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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Ans dänischer Zeit

Heimweh kriegen sollte nach den andern kleinen Ferkeln. Von dieser Geschichte
hat Jochen Friederichsen einen unbändigen Skandal gemacht. In die Stadt
is er geritten und hat es angezeigt, daß seine San verswnnden wär, und hat
sich benommen wie ein unvernünftigen Menschen. Denn da kann doch keiner
was für, wenn sein Swein sich mal in die Welt umsehen will, und es is
delischen ordinär, denn gleich von Dieben und Diebsbande zu sprechen. So
haben denn viele von meine Freunde einen delischen Pik auf Friederichseu ge¬
kriegt, und das war stimm, weil da wirklich gebildete Menschen mit mang
gewesen sind. Überhaupt so reiche Leute sind komisch. Wenn der Frühling
kommt, dann kunst der Balbier zu allen hin und stage ihnen die Ader auf,
daß sie ein büschen Blut lassen und bei die Hitze kein Slag kriegen. Obers
sie kriegen was ein our Apteiler, damit sie sinnt werden. An ihrem eigne"
Leibe können sie so was missen, wenn das abersten auf ihren Geldbeutel los¬
geht, dann werden sie fuchswild. Lieber Gott, das is doch auch gesund für
viele Menschen, wenn die Reichens ein paar Thaler lassen müssen!

Mahlmnnn hatte so eifrig gesprochen, daß er das Essen beinahe darüber
vergessen hatte. Jetzt aß er wieder kopfschüttelnd und einige halblaute Worte
murmelnd.

Passirte die Geschichte mit Jochen Friederichsen, als die große Diebes¬
bande hier war? fragte einer von uns.

Der Alte sah deu Frager verdrießlich an. Was ne dumme Frage!
sagte er. Hab ich nich gesagt, daß hier gar kein Diebsbande war? Da waren
ein paar Lenkers, die sich manchmal ein kleinen Spaß machten; das is allens,
und an die Hänser von die Arums gingen sie vorbei. Gebildet waren sie,
viel feiner als die dummen Bauerus hier, die niemals weiter als in die Stadt
gekommen sind und sich auf ihre Geldsäcke was einbilden! Und Gemüt hatten
sie, furchtbar viel Gemüt, was ihr schon um die Verse sehen könnt, die sie
überall angesriebcn haben. Bei einen von die Reichens, wo sie ein büschen
Geld genommen hatten, stand mit Kreide an die Hausthür: "Wir sind unsrer
vier und nich bang vor dir." Bei ein andern, wo sie ein paar Schinken
und Würste ruhn Rauchfang geholt hatten, da hatten sie um die swarze Wand
gesrieben: "Allens was is von Swein, das smeckt fein!" O, da waren noch
viel mehr Verse, ich hab sie man bloß vergessen, weil daß mein Gedächtnis
nich is, wie früher; das aber sag ich euch: mein Swestertvchter, die nu schon
an die dreizig Jahre tot is und die was von das echte Dichten verstand, die
sagte immer, die Verse, die damals mau bloß an die Wand gemalt wurden,
die hätten direktemang ins Gesangbuch gedruckt werden können, so schön waren
sie. Abers dn sind menner Leute, die von sowas keinen^ Begriff haben, lind
Jochen Friederichsen war einer von die dummen Kerls, die bloß ümmer an
ihren Geldbeutel denken. Nix anders hat er gethan, als von die Diebe
snncken, und daß der Pollerzei und Schandarmen hierzulande garnix taugten.


Ans dänischer Zeit

Heimweh kriegen sollte nach den andern kleinen Ferkeln. Von dieser Geschichte
hat Jochen Friederichsen einen unbändigen Skandal gemacht. In die Stadt
is er geritten und hat es angezeigt, daß seine San verswnnden wär, und hat
sich benommen wie ein unvernünftigen Menschen. Denn da kann doch keiner
was für, wenn sein Swein sich mal in die Welt umsehen will, und es is
delischen ordinär, denn gleich von Dieben und Diebsbande zu sprechen. So
haben denn viele von meine Freunde einen delischen Pik auf Friederichseu ge¬
kriegt, und das war stimm, weil da wirklich gebildete Menschen mit mang
gewesen sind. Überhaupt so reiche Leute sind komisch. Wenn der Frühling
kommt, dann kunst der Balbier zu allen hin und stage ihnen die Ader auf,
daß sie ein büschen Blut lassen und bei die Hitze kein Slag kriegen. Obers
sie kriegen was ein our Apteiler, damit sie sinnt werden. An ihrem eigne»
Leibe können sie so was missen, wenn das abersten auf ihren Geldbeutel los¬
geht, dann werden sie fuchswild. Lieber Gott, das is doch auch gesund für
viele Menschen, wenn die Reichens ein paar Thaler lassen müssen!

Mahlmnnn hatte so eifrig gesprochen, daß er das Essen beinahe darüber
vergessen hatte. Jetzt aß er wieder kopfschüttelnd und einige halblaute Worte
murmelnd.

Passirte die Geschichte mit Jochen Friederichsen, als die große Diebes¬
bande hier war? fragte einer von uns.

