Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dänischer Zeit

Miihlmcmn legte sich bei diesen Worten in seine Kissen zurück -- er lag
nämlich im Bett -- und nickte uns zufrieden zu. Ihr seid gute Kinners,
sagte er; ihr wißt, was ein alten Kerl haben muß, um ein büschen lustig zu
werden!

Mahlmanns Lob war uns sehr schmeichelhaft, und um ihn noch mehr
aufzuheitern, erzählten wir, daß wir bald ein Schwein schlachten würden, eine
Nachricht, die den Alten förmlich aufregte.

Sweinslachten! sagte er. O du himmlische Dreifaltigkeit, was Swein-
slachten doch füm schönes Fest is! Da is Weihnachten gar nix gegen. Und
was hab ich manchmal füm Spaß gehabt bein Sweinslachten! Wenn ich an
Jochen Friederichsen sein Swein denke, dann muß ich heute noch lachen!
Setzt euch man ein büschen, Kinners; dann will ich euch den Spaß man
gleich erzählen. Abersten die gebraten Klöse muß ich dabei essen, sonst ver-
swiemeln mich die Gedanken!

Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Bald saß Mahlmann aufrecht
im Bett, verzehrte sein Lieblingsgericht, und wir saßen um ihn herum. Und
uun begann er mit den Worten, mit denen er jede Geschichte anfing.

Ja, Kinners, was ich man noch sagen wollte -- Jochen Friederichsen
sein Sweinslachten, das war spaßig. Nu is das all lange her; denn dazu-
malen, da hatte man noch ein vergnügtes Leben hier, was heutigentages
ganz vorbei is, weil jedermann langweilig geworden is und immer an die
Gesetzen denkt. Liebe Zeit, ich wußte von all die dummen Gesetzen nix; kein
Mensch hat mich die vorgelesen, und das hab ich auch die Herreus gesagt,
die nachher ein großen Skandal machte" und sagten, wir hätten gestohlen.
Als wenn wir jemals was von die Arums genommen hätten! Bloß ein
büschen von die Neicheus. Aber die stellen sich ja immer so an. Und Jochen
Friederichsen war anch so einer, der "ich mal ein Ferkel aus" Stall missen
mochte. Da war ein Bekannter von mich, der mochte so furchtbar gern Ferkel
leiden, und als er einmal bei Jochen Friederichsen sein Sweinstall vorbeikam,
da nahm er halb in Gedanken zwei oder drei von die kleinen niedlichen Dinger
mit. Na, und das weiß ja ein neugebornes Kind, daß so'n richtiges Mutter-
swein ümmer nach seinen eignen Kopp geht und keinen Menschen um seine Mei¬
nung fragt. Da läuft denn auch Jochen Friederichsens San mit einemmale
hinter meinen Bekannten her und will parens nich wieder in Friederichsen seinen
Stall hinein; und was nun mein Freund is, der ein gutes Herz hat, und der
so'n unvernünftiges Vieh nich mitten in die Nacht aufn offnen Felde lassen
will, der nimmt das alte Swein ans purer christlicher Barmherzigkeit mit in
sein eignes Haus. Und weil er ein büschen swach von Gedächtnis war, so
konnte er sich uicht besinnen, aus was füm Stall die alte San gekommen
war, und weil in seineu eigen Hans nich viel Platz war, so hat er das Tier
geslachtet, weil daß er doch nich wollte, daß so'n gutes und nützliches Vieh


Aus dänischer Zeit

Miihlmcmn legte sich bei diesen Worten in seine Kissen zurück — er lag
nämlich im Bett — und nickte uns zufrieden zu. Ihr seid gute Kinners,
sagte er; ihr wißt, was ein alten Kerl haben muß, um ein büschen lustig zu
werden!

Mahlmanns Lob war uns sehr schmeichelhaft, und um ihn noch mehr
aufzuheitern, erzählten wir, daß wir bald ein Schwein schlachten würden, eine
Nachricht, die den Alten förmlich aufregte.

Sweinslachten! sagte er. O du himmlische Dreifaltigkeit, was Swein-
slachten doch füm schönes Fest is! Da is Weihnachten gar nix gegen. Und
was hab ich manchmal füm Spaß gehabt bein Sweinslachten! Wenn ich an
Jochen Friederichsen sein Swein denke, dann muß ich heute noch lachen!
Setzt euch man ein büschen, Kinners; dann will ich euch den Spaß man
gleich erzählen. Abersten die gebraten Klöse muß ich dabei essen, sonst ver-
swiemeln mich die Gedanken!

Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Bald saß Mahlmann aufrecht
im Bett, verzehrte sein Lieblingsgericht, und wir saßen um ihn herum. Und
uun begann er mit den Worten, mit denen er jede Geschichte anfing.

