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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Die Erziehung des deutschen Studenten

Aber der Burschenschaft schwebte eine Tugend ganz besondrer, durchaus
deutscher Art vor, und in ihr kam besonders die Unzufriedenheit mit den be¬
stehende" staatlichen Verhältnissen zum Allsdruck. Bei dem Wnrtburgfeste
waren Kämpfer aus deu Freiheitskriegen die Führer lind sprachen in feurigen
Worten von den Idealen des deutsche" Volkes, die "ach Besiegung des Korsen
keineswegs mehr das Panier der Regenten wären, dem Volke aber vorschwebten
und von der thatkräftigen Jugend zur Geltung gebracht werden müßten.
Es war dabei von eitlem einigen Deutschland, aber anch vo" Tyrannen die
Rede, und ein Klang durchzitterte die Gemüter, der von Pindars Harfe zu
stammen schien und an das Lied erinnerte: In Myrte" verhüllt trage ich
mein Schwert, wie Harmodios und Aristogeiton.

Damals aber galt Metternich als das Orakel für die deutschen Regierungen,
und vielen der Begeisterten bekamen ihre Reden , und Beschlüsse bekanntlich
sehr schlecht. Es entstand ein Mißtrauen gegen die Burschenschaft bei den
Regiernnge", das zur Auflösung der Burschenschaft führte, bis auf den heutigen
Tag nachwirkt und sich thatsächlich jetzt noch in der Feindschaft zwischen den
Korps und den neugebildeten Burschenschafter ausspricht, obwohl seit langer
Zeit schon von politischen Bestrebungen oder sonstigen wirklichen Gründen
einer Entzweiung nicht mehr die Rede sein kann. Es ist eben Überlieferung.
Die Korps stellen in ihren "alten Herren" die hohen Staatsbeamten und
halten die angeblich demokratisch gesinnten und dcutschtümelnden Burschen¬
schafter in Verruf, das heißt, erklären ihre Mitglieder der Ehre, mit ihnen
die Waffen zu kreuzen, für unwürdig. Es giebt Gerüche, die unvertilgbar
zu sein scheinen. Ein Atom einer solchen stark riechenden Essenz ist auf einen
Gegenstand gefallen, und kein Mittel vertreibt wieder den nachbleibenden Duft,
wird wohl schwächer, aber bleibt immer noch bemerklich. So ist der Tyrannen¬
mord auf die Burschenschaft gefallen, obwohl kein Tyrann von ihr ermordet
worden ist.

Aber wenn das auch im Kern die Ursache der Abneigung zwischen
Korps und Burschenschaft ist, so wird der bestehende Verruf doch uoch von
vielfältigen Nebenumständen begleitet. Der Laie begreift zunächst nicht:
Beide Parteien leben und Handel" ganz in derselben Weise. Beide gehen in
Farben, trinken viel und schlagen sich. Beide sind Waffenverbinduugen und
blicken verächtlich auf die Blasen hinab, das heißt auf die Verbindungen, die
sich nicht schlagen. Auch die Burschenschaft hat unter ihren alten Herren be¬
rühmte Namen: Uhland, Hauff, Holtet, Laube, Gutzkow, Reute/, Scheffel
waren Burschenschafter. Und doch hegen beide Parteien°Gefühle gegeneinander,
als wären sie nicht von demselben Blut, auf denselben Gymnasien erzogen
und zu demselben Studium vereinigt, sondern als wären sie feindliche Nassen.
Wenn sie sich sehen, so schaudert thuen die Haut. Sie erklären einander der
^egel nach für unanständig, teilweise und zeitweise auch uoch für feige und


Grenzboten III 1891 4
Die Erziehung des deutschen Studenten

Aber der Burschenschaft schwebte eine Tugend ganz besondrer, durchaus
deutscher Art vor, und in ihr kam besonders die Unzufriedenheit mit den be¬
stehende» staatlichen Verhältnissen zum Allsdruck. Bei dem Wnrtburgfeste
waren Kämpfer aus deu Freiheitskriegen die Führer lind sprachen in feurigen
Worten von den Idealen des deutsche» Volkes, die «ach Besiegung des Korsen
keineswegs mehr das Panier der Regenten wären, dem Volke aber vorschwebten
und von der thatkräftigen Jugend zur Geltung gebracht werden müßten.
Es war dabei von eitlem einigen Deutschland, aber anch vo» Tyrannen die
Rede, und ein Klang durchzitterte die Gemüter, der von Pindars Harfe zu
stammen schien und an das Lied erinnerte: In Myrte» verhüllt trage ich
mein Schwert, wie Harmodios und Aristogeiton.

Damals aber galt Metternich als das Orakel für die deutschen Regierungen,
und vielen der Begeisterten bekamen ihre Reden , und Beschlüsse bekanntlich
sehr schlecht. Es entstand ein Mißtrauen gegen die Burschenschaft bei den
Regiernnge», das zur Auflösung der Burschenschaft führte, bis auf den heutigen
Tag nachwirkt und sich thatsächlich jetzt noch in der Feindschaft zwischen den
Korps und den neugebildeten Burschenschafter ausspricht, obwohl seit langer
Zeit schon von politischen Bestrebungen oder sonstigen wirklichen Gründen
einer Entzweiung nicht mehr die Rede sein kann. Es ist eben Überlieferung.
Die Korps stellen in ihren „alten Herren" die hohen Staatsbeamten und
halten die angeblich demokratisch gesinnten und dcutschtümelnden Burschen¬
schafter in Verruf, das heißt, erklären ihre Mitglieder der Ehre, mit ihnen
die Waffen zu kreuzen, für unwürdig. Es giebt Gerüche, die unvertilgbar
zu sein scheinen. Ein Atom einer solchen stark riechenden Essenz ist auf einen
Gegenstand gefallen, und kein Mittel vertreibt wieder den nachbleibenden Duft,
wird wohl schwächer, aber bleibt immer noch bemerklich. So ist der Tyrannen¬
mord auf die Burschenschaft gefallen, obwohl kein Tyrann von ihr ermordet
worden ist.

