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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Theodor Römers Vater

Streckfuß von ihm in einem Nekrolog aussprach, daß er bis an seine letzten
Tilge die Forschung und die Kunst liebte und übte und der Wissenschaft in allen
ihren bedeutenden Erscheinungen folgte, daß aber alle diese verschiedenartigen
Bestrebungen zu einem einheitlichen Ganzen durch ein Gemüt verschmolzen
waren, in dem nur Wahrheit, Treue und Liebe wohnte, und das alles Ge¬
wöhnliche und Schlechte, was uns im Leben nur zu oft entgegentritt und sich
uns aufdrängen will, ohne Kampf und Anstrengung, nur durch die ruhige
Kraft der innern Würde zurückwies.

Diesem trotz alledem anspruchslosen Charakter war es beschieden, 1828
das fünfzigjährige Doktorjubiläum durch ein Fest zu begehen, das zwar auf
Anregung seiner Vorgesetzten gefeiert wurde, aber trotzdem weit eher ein herz¬
liches, als ein amtliches Gepräge trug. Sein langjähriger Freund, der Mi¬
nister W. von Humboldt, leitete die Feier mit einer warm empfundnen An¬
sprache ein, und als der Jubilar nur als Theodor Körners Vater dankte^
nahm der Minister von Kamptz Veranlassung, die eignen hohen Verdienste
des Gefeierten gebührend hervorzuheben.

Von diesem sonnigen Rückblick umstrahlt, wirkte er in ungeschwüchter
Kraft uoch drei Jahre und schied dann, ohne vorher krank gewesen zu sein,
schmerzlos am 13. Mai 1831 aus dem Leben. Seinem Wunsche gemäß wurde
er an der Seite seines Sohnes und seiner Tochter bei Wöbbelin bestattet.
Einfach und schlicht, wie sein Wesen, war seine Grabschrift; sie wies nur
seinen Namen und den Tag seiner Geburt und seines Todes auf. Erhalten
sind aber die Worte, die Neander an Ch. G. Körners Sarg sprach, als dieser
die letzte Reise zu der Eiche auf mecklenburgischem Grund antrat. Es war
nicht ein bloßer Schmuck der Trauerrede, wenn ihm der würdige Bischof den
höchsten Vorzug zuerkannte, in der That und Wahrheit ein Christ gewesen zu
sein, wenn er sagte, daß der Geist eines Weisen in ihm gewohnt und das
Herz eines Kindes in seiner Brust geschlagen habe, daß um ihm das Beste der
alten und neuen Zeit in seltner Verschmelzung vereinigt gewesen sei. So war
Ch. G. Körner, das beweist sein Leben, davon zeugt sein Wirken, ein tief¬
ernster Idealist, ein Muster für die Mit- und Nachwelt, ein echter deutscher
Charakter.




Theodor Römers Vater

Streckfuß von ihm in einem Nekrolog aussprach, daß er bis an seine letzten
Tilge die Forschung und die Kunst liebte und übte und der Wissenschaft in allen
ihren bedeutenden Erscheinungen folgte, daß aber alle diese verschiedenartigen
Bestrebungen zu einem einheitlichen Ganzen durch ein Gemüt verschmolzen
waren, in dem nur Wahrheit, Treue und Liebe wohnte, und das alles Ge¬
wöhnliche und Schlechte, was uns im Leben nur zu oft entgegentritt und sich
uns aufdrängen will, ohne Kampf und Anstrengung, nur durch die ruhige
Kraft der innern Würde zurückwies.

Diesem trotz alledem anspruchslosen Charakter war es beschieden, 1828
das fünfzigjährige Doktorjubiläum durch ein Fest zu begehen, das zwar auf
Anregung seiner Vorgesetzten gefeiert wurde, aber trotzdem weit eher ein herz¬
liches, als ein amtliches Gepräge trug. Sein langjähriger Freund, der Mi¬
nister W. von Humboldt, leitete die Feier mit einer warm empfundnen An¬
sprache ein, und als der Jubilar nur als Theodor Körners Vater dankte^
nahm der Minister von Kamptz Veranlassung, die eignen hohen Verdienste
des Gefeierten gebührend hervorzuheben.