Ja, Kinners, was ich man noch sagen wollte — Jochen Friederichsen
sein Sweinslachten, das war spaßig. Nu is das all lange her; denn dazu-
malen, da hatte man noch ein vergnügtes Leben hier, was heutigentages
ganz vorbei is, weil jedermann langweilig geworden is und immer an die
Gesetzen denkt. Liebe Zeit, ich wußte von all die dummen Gesetzen nix; kein
Mensch hat mich die vorgelesen, und das hab ich auch die Herreus gesagt,
die nachher ein großen Skandal machte» und sagten, wir hätten gestohlen.
Als wenn wir jemals was von die Arums genommen hätten! Bloß ein
büschen von die Neicheus. Aber die stellen sich ja immer so an. Und Jochen
Friederichsen war anch so einer, der »ich mal ein Ferkel aus» Stall missen
mochte. Da war ein Bekannter von mich, der mochte so furchtbar gern Ferkel
leiden, und als er einmal bei Jochen Friederichsen sein Sweinstall vorbeikam,
da nahm er halb in Gedanken zwei oder drei von die kleinen niedlichen Dinger
mit. Na, und das weiß ja ein neugebornes Kind, daß so'n richtiges Mutter-
swein ümmer nach seinen eignen Kopp geht und keinen Menschen um seine Mei¬
nung fragt. Da läuft denn auch Jochen Friederichsens San mit einemmale
hinter meinen Bekannten her und will parens nich wieder in Friederichsen seinen
Stall hinein; und was nun mein Freund is, der ein gutes Herz hat, und der
so'n unvernünftiges Vieh nich mitten in die Nacht aufn offnen Felde lassen
will, der nimmt das alte Swein ans purer christlicher Barmherzigkeit mit in
sein eignes Haus. Und weil er ein büschen swach von Gedächtnis war, so
konnte er sich uicht besinnen, aus was füm Stall die alte San gekommen
war, und weil in seineu eigen Hans nich viel Platz war, so hat er das Tier
geslachtet, weil daß er doch nich wollte, daß so'n gutes und nützliches Vieh