Aber wenn das auch im Kern die Ursache der Abneigung zwischen
Korps und Burschenschaft ist, so wird der bestehende Verruf doch uoch von
vielfältigen Nebenumständen begleitet. Der Laie begreift zunächst nicht:
Beide Parteien leben und Handel« ganz in derselben Weise. Beide gehen in
Farben, trinken viel und schlagen sich. Beide sind Waffenverbinduugen und
blicken verächtlich auf die Blasen hinab, das heißt auf die Verbindungen, die
sich nicht schlagen. Auch die Burschenschaft hat unter ihren alten Herren be¬
rühmte Namen: Uhland, Hauff, Holtet, Laube, Gutzkow, Reute/, Scheffel
waren Burschenschafter. Und doch hegen beide Parteien°Gefühle gegeneinander,
als wären sie nicht von demselben Blut, auf denselben Gymnasien erzogen
und zu demselben Studium vereinigt, sondern als wären sie feindliche Nassen.
Wenn sie sich sehen, so schaudert thuen die Haut. Sie erklären einander der
^egel nach für unanständig, teilweise und zeitweise auch uoch für feige und


Grenzboten III 1891 4
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[0033] Die Erziehung des deutschen Studenten Aber der Burschenschaft schwebte eine Tugend ganz besondrer, durchaus deutscher Art vor, und in ihr kam besonders die Unzufriedenheit mit den be¬ stehende» staatlichen Verhältnissen zum Allsdruck. Bei dem Wnrtburgfeste waren Kämpfer aus deu Freiheitskriegen die Führer lind sprachen in feurigen Worten von den Idealen des deutsche» Volkes, die «ach Besiegung des Korsen keineswegs mehr das Panier der Regenten wären, dem Volke aber vorschwebten und von der thatkräftigen Jugend zur Geltung gebracht werden müßten. Es war dabei von eitlem einigen Deutschland, aber anch vo» Tyrannen die Rede, und ein Klang durchzitterte die Gemüter, der von Pindars Harfe zu stammen schien und an das Lied erinnerte: In Myrte» verhüllt trage ich mein Schwert, wie Harmodios und Aristogeiton. Damals aber galt Metternich als das Orakel für die deutschen Regierungen, und vielen der Begeisterten bekamen ihre Reden , und Beschlüsse bekanntlich sehr schlecht. Es entstand ein Mißtrauen gegen die Burschenschaft bei den Regiernnge», das zur Auflösung der Burschenschaft führte, bis auf den heutigen Tag nachwirkt und sich thatsächlich jetzt noch in der Feindschaft zwischen den Korps und den neugebildeten Burschenschafter ausspricht, obwohl seit langer Zeit schon von politischen Bestrebungen oder sonstigen wirklichen Gründen einer Entzweiung nicht mehr die Rede sein kann. Es ist eben Überlieferung. Die Korps stellen in ihren „alten Herren" die hohen Staatsbeamten und halten die angeblich demokratisch gesinnten und dcutschtümelnden Burschen¬ schafter in Verruf, das heißt, erklären ihre Mitglieder der Ehre, mit ihnen die Waffen zu kreuzen, für unwürdig. Es giebt Gerüche, die unvertilgbar zu sein scheinen. Ein Atom einer solchen stark riechenden Essenz ist auf einen Gegenstand gefallen, und kein Mittel vertreibt wieder den nachbleibenden Duft, wird wohl schwächer, aber bleibt immer noch bemerklich. So ist der Tyrannen¬ mord auf die Burschenschaft gefallen, obwohl kein Tyrann von ihr ermordet worden ist. Aber wenn das auch im Kern die Ursache der Abneigung zwischen Korps und Burschenschaft ist, so wird der bestehende Verruf doch uoch von vielfältigen Nebenumständen begleitet. Der Laie begreift zunächst nicht: Beide Parteien leben und Handel« ganz in derselben Weise. Beide gehen in Farben, trinken viel und schlagen sich. Beide sind Waffenverbinduugen und blicken verächtlich auf die Blasen hinab, das heißt auf die Verbindungen, die sich nicht schlagen. Auch die Burschenschaft hat unter ihren alten Herren be¬ rühmte Namen: Uhland, Hauff, Holtet, Laube, Gutzkow, Reute/, Scheffel waren Burschenschafter. Und doch hegen beide Parteien°Gefühle gegeneinander, als wären sie nicht von demselben Blut, auf denselben Gymnasien erzogen und zu demselben Studium vereinigt, sondern als wären sie feindliche Nassen. Wenn sie sich sehen, so schaudert thuen die Haut. Sie erklären einander der ^egel nach für unanständig, teilweise und zeitweise auch uoch für feige und Grenzboten III 1891 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/33>, abgerufen am 23.07.2024.