Von diesem sonnigen Rückblick umstrahlt, wirkte er in ungeschwüchter
Kraft uoch drei Jahre und schied dann, ohne vorher krank gewesen zu sein,
schmerzlos am 13. Mai 1831 aus dem Leben. Seinem Wunsche gemäß wurde
er an der Seite seines Sohnes und seiner Tochter bei Wöbbelin bestattet.
Einfach und schlicht, wie sein Wesen, war seine Grabschrift; sie wies nur
seinen Namen und den Tag seiner Geburt und seines Todes auf. Erhalten
sind aber die Worte, die Neander an Ch. G. Körners Sarg sprach, als dieser
die letzte Reise zu der Eiche auf mecklenburgischem Grund antrat. Es war
nicht ein bloßer Schmuck der Trauerrede, wenn ihm der würdige Bischof den
höchsten Vorzug zuerkannte, in der That und Wahrheit ein Christ gewesen zu
sein, wenn er sagte, daß der Geist eines Weisen in ihm gewohnt und das
Herz eines Kindes in seiner Brust geschlagen habe, daß um ihm das Beste der
alten und neuen Zeit in seltner Verschmelzung vereinigt gewesen sei. So war
Ch. G. Körner, das beweist sein Leben, davon zeugt sein Wirken, ein tief¬
ernster Idealist, ein Muster für die Mit- und Nachwelt, ein echter deutscher
Charakter.




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[0576] Theodor Römers Vater Streckfuß von ihm in einem Nekrolog aussprach, daß er bis an seine letzten Tilge die Forschung und die Kunst liebte und übte und der Wissenschaft in allen ihren bedeutenden Erscheinungen folgte, daß aber alle diese verschiedenartigen Bestrebungen zu einem einheitlichen Ganzen durch ein Gemüt verschmolzen waren, in dem nur Wahrheit, Treue und Liebe wohnte, und das alles Ge¬ wöhnliche und Schlechte, was uns im Leben nur zu oft entgegentritt und sich uns aufdrängen will, ohne Kampf und Anstrengung, nur durch die ruhige Kraft der innern Würde zurückwies. Diesem trotz alledem anspruchslosen Charakter war es beschieden, 1828 das fünfzigjährige Doktorjubiläum durch ein Fest zu begehen, das zwar auf Anregung seiner Vorgesetzten gefeiert wurde, aber trotzdem weit eher ein herz¬ liches, als ein amtliches Gepräge trug. Sein langjähriger Freund, der Mi¬ nister W. von Humboldt, leitete die Feier mit einer warm empfundnen An¬ sprache ein, und als der Jubilar nur als Theodor Körners Vater dankte^ nahm der Minister von Kamptz Veranlassung, die eignen hohen Verdienste des Gefeierten gebührend hervorzuheben. Von diesem sonnigen Rückblick umstrahlt, wirkte er in ungeschwüchter Kraft uoch drei Jahre und schied dann, ohne vorher krank gewesen zu sein, schmerzlos am 13. Mai 1831 aus dem Leben. Seinem Wunsche gemäß wurde er an der Seite seines Sohnes und seiner Tochter bei Wöbbelin bestattet. Einfach und schlicht, wie sein Wesen, war seine Grabschrift; sie wies nur seinen Namen und den Tag seiner Geburt und seines Todes auf. Erhalten sind aber die Worte, die Neander an Ch. G. Körners Sarg sprach, als dieser die letzte Reise zu der Eiche auf mecklenburgischem Grund antrat. Es war nicht ein bloßer Schmuck der Trauerrede, wenn ihm der würdige Bischof den höchsten Vorzug zuerkannte, in der That und Wahrheit ein Christ gewesen zu sein, wenn er sagte, daß der Geist eines Weisen in ihm gewohnt und das Herz eines Kindes in seiner Brust geschlagen habe, daß um ihm das Beste der alten und neuen Zeit in seltner Verschmelzung vereinigt gewesen sei. So war Ch. G. Körner, das beweist sein Leben, davon zeugt sein Wirken, ein tief¬ ernster Idealist, ein Muster für die Mit- und Nachwelt, ein echter deutscher Charakter.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/576>, abgerufen am 23.07.2024.