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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Friedrich lNyconins

England zu entsenden, um ^über die Einführung der evangelischen Lehre in
diesem Lande zu beraten. Die protestantischen Fürsten trauten der Sache
nicht recht, um so weniger, als die Thaten Heinrichs seinen Worten keines¬
wegs entsprachen. Aber sein Anliegen wurde immer dringender. So schickte
der Kurfürst endlich die gewünschte Gesandschaft ab, bestehend aus dem kur¬
sächsischen Vizekanzler Burkhardt, einem Herrn von Boyneburg und Myconins,
der natürlich die geistlichen Kosten bei den Verhandlungen bestritt. Die Auf¬
nahme der Gesandten bei dem König ließ äußerlich nichts zu wünschen übrig.
Sie weilten, wie er in seiner Reformationsgeschichte berichtet, "ein gantzes
halbes Jahr" in England. "Da stellte sich König Heinz VIII., als wollte er das
Evangelium annehmen, verordnete drei Bischöfe und vier Doktoren der Theologie,
nämlich Thomas Cramner, Erzbischof von Canterbury, den Bischof von London,
den Bischof von Leicester Myconins geht mit den englischen Namen etwas
unbarmherzig um), den Dr. Deins, Rektor von Cambridge, Dr. Nicolaus Hethus,
Archidiakonus zu Cauterburh, Dr. Wilson und Dr. Robert Barus, welche
einen ganzen Sommer mit uns von der Laut'vLÄv ^ugust-uru. handelten, einen
Artikel nach dem andern, also, daß sie nicht einen einzigen Artikel mit Schrift
oder Grund snach Form oder Inhalt? j Hütten tadeln können, sondern fast
alle, doch ein wenig mit andern Worten, denn in der Augsburgischen Konfession
steht, alles mit ihren Handschriften bekannten, also, daß in ganz England eine ge¬
meine Hoffnung ward, Christus würde allda Platz und Raum bringen; ließauch und
gebot öffentlich, das Evangelium rein zu predigen, aber man sollte nichtsdesto¬
weniger den alten Abgott Winkelmeß, e ineGestalt des Sakraments, die Ohrenbeichte
oder Erzählung aller Sünden, die Pfaffen- und Nonuenkeuschheit behalten,
das ist, den Antichrist im Tempel Gottes sitzen lassen und König Heinzen
lassen Papst sein."

Wenn auch Heinrich zuerst vielleicht darüber enttäuscht war, daß weder
Melanchthon noch Luther erschienen war, mit denen er sich in seinein gelehrten
Dünkel gern gemessen hätte, so rühmte er doch nachher in einem Schreiben
an den sächsischen Kurfürsten nicht nur die Redlichkeit und deu Glaubenseifer
der Gesandten, sondern auch, was in seinen Auge" weit mehr war, ihre ge¬
diegene Gelehrsamkeit und große Klugheit. Ein viel weniger günstiges Urteil
füllt Mhconius über den König. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das völlige
Fehlschlagen der Sache den Unmut der Deutschen nachher erst recht weckte.
"Als wir mit guter Hoffnung abzogen, da offenbarte sichs, daß es diesem
Heinzen nur ums geistliche Einkommen zu thun gewesen." Und nun erzählt
er, wie der König goldene und silberne Särge geraubt und das reichste Kleinod
der Welt, Thomas Beckets Grab zerstört habe. Indem er auf solchen
und manchen andern Frevel anspielt, fährt er fort! "Er nahmalle geistlichen
Gefälle des Landes zu sich, setzte einen Kollektor darüber, den er (^neollÄrius
imgMvutÄtiomim nannte, und es trug ihm jährlich viele hunderttausend Gulden


Friedrich lNyconins

England zu entsenden, um ^über die Einführung der evangelischen Lehre in
diesem Lande zu beraten. Die protestantischen Fürsten trauten der Sache
nicht recht, um so weniger, als die Thaten Heinrichs seinen Worten keines¬
wegs entsprachen. Aber sein Anliegen wurde immer dringender. So schickte
der Kurfürst endlich die gewünschte Gesandschaft ab, bestehend aus dem kur¬
sächsischen Vizekanzler Burkhardt, einem Herrn von Boyneburg und Myconins,
der natürlich die geistlichen Kosten bei den Verhandlungen bestritt. Die Auf¬
nahme der Gesandten bei dem König ließ äußerlich nichts zu wünschen übrig.
Sie weilten, wie er in seiner Reformationsgeschichte berichtet, „ein gantzes
halbes Jahr" in England. „Da stellte sich König Heinz VIII., als wollte er das
Evangelium annehmen, verordnete drei Bischöfe und vier Doktoren der Theologie,
nämlich Thomas Cramner, Erzbischof von Canterbury, den Bischof von London,
den Bischof von Leicester Myconins geht mit den englischen Namen etwas
unbarmherzig um), den Dr. Deins, Rektor von Cambridge, Dr. Nicolaus Hethus,
Archidiakonus zu Cauterburh, Dr. Wilson und Dr. Robert Barus, welche
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Artikel nach dem andern, also, daß sie nicht einen einzigen Artikel mit Schrift
oder Grund snach Form oder Inhalt? j Hütten tadeln können, sondern fast
alle, doch ein wenig mit andern Worten, denn in der Augsburgischen Konfession
steht, alles mit ihren Handschriften bekannten, also, daß in ganz England eine ge¬
meine Hoffnung ward, Christus würde allda Platz und Raum bringen; ließauch und
gebot öffentlich, das Evangelium rein zu predigen, aber man sollte nichtsdesto¬
weniger den alten Abgott Winkelmeß, e ineGestalt des Sakraments, die Ohrenbeichte
oder Erzählung aller Sünden, die Pfaffen- und Nonuenkeuschheit behalten,
das ist, den Antichrist im Tempel Gottes sitzen lassen und König Heinzen
lassen Papst sein."