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0621" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290390"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus dänischer Zeit</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1891"> Miihlmcmn legte sich bei diesen Worten in seine Kissen zurück &#x2014; er lag<lb/>
nämlich im Bett &#x2014; und nickte uns zufrieden zu. Ihr seid gute Kinners,<lb/>
sagte er; ihr wißt, was ein alten Kerl haben muß, um ein büschen lustig zu<lb/>
werden!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1892"> Mahlmanns Lob war uns sehr schmeichelhaft, und um ihn noch mehr<lb/>
aufzuheitern, erzählten wir, daß wir bald ein Schwein schlachten würden, eine<lb/>
Nachricht, die den Alten förmlich aufregte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1893"> Sweinslachten! sagte er. O du himmlische Dreifaltigkeit, was Swein-<lb/>
slachten doch füm schönes Fest is! Da is Weihnachten gar nix gegen. Und<lb/>
was hab ich manchmal füm Spaß gehabt bein Sweinslachten! Wenn ich an<lb/>
Jochen Friederichsen sein Swein denke, dann muß ich heute noch lachen!<lb/>
Setzt euch man ein büschen, Kinners; dann will ich euch den Spaß man<lb/>
gleich erzählen. Abersten die gebraten Klöse muß ich dabei essen, sonst ver-<lb/>
swiemeln mich die Gedanken!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1894"> Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Bald saß Mahlmann aufrecht<lb/>
im Bett, verzehrte sein Lieblingsgericht, und wir saßen um ihn herum. Und<lb/>
uun begann er mit den Worten, mit denen er jede Geschichte anfing.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1895" next="#ID_1896"> Ja, Kinners, was ich man noch sagen wollte &#x2014; Jochen Friederichsen<lb/>
sein Sweinslachten, das war spaßig.  Nu is das all lange her; denn dazu-<lb/>
malen, da hatte man noch ein vergnügtes Leben hier, was heutigentages<lb/>
ganz vorbei is, weil jedermann langweilig geworden is und immer an die<lb/>
Gesetzen denkt.  Liebe Zeit, ich wußte von all die dummen Gesetzen nix; kein<lb/>
Mensch hat mich die vorgelesen, und das hab ich auch die Herreus gesagt,<lb/>
die nachher ein großen Skandal machte» und sagten, wir hätten gestohlen.<lb/>
Als wenn wir jemals was von die Arums genommen hätten!  Bloß ein<lb/>
büschen von die Neicheus. Aber die stellen sich ja immer so an. Und Jochen<lb/>
Friederichsen war anch so einer, der »ich mal ein Ferkel aus» Stall missen<lb/>
mochte. Da war ein Bekannter von mich, der mochte so furchtbar gern Ferkel<lb/>
leiden, und als er einmal bei Jochen Friederichsen sein Sweinstall vorbeikam,<lb/>
da nahm er halb in Gedanken zwei oder drei von die kleinen niedlichen Dinger<lb/>
mit. Na, und das weiß ja ein neugebornes Kind, daß so'n richtiges Mutter-<lb/>
swein ümmer nach seinen eignen Kopp geht und keinen Menschen um seine Mei¬<lb/>
nung fragt.  Da läuft denn auch Jochen Friederichsens San mit einemmale<lb/>
hinter meinen Bekannten her und will parens nich wieder in Friederichsen seinen<lb/>
Stall hinein; und was nun mein Freund is, der ein gutes Herz hat, und der<lb/>
so'n unvernünftiges Vieh nich mitten in die Nacht aufn offnen Felde lassen<lb/>
will, der nimmt das alte Swein ans purer christlicher Barmherzigkeit mit in<lb/>
sein eignes Haus.  Und weil er ein büschen swach von Gedächtnis war, so<lb/>
konnte er sich uicht besinnen, aus was füm Stall die alte San gekommen<lb/>
war, und weil in seineu eigen Hans nich viel Platz war, so hat er das Tier<lb/>
geslachtet, weil daß er doch nich wollte, daß so'n gutes und nützliches Vieh</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0621] Aus dänischer Zeit Miihlmcmn legte sich bei diesen Worten in seine Kissen zurück — er lag nämlich im Bett — und nickte uns zufrieden zu. Ihr seid gute Kinners, sagte er; ihr wißt, was ein alten Kerl haben muß, um ein büschen lustig zu werden! Mahlmanns Lob war uns sehr schmeichelhaft, und um ihn noch mehr aufzuheitern, erzählten wir, daß wir bald ein Schwein schlachten würden, eine Nachricht, die den Alten förmlich aufregte. Sweinslachten! sagte er. O du himmlische Dreifaltigkeit, was Swein- slachten doch füm schönes Fest is! Da is Weihnachten gar nix gegen. Und was hab ich manchmal füm Spaß gehabt bein Sweinslachten! Wenn ich an Jochen Friederichsen sein Swein denke, dann muß ich heute noch lachen! Setzt euch man ein büschen, Kinners; dann will ich euch den Spaß man gleich erzählen. Abersten die gebraten Klöse muß ich dabei essen, sonst ver- swiemeln mich die Gedanken! Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Bald saß Mahlmann aufrecht im Bett, verzehrte sein Lieblingsgericht, und wir saßen um ihn herum. Und uun begann er mit den Worten, mit denen er jede Geschichte anfing. Ja, Kinners, was ich man noch sagen wollte — Jochen Friederichsen sein Sweinslachten, das war spaßig. Nu is das all lange her; denn dazu- malen, da hatte man noch ein vergnügtes Leben hier, was heutigentages ganz vorbei is, weil jedermann langweilig geworden is und immer an die Gesetzen denkt. Liebe Zeit, ich wußte von all die dummen Gesetzen nix; kein Mensch hat mich die vorgelesen, und das hab ich auch die Herreus gesagt, die nachher ein großen Skandal machte» und sagten, wir hätten gestohlen. Als wenn wir jemals was von die Arums genommen hätten! Bloß ein büschen von die Neicheus. Aber die stellen sich ja immer so an. Und Jochen Friederichsen war anch so einer, der »ich mal ein Ferkel aus» Stall missen mochte. Da war ein Bekannter von mich, der mochte so furchtbar gern Ferkel leiden, und als er einmal bei Jochen Friederichsen sein Sweinstall vorbeikam, da nahm er halb in Gedanken zwei oder drei von die kleinen niedlichen Dinger mit. Na, und das weiß ja ein neugebornes Kind, daß so'n richtiges Mutter- swein ümmer nach seinen eignen Kopp geht und keinen Menschen um seine Mei¬ nung fragt. Da läuft denn auch Jochen Friederichsens San mit einemmale hinter meinen Bekannten her und will parens nich wieder in Friederichsen seinen Stall hinein; und was nun mein Freund is, der ein gutes Herz hat, und der so'n unvernünftiges Vieh nich mitten in die Nacht aufn offnen Felde lassen will, der nimmt das alte Swein ans purer christlicher Barmherzigkeit mit in sein eignes Haus. Und weil er ein büschen swach von Gedächtnis war, so konnte er sich uicht besinnen, aus was füm Stall die alte San gekommen war, und weil in seineu eigen Hans nich viel Platz war, so hat er das Tier geslachtet, weil daß er doch nich wollte, daß so'n gutes und nützliches Vieh

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/621
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/621>, abgerufen am 26.08.2024.