von Studenten und Volk in dem geräumigsten Auditorium der
Universität abgehalten. "Da arguirt ich einen Tag fünf, den andern neun
Stunden." Dann gebraucht er einige kraftvolle Wendungen über seinen Sieg
und schließt in gewohnter Weise: "In Summa, die Dachblumen verwelkten
für der Hitz und Glanz der Sonnen Gottes Wortes."

Ungeduldig warteten unterdessen die Gothaer ans die Rückkehr ihres
Seelenhirten und machten sogar deswegen beim Kurfürsten Vorstellungen. Dieser
beschied sie aber dahin, daß, weil ihr Superintendent zur Ausbreitung des
heiligen Gotteswortes gebraucht werde, "damit die reine Lehre des Evan¬
geliums auch bei den Nachbarn möchte gepflanzt und aufgerichtet werde","
so sollten sie sich noch einige Zeit gedulden.

Doch die Leipziger Thätigkeit hatte seine ohnehin nicht mehr ganz un-
versehrten Kräfte aufgerieben. Eine Schrift: "Wie man die Einfältigen und
sonderlich die Kranken im Christentum unterrichten soll," in jenen Tagen ver¬
faßt, scheint schon wegen dieses Vergleichs auch auf seinen leidenden Zustand
hinzudeuten. Dennoch wohnte er noch dem Religionsgespräche zu Hagenau im
Elsaß bei. Nach Gotha zurückgekehrt, brach er aber zusammen. Ein lange vor¬
bereitetes Übel, die Halsschwindsucht, trat auf und warf ihn darnieder. Damals
schrieb er an Luther, er liege zum Tode, oder vielmehr, wie er es gläubig
ausdrückt, "zum Leben" krank darnieder. Luther antwortete ihm in einem
Briefe vom 9. Januar 1541, der eins der merkwürdigsten Zeugnisse des
Reformationszeitalters ist. Nachdem ihn Luther aufgefordert hat, sie möchten
gemeinsam Gott bitten, daß er Myconius noch langer dem Dienste der.Kirche
erhalte, auch tröstliche Nachrichten über den Wormser Reichstag mitgeteilt hat,
schließt das Schreiben mit den Worten: "Lebt wohl, mein Friedrich, und
Gott lasse es mich nicht hören, daß Ihr abgeschieden seid und mich am Leben
gelassen habt, sondern helfe, daß Ihr mich überlebt. Das bitte ich mit Ernst,


der Regent in Begleitung des Myconius und vieler Evangelischen nach Annci-
berg, um dort, zur großen Genugthuung des ehemalige« Aunaberger Mönches,
das Abendmahl in beiderlei Gestalt austeilen zu lassen. Unter einem
ungeheuern Zulauf von Menschen predigte Mheouius in der dortigen
Klosterkirche.

Die schwerste Aufgabe aber wartete seiner in Leipzig, wo ihm Creuziger
beistand. Ebenso halfen die schon genannten Geistlichen, or, Pfeffinger,
übrigens auch ein Schüler der Aunaberger Anstalt, nud Magister Balthasar
Lop. Anfangs widerstrebte der Rat der Stadt, und heftigen, andauernden
Widerstand leistete die Universität. Von durchschlagender Wirkung war die
Disputation mit den Dominikanern über das Abendmahl am 20. Juni, über
die Myconius einen ausführlichen Bericht an den Kurfürsten von Sachsen
abstattete. Sie dehnte sich zwei Tage aus und wurde im Beisein des Rektors,
der bereits mehr auf evangelischer Seite stand, aller Fakultäten und einer
großen Menge von Studenten und Volk in dem geräumigsten Auditorium der
Universität abgehalten. „Da arguirt ich einen Tag fünf, den andern neun
Stunden." Dann gebraucht er einige kraftvolle Wendungen über seinen Sieg
und schließt in gewohnter Weise: „In Summa, die Dachblumen verwelkten
für der Hitz und Glanz der Sonnen Gottes Wortes."

Ungeduldig warteten unterdessen die Gothaer ans die Rückkehr ihres
Seelenhirten und machten sogar deswegen beim Kurfürsten Vorstellungen. Dieser
beschied sie aber dahin, daß, weil ihr Superintendent zur Ausbreitung des
heiligen Gotteswortes gebraucht werde, „damit die reine Lehre des Evan¬
geliums auch bei den Nachbarn möchte gepflanzt und aufgerichtet werde»,"
so sollten sie sich noch einige Zeit gedulden.

Doch die Leipziger Thätigkeit hatte seine ohnehin nicht mehr ganz un-
versehrten Kräfte aufgerieben. Eine Schrift: „Wie man die Einfältigen und
sonderlich die Kranken im Christentum unterrichten soll," in jenen Tagen ver¬
faßt, scheint schon wegen dieses Vergleichs auch auf seinen leidenden Zustand
hinzudeuten. Dennoch wohnte er noch dem Religionsgespräche zu Hagenau im
Elsaß bei. Nach Gotha zurückgekehrt, brach er aber zusammen. Ein lange vor¬
bereitetes Übel, die Halsschwindsucht, trat auf und warf ihn darnieder. Damals
schrieb er an Luther, er liege zum Tode, oder vielmehr, wie er es gläubig
ausdrückt, „zum Leben" krank darnieder. Luther antwortete ihm in einem
Briefe vom 9. Januar 1541, der eins der merkwürdigsten Zeugnisse des
Reformationszeitalters ist. Nachdem ihn Luther aufgefordert hat, sie möchten
gemeinsam Gott bitten, daß er Myconius noch langer dem Dienste der.Kirche
erhalte, auch tröstliche Nachrichten über den Wormser Reichstag mitgeteilt hat,
schließt das Schreiben mit den Worten: „Lebt wohl, mein Friedrich, und
Gott lasse es mich nicht hören, daß Ihr abgeschieden seid und mich am Leben
gelassen habt, sondern helfe, daß Ihr mich überlebt. Das bitte ich mit Ernst,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/134>, abgerufen am 23.07.2024.