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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Theodor Körners Vater

Für die vereinigten Kräfte Deutschlands giebt es kein höheres Ziel, und bei
der Nachwelt haben wir zu verantworten, was in dem jetzigen Zeitpunkte
versäumt wird. Auf den preußischen Staat sind vornehmlich alle Augen ge¬
richtet, denn hier erwartet man mit Recht einen edeln Wetteifer unter allen
Klassen der Nation und in jedem Wirkungskreise die Früchte der allgemeinen
Begeisterung, die durch die Thaten der Krieger bei ihren friedlichen Mit¬
bürgern erzeugt wird. Daß aber eben in diesem Staate und eben jetzt die
Spuren von einem Geiste des Argwohns und der Zwietracht sich zeigen , der
seit mehreren Jahrhunderten so viel Unheil in Deutschland gestiftet hat, ist
eine traurige Erscheinung." Und an einer andern Stelle: "Daß Deutschland
so wieder hergestellt werde, wie es vor den letzten Jahren des Unglücks und
der Knechtschaft gewesen war, darf uus nicht genügen. Der innere Gehalt
des deutschen und insbesondre des preußischen Volkes hat sich dnrch vielfache
Prüfungen bewährt und begründet seinen Beruf zu einer höhern Stufe. Es
soll nicht bloß uuter den gebildetsten und blühendsten Völkern seinen Platz
einnehmen, sondern auf der Bahn zur Vollendung als Beispiel vorangehen."

Aber die Zeit war ihrem Ideale uoch nicht reif, wie sein großer Freund
Schiller gesagt hatte, und so mußte Körner sich bescheiden. Ein andrer,
größerer hat die schon damals eingesenkten Keime zu herrlicher Entfaltung
gebracht. Körner aber flüchtete in Stunden der Entmutigung zu feiner Kunst,
der Musik, deren Angelegenheiten er auch im Ministerium zu vertreten
hatte, und suchte auch das deutsche Wesen, dnrch Beispiele im eignen Hause
darauf geführt, aus dem Charakter tüchtiger Frauen zu ergründen, denen seine
letzte schriftstellerische Arbeit gewidmet ist, "Für deutsche Frauen" (Berlin und
Stettin, 1824). Er spricht darin über Weiblichkeit, Schönheit der Seele, Leben,
Freiheit, Einheit, Ebenmaß, innern Frieden und Licht und Wurme, alles in
Bezug auf Frauengeist und weibliches Gemüt. Außerdem fanden sich von
ihm einige bisher noch ungedruckte Handschriften im Dresdner Körnermuseum
und in der Berliner Bibliothek vor, so "Gedanken über die Bedingungen eines
blühenden Zustandes der preußischen Uuiversitnteu" u. s. w.

Überblicken wir den stattlichen Umfang seiner noch nicht erwähnten litte¬
rarischen, ästhetischen und politischen Arbeiten, die teils über die Freiheit des
Dichters bei der Wahl seines Stoffes, über die Kunst der Deklamation,
Charakterdarstellnng in der Musik, Wilhelm Meisters Lehrjahre, das Lustspiel,
teils über Geist und Esprit und über die deutsche Litteratur handeln, die
ferner das Lebe" des Kanzlers Axel Oxenstierna, die Verbesserung des Zivil-
Prozesses, die Hilfsquellen Sachsens, den staatswirtschaftlichen Wert eines
Menschenlebens und noch manche andre praktische Frage zum Gegenstande
haben, ziehen wir endlich sein mehr als pflichttreues amtliches Wirken in Be¬
tracht, das ihm in dem letzten Abschnitt seines Lebens freilich eine gewisse
gebundne Mnrschronte vorschrieb, so finden wir bestätigt, was sein Freund


Theodor Körners Vater

Für die vereinigten Kräfte Deutschlands giebt es kein höheres Ziel, und bei
der Nachwelt haben wir zu verantworten, was in dem jetzigen Zeitpunkte
versäumt wird. Auf den preußischen Staat sind vornehmlich alle Augen ge¬
richtet, denn hier erwartet man mit Recht einen edeln Wetteifer unter allen
Klassen der Nation und in jedem Wirkungskreise die Früchte der allgemeinen
Begeisterung, die durch die Thaten der Krieger bei ihren friedlichen Mit¬
bürgern erzeugt wird. Daß aber eben in diesem Staate und eben jetzt die
Spuren von einem Geiste des Argwohns und der Zwietracht sich zeigen , der
seit mehreren Jahrhunderten so viel Unheil in Deutschland gestiftet hat, ist
eine traurige Erscheinung." Und an einer andern Stelle: „Daß Deutschland
so wieder hergestellt werde, wie es vor den letzten Jahren des Unglücks und
der Knechtschaft gewesen war, darf uus nicht genügen. Der innere Gehalt
des deutschen und insbesondre des preußischen Volkes hat sich dnrch vielfache
Prüfungen bewährt und begründet seinen Beruf zu einer höhern Stufe. Es
soll nicht bloß uuter den gebildetsten und blühendsten Völkern seinen Platz
einnehmen, sondern auf der Bahn zur Vollendung als Beispiel vorangehen."

Aber die Zeit war ihrem Ideale uoch nicht reif, wie sein großer Freund
Schiller gesagt hatte, und so mußte Körner sich bescheiden. Ein andrer,
größerer hat die schon damals eingesenkten Keime zu herrlicher Entfaltung
gebracht. Körner aber flüchtete in Stunden der Entmutigung zu feiner Kunst,
der Musik, deren Angelegenheiten er auch im Ministerium zu vertreten
hatte, und suchte auch das deutsche Wesen, dnrch Beispiele im eignen Hause
darauf geführt, aus dem Charakter tüchtiger Frauen zu ergründen, denen seine
letzte schriftstellerische Arbeit gewidmet ist, „Für deutsche Frauen" (Berlin und
Stettin, 1824). Er spricht darin über Weiblichkeit, Schönheit der Seele, Leben,
Freiheit, Einheit, Ebenmaß, innern Frieden und Licht und Wurme, alles in
Bezug auf Frauengeist und weibliches Gemüt. Außerdem fanden sich von
ihm einige bisher noch ungedruckte Handschriften im Dresdner Körnermuseum
und in der Berliner Bibliothek vor, so „Gedanken über die Bedingungen eines
blühenden Zustandes der preußischen Uuiversitnteu" u. s. w.

Überblicken wir den stattlichen Umfang seiner noch nicht erwähnten litte¬
rarischen, ästhetischen und politischen Arbeiten, die teils über die Freiheit des
Dichters bei der Wahl seines Stoffes, über die Kunst der Deklamation,
Charakterdarstellnng in der Musik, Wilhelm Meisters Lehrjahre, das Lustspiel,
teils über Geist und Esprit und über die deutsche Litteratur handeln, die
ferner das Lebe» des Kanzlers Axel Oxenstierna, die Verbesserung des Zivil-
Prozesses, die Hilfsquellen Sachsens, den staatswirtschaftlichen Wert eines
Menschenlebens und noch manche andre praktische Frage zum Gegenstande
haben, ziehen wir endlich sein mehr als pflichttreues amtliches Wirken in Be¬
tracht, das ihm in dem letzten Abschnitt seines Lebens freilich eine gewisse
gebundne Mnrschronte vorschrieb, so finden wir bestätigt, was sein Freund


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/575>, abgerufen am 23.07.2024.