Wenn auch Heinrich zuerst vielleicht darüber enttäuscht war, daß weder
Melanchthon noch Luther erschienen war, mit denen er sich in seinein gelehrten
Dünkel gern gemessen hätte, so rühmte er doch nachher in einem Schreiben
an den sächsischen Kurfürsten nicht nur die Redlichkeit und deu Glaubenseifer
der Gesandten, sondern auch, was in seinen Auge» weit mehr war, ihre ge¬
diegene Gelehrsamkeit und große Klugheit. Ein viel weniger günstiges Urteil
füllt Mhconius über den König. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das völlige
Fehlschlagen der Sache den Unmut der Deutschen nachher erst recht weckte.
„Als wir mit guter Hoffnung abzogen, da offenbarte sichs, daß es diesem
Heinzen nur ums geistliche Einkommen zu thun gewesen." Und nun erzählt
er, wie der König goldene und silberne Särge geraubt und das reichste Kleinod
der Welt, Thomas Beckets Grab zerstört habe. Indem er auf solchen
und manchen andern Frevel anspielt, fährt er fort! „Er nahmalle geistlichen
Gefälle des Landes zu sich, setzte einen Kollektor darüber, den er (^neollÄrius
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[0132] Friedrich lNyconins England zu entsenden, um ^über die Einführung der evangelischen Lehre in diesem Lande zu beraten. Die protestantischen Fürsten trauten der Sache nicht recht, um so weniger, als die Thaten Heinrichs seinen Worten keines¬ wegs entsprachen. Aber sein Anliegen wurde immer dringender. So schickte der Kurfürst endlich die gewünschte Gesandschaft ab, bestehend aus dem kur¬ sächsischen Vizekanzler Burkhardt, einem Herrn von Boyneburg und Myconins, der natürlich die geistlichen Kosten bei den Verhandlungen bestritt. Die Auf¬ nahme der Gesandten bei dem König ließ äußerlich nichts zu wünschen übrig. Sie weilten, wie er in seiner Reformationsgeschichte berichtet, „ein gantzes halbes Jahr" in England. „Da stellte sich König Heinz VIII., als wollte er das Evangelium annehmen, verordnete drei Bischöfe und vier Doktoren der Theologie, nämlich Thomas Cramner, Erzbischof von Canterbury, den Bischof von London, den Bischof von Leicester Myconins geht mit den englischen Namen etwas unbarmherzig um), den Dr. Deins, Rektor von Cambridge, Dr. Nicolaus Hethus, Archidiakonus zu Cauterburh, Dr. Wilson und Dr. Robert Barus, welche einen ganzen Sommer mit uns von der Laut'vLÄv ^ugust-uru. handelten, einen Artikel nach dem andern, also, daß sie nicht einen einzigen Artikel mit Schrift oder Grund snach Form oder Inhalt? j Hütten tadeln können, sondern fast alle, doch ein wenig mit andern Worten, denn in der Augsburgischen Konfession steht, alles mit ihren Handschriften bekannten, also, daß in ganz England eine ge¬ meine Hoffnung ward, Christus würde allda Platz und Raum bringen; ließauch und gebot öffentlich, das Evangelium rein zu predigen, aber man sollte nichtsdesto¬ weniger den alten Abgott Winkelmeß, e ineGestalt des Sakraments, die Ohrenbeichte oder Erzählung aller Sünden, die Pfaffen- und Nonuenkeuschheit behalten, das ist, den Antichrist im Tempel Gottes sitzen lassen und König Heinzen lassen Papst sein." Wenn auch Heinrich zuerst vielleicht darüber enttäuscht war, daß weder Melanchthon noch Luther erschienen war, mit denen er sich in seinein gelehrten Dünkel gern gemessen hätte, so rühmte er doch nachher in einem Schreiben an den sächsischen Kurfürsten nicht nur die Redlichkeit und deu Glaubenseifer der Gesandten, sondern auch, was in seinen Auge» weit mehr war, ihre ge¬ diegene Gelehrsamkeit und große Klugheit. Ein viel weniger günstiges Urteil füllt Mhconius über den König. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das völlige Fehlschlagen der Sache den Unmut der Deutschen nachher erst recht weckte. „Als wir mit guter Hoffnung abzogen, da offenbarte sichs, daß es diesem Heinzen nur ums geistliche Einkommen zu thun gewesen." Und nun erzählt er, wie der König goldene und silberne Särge geraubt und das reichste Kleinod der Welt, Thomas Beckets Grab zerstört habe. Indem er auf solchen und manchen andern Frevel anspielt, fährt er fort! „Er nahmalle geistlichen Gefälle des Landes zu sich, setzte einen Kollektor darüber, den er (^neollÄrius imgMvutÄtiomim nannte, und es trug ihm jährlich viele hunderttausend Gulden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/132>, abgerufen am 23.07.2024.