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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Die Erziehung des deutschen Studenten

gemein, sie dürfe" lind müssen einander schimpfen, prügeln, mit dem. Messer
stechen, aber ans keinen Fall zusammen "losgehen," das heißt sich mit den ge¬
bräuchlichen Dnellwaffen bekämpfen. Kommt es vor, daß zwei Gegner in
solcher Weise zusammengeraten sind, daß sie trotzdem das Duell nicht ver¬
meiden möchten, so treten sie aus ihren Verbindungen aus und schlagen sich
als Privatleute. Dann aber wird es ein richtiges Duell, mit schweren Waffen,
leine gewöhnliche Mensur, nud mir zu oft ist der Ausgang tötlich. Mir ist
ein solcher Fall bekannt, der bezeichnend für das Verhältnis und die gegen¬
seitige Empörung ist. Ein Burschenschafter, der den rechten Arm in der Binde
trägt, weil ihm von der letzten Mensur her die Muskeln gelähmt sind, kommt
in Zwist mit einem "alten Herrn" eines Korps. Beide sind stolz angelegte
Naturen, die den Streit in anständiger Weise auftragen wollen. Sie wählen
krumme Säbel, und der Burschenschafter schlägt links. Er bekommt einen
Hieb in die Lunge und stirbt binnen drei Tagen, der "alte Herr," der bereits
einen Getöteten ans dem Kerbholz hat, entflieht nach Amerika. Wären beide
von den .Korps oder beide Burschenschafter gewesen, so würden doch ver¬
ständige Kommilitonen den Kampf gemildert und so lange hinausgeschoben
haben, bis der Verwundete wieder den Gebrauch seines rechten Arms gehabt
hätte. Auch nach eiuer andern Seite hin ist das Beispiel lehrreich. Der
Sieger war bereits "alter Herr." Über die Universitütszeit hinaus greift der
Antagonismus beider Parteien, ja er währt, kann man wohl sagen, bis zum
Ende des Lebens. Auch die Geheimräte, die Minister können nicht vergessen,
welche Farben sie einst getragen haben und noch jetzt bei Stiftungsfesten und
sonstigen Kommersen tragen. Sie haben als Studenten einen Trank getrunken,
der in der Faustischen Hexenküche gebraut zu sein scheint, und sehen um für
immer, die Korpsstudenten in den Burschenschafter, diese in den Korpsstndenten,
Wesen einer andern, ihnen feindlichen Art. Zeitweise ist zwar, namentlich an
den süddeutschen Universitäten, der grundsätzliche Verruf nicht aufrechterhalten
worden, sondern sind Korpsbnrschcn und Burschenschafter in Farben miteinander
losgegangen, aber die gereizte Stimmung, das gespannte Verhältnis haben
bestanden und bestehen noch. Deshalb wird ein Jüngling von weltklugen
Blick, der es als späterer Beamter zu etwas bringen möchte, freiwillig nicht
in eine Burschenschaft eintreten, auch uicht in eine Landsmannschaft, sondern
mir in ein Korps.

Die Landsmannschaften sind die dritte Art von Waffenverbindnngen, aber
an Zahl die geringste. Durchschnittlich nur 350 Studenten zählen neuerdings
zu ihnen, während die Zahl der Burschenschafter durchschnittlich 1000, die
der Korpsstudenten 1600 im ganzen beträgt. Alle drei Arten blicken ver¬
ächtlich auf die an Zahl zehnfach überwiegende Menge derer hinab, die zur
Universität nur in der Absicht gehen, etwas zu lernen. An alten Herren,
die nunmehr in Amt und Würden sind, mögen die Burschenschafter etwa


Die Erziehung des deutschen Studenten

gemein, sie dürfe» lind müssen einander schimpfen, prügeln, mit dem. Messer
stechen, aber ans keinen Fall zusammen „losgehen," das heißt sich mit den ge¬
bräuchlichen Dnellwaffen bekämpfen. Kommt es vor, daß zwei Gegner in
solcher Weise zusammengeraten sind, daß sie trotzdem das Duell nicht ver¬
meiden möchten, so treten sie aus ihren Verbindungen aus und schlagen sich
als Privatleute. Dann aber wird es ein richtiges Duell, mit schweren Waffen,
leine gewöhnliche Mensur, nud mir zu oft ist der Ausgang tötlich. Mir ist
ein solcher Fall bekannt, der bezeichnend für das Verhältnis und die gegen¬
seitige Empörung ist. Ein Burschenschafter, der den rechten Arm in der Binde
trägt, weil ihm von der letzten Mensur her die Muskeln gelähmt sind, kommt
in Zwist mit einem „alten Herrn" eines Korps. Beide sind stolz angelegte
Naturen, die den Streit in anständiger Weise auftragen wollen. Sie wählen
krumme Säbel, und der Burschenschafter schlägt links. Er bekommt einen
Hieb in die Lunge und stirbt binnen drei Tagen, der „alte Herr," der bereits
einen Getöteten ans dem Kerbholz hat, entflieht nach Amerika. Wären beide
von den .Korps oder beide Burschenschafter gewesen, so würden doch ver¬
ständige Kommilitonen den Kampf gemildert und so lange hinausgeschoben
haben, bis der Verwundete wieder den Gebrauch seines rechten Arms gehabt
hätte. Auch nach eiuer andern Seite hin ist das Beispiel lehrreich. Der
Sieger war bereits „alter Herr." Über die Universitütszeit hinaus greift der
Antagonismus beider Parteien, ja er währt, kann man wohl sagen, bis zum
Ende des Lebens. Auch die Geheimräte, die Minister können nicht vergessen,
welche Farben sie einst getragen haben und noch jetzt bei Stiftungsfesten und
sonstigen Kommersen tragen. Sie haben als Studenten einen Trank getrunken,
der in der Faustischen Hexenküche gebraut zu sein scheint, und sehen um für
immer, die Korpsstudenten in den Burschenschafter, diese in den Korpsstndenten,
Wesen einer andern, ihnen feindlichen Art. Zeitweise ist zwar, namentlich an
den süddeutschen Universitäten, der grundsätzliche Verruf nicht aufrechterhalten
worden, sondern sind Korpsbnrschcn und Burschenschafter in Farben miteinander
losgegangen, aber die gereizte Stimmung, das gespannte Verhältnis haben
bestanden und bestehen noch. Deshalb wird ein Jüngling von weltklugen
Blick, der es als späterer Beamter zu etwas bringen möchte, freiwillig nicht
in eine Burschenschaft eintreten, auch uicht in eine Landsmannschaft, sondern
mir in ein Korps.

Die Landsmannschaften sind die dritte Art von Waffenverbindnngen, aber
an Zahl die geringste. Durchschnittlich nur 350 Studenten zählen neuerdings
zu ihnen, während die Zahl der Burschenschafter durchschnittlich 1000, die
der Korpsstudenten 1600 im ganzen beträgt. Alle drei Arten blicken ver¬
ächtlich auf die an Zahl zehnfach überwiegende Menge derer hinab, die zur
Universität nur in der Absicht gehen, etwas zu lernen. An alten Herren,
die nunmehr in Amt und Würden sind, mögen die Burschenschafter etwa


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/34>, abgerufen am 23.07.2024.