Der Alte sah deu Frager verdrießlich an. Was ne dumme Frage!
sagte er. Hab ich nich gesagt, daß hier gar kein Diebsbande war? Da waren
ein paar Lenkers, die sich manchmal ein kleinen Spaß machten; das is allens,
und an die Hänser von die Arums gingen sie vorbei. Gebildet waren sie,
viel feiner als die dummen Bauerus hier, die niemals weiter als in die Stadt
gekommen sind und sich auf ihre Geldsäcke was einbilden! Und Gemüt hatten
sie, furchtbar viel Gemüt, was ihr schon um die Verse sehen könnt, die sie
überall angesriebcn haben. Bei einen von die Reichens, wo sie ein büschen
Geld genommen hatten, stand mit Kreide an die Hausthür: „Wir sind unsrer
vier und nich bang vor dir." Bei ein andern, wo sie ein paar Schinken
und Würste ruhn Rauchfang geholt hatten, da hatten sie um die swarze Wand
gesrieben: „Allens was is von Swein, das smeckt fein!" O, da waren noch
viel mehr Verse, ich hab sie man bloß vergessen, weil daß mein Gedächtnis
nich is, wie früher; das aber sag ich euch: mein Swestertvchter, die nu schon
an die dreizig Jahre tot is und die was von das echte Dichten verstand, die
sagte immer, die Verse, die damals mau bloß an die Wand gemalt wurden,
die hätten direktemang ins Gesangbuch gedruckt werden können, so schön waren
sie. Abers dn sind menner Leute, die von sowas keinen^ Begriff haben, lind
Jochen Friederichsen war einer von die dummen Kerls, die bloß ümmer an
ihren Geldbeutel denken. Nix anders hat er gethan, als von die Diebe
snncken, und daß der Pollerzei und Schandarmen hierzulande garnix taugten.


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[0622] Ans dänischer Zeit Heimweh kriegen sollte nach den andern kleinen Ferkeln. Von dieser Geschichte hat Jochen Friederichsen einen unbändigen Skandal gemacht. In die Stadt is er geritten und hat es angezeigt, daß seine San verswnnden wär, und hat sich benommen wie ein unvernünftigen Menschen. Denn da kann doch keiner was für, wenn sein Swein sich mal in die Welt umsehen will, und es is delischen ordinär, denn gleich von Dieben und Diebsbande zu sprechen. So haben denn viele von meine Freunde einen delischen Pik auf Friederichseu ge¬ kriegt, und das war stimm, weil da wirklich gebildete Menschen mit mang gewesen sind. Überhaupt so reiche Leute sind komisch. Wenn der Frühling kommt, dann kunst der Balbier zu allen hin und stage ihnen die Ader auf, daß sie ein büschen Blut lassen und bei die Hitze kein Slag kriegen. Obers sie kriegen was ein our Apteiler, damit sie sinnt werden. An ihrem eigne» Leibe können sie so was missen, wenn das abersten auf ihren Geldbeutel los¬ geht, dann werden sie fuchswild. Lieber Gott, das is doch auch gesund für viele Menschen, wenn die Reichens ein paar Thaler lassen müssen! Mahlmnnn hatte so eifrig gesprochen, daß er das Essen beinahe darüber vergessen hatte. Jetzt aß er wieder kopfschüttelnd und einige halblaute Worte murmelnd. Passirte die Geschichte mit Jochen Friederichsen, als die große Diebes¬ bande hier war? fragte einer von uns. Der Alte sah deu Frager verdrießlich an. Was ne dumme Frage! sagte er. Hab ich nich gesagt, daß hier gar kein Diebsbande war? Da waren ein paar Lenkers, die sich manchmal ein kleinen Spaß machten; das is allens, und an die Hänser von die Arums gingen sie vorbei. Gebildet waren sie, viel feiner als die dummen Bauerus hier, die niemals weiter als in die Stadt gekommen sind und sich auf ihre Geldsäcke was einbilden! Und Gemüt hatten sie, furchtbar viel Gemüt, was ihr schon um die Verse sehen könnt, die sie überall angesriebcn haben. Bei einen von die Reichens, wo sie ein büschen Geld genommen hatten, stand mit Kreide an die Hausthür: „Wir sind unsrer vier und nich bang vor dir." Bei ein andern, wo sie ein paar Schinken und Würste ruhn Rauchfang geholt hatten, da hatten sie um die swarze Wand gesrieben: „Allens was is von Swein, das smeckt fein!" O, da waren noch viel mehr Verse, ich hab sie man bloß vergessen, weil daß mein Gedächtnis nich is, wie früher; das aber sag ich euch: mein Swestertvchter, die nu schon an die dreizig Jahre tot is und die was von das echte Dichten verstand, die sagte immer, die Verse, die damals mau bloß an die Wand gemalt wurden, die hätten direktemang ins Gesangbuch gedruckt werden können, so schön waren sie. Abers dn sind menner Leute, die von sowas keinen^ Begriff haben, lind Jochen Friederichsen war einer von die dummen Kerls, die bloß ümmer an ihren Geldbeutel denken. Nix anders hat er gethan, als von die Diebe snncken, und daß der Pollerzei und Schandarmen hierzulande garnix taugten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/622>, abgerufen am 26.08.2024.