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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Die Erziehung des deutschen Studenten

sehnigen Arme und trotzigen blauen Angen so ga"z anders ausschauen, der
kann sich der Vermutung nicht entschlagen, daß es hier manchmal in den
Fäusten mele und in den Herzen die Begierde brenne, zwischen dein Beten
einmal mit der geschliffnen Klinge über die feindlichen Stämme herzufallen
und die höhnischen Gesichter der Korpsstudenten mit blutigen Linien zu
korrigiren. Und ans der andern Seite ist Wahl mancher dunkeläugige Jüng¬
ling vou behendem Witz, der dem Blute oder dein Mute nach von den
Mnklabäern stammen könnte, voll heißen Ingrimms darüber, daß ihm bei
seinem Nnivcrsitütsstndium der Eintritt in ein Korps versagt bleibt, wie ihm
in der Armee die Offizierstelleu unzugänglich find.

Stammt aber der Jüngling aus üblicher oder sonst angesehener, begüterter,
christlicher, doch nicht katholischer Familie, und strebt er nach hoher Stellung
im Staate, so tritt er natürlich in ein Korps ein. Er erinnert sich des be¬
rühmten Namens des Fürsten Bismarck, der Namen der preußischen Minister
Graf Herbert Bismarck, Graf Eulenburg, von Puttkamer, von Goszler,
von Lucius, von Scholz, von Bvetticher, von Falk und so vieler andern, die
Korpsstudenten waren. Er weiß, daß so ziemlich alle hohen Beamten in
Preußen den Korps, alle, anch die Landräte mit einbegriffen, den Waffen-
Verbindungen angehört haben, "aktiv" gewesen sind. Aktiv sein nämlich heißt
sich schlagen. Er weiß, daß es ebenso mit den meisten Männern in den
übrigen hohen Stellungen des Hofes, des Staates und auf den Lehrstühlen
der Universität ist, und daß eine ganze große Partei im Landtage und Reichs¬
tage fast mir aus alten Korpsstudenten besteht. Er weiß jetzt auch, daß
Kaiser Wilhelm II. selbst bei der Bonner Borussia war und die Hoffnung
ausgesprochen hat, der Kronprinz werde ebenfalls bei einem Bonner Korps
eintreten. Sein Vater, seine Oheime, fast alle seine ältern Verwandten, sämt¬
lich Gutsbesitzer oder Beamte, sind Korpsstudenten, jedenfalls "aktiv" gewesen
oder sind Offiziere. Er weiß auch, daß der Verband zwischen den alten und
den jungen Korpsstudenten nicht aufgehört hat. sondern in beständiger Wechsel¬
wirkung fortbesteht, daß das Bciud gemeinsamer Neigungen, Anschauungen,
Rücksichten und Ziele die "alten Herren" mit den aktiven Korpsstudenten eng
verknüpft, ähnlich wie die Familienbeziehungen die Mitglieder in seinem engern
verwandtschaftlichen Kreise verknüpfen. Er weiß, daß auch in der Armee der
Hauptmann und der Rittmeister ihn fragen werden, wo er sich "seine schmisse
geholt" habe, und daß von den Offizieren nur der Korpsstudent für ebenbürtig
gehalten, für voll angesehen wird. Er weiß, daß er etwas Tüchtiges leisten
muß, um zu hohen verantwortlichen Stellungen befördert zu werden, daß er
aber, wenn er sich wirklich als tüchtig bewährt, bei den Vorgesetzten, die zu
den alten Herren der Korps gehören, die wohlgeneigte Gesinnung des Vaters
oder Oheims finden wird. Er weiß, daß in den Kreisen, zu denen ihn seine
Laufbahn führen soll, die Anschauung gilt, es könne zwar auch das Wissen


Die Erziehung des deutschen Studenten

sehnigen Arme und trotzigen blauen Angen so ga»z anders ausschauen, der
kann sich der Vermutung nicht entschlagen, daß es hier manchmal in den
Fäusten mele und in den Herzen die Begierde brenne, zwischen dein Beten
einmal mit der geschliffnen Klinge über die feindlichen Stämme herzufallen
und die höhnischen Gesichter der Korpsstudenten mit blutigen Linien zu
korrigiren. Und ans der andern Seite ist Wahl mancher dunkeläugige Jüng¬
ling vou behendem Witz, der dem Blute oder dein Mute nach von den
Mnklabäern stammen könnte, voll heißen Ingrimms darüber, daß ihm bei
seinem Nnivcrsitütsstndium der Eintritt in ein Korps versagt bleibt, wie ihm
in der Armee die Offizierstelleu unzugänglich find.

Stammt aber der Jüngling aus üblicher oder sonst angesehener, begüterter,
christlicher, doch nicht katholischer Familie, und strebt er nach hoher Stellung
im Staate, so tritt er natürlich in ein Korps ein. Er erinnert sich des be¬
rühmten Namens des Fürsten Bismarck, der Namen der preußischen Minister
Graf Herbert Bismarck, Graf Eulenburg, von Puttkamer, von Goszler,
von Lucius, von Scholz, von Bvetticher, von Falk und so vieler andern, die
Korpsstudenten waren. Er weiß, daß so ziemlich alle hohen Beamten in
Preußen den Korps, alle, anch die Landräte mit einbegriffen, den Waffen-
Verbindungen angehört haben, „aktiv" gewesen sind. Aktiv sein nämlich heißt
sich schlagen. Er weiß, daß es ebenso mit den meisten Männern in den
übrigen hohen Stellungen des Hofes, des Staates und auf den Lehrstühlen
der Universität ist, und daß eine ganze große Partei im Landtage und Reichs¬
tage fast mir aus alten Korpsstudenten besteht. Er weiß jetzt auch, daß
Kaiser Wilhelm II. selbst bei der Bonner Borussia war und die Hoffnung
ausgesprochen hat, der Kronprinz werde ebenfalls bei einem Bonner Korps
eintreten. Sein Vater, seine Oheime, fast alle seine ältern Verwandten, sämt¬
lich Gutsbesitzer oder Beamte, sind Korpsstudenten, jedenfalls „aktiv" gewesen
oder sind Offiziere. Er weiß auch, daß der Verband zwischen den alten und
den jungen Korpsstudenten nicht aufgehört hat. sondern in beständiger Wechsel¬
wirkung fortbesteht, daß das Bciud gemeinsamer Neigungen, Anschauungen,
Rücksichten und Ziele die „alten Herren" mit den aktiven Korpsstudenten eng
verknüpft, ähnlich wie die Familienbeziehungen die Mitglieder in seinem engern
verwandtschaftlichen Kreise verknüpfen. Er weiß, daß auch in der Armee der
Hauptmann und der Rittmeister ihn fragen werden, wo er sich „seine schmisse
geholt" habe, und daß von den Offizieren nur der Korpsstudent für ebenbürtig
gehalten, für voll angesehen wird. Er weiß, daß er etwas Tüchtiges leisten
muß, um zu hohen verantwortlichen Stellungen befördert zu werden, daß er
aber, wenn er sich wirklich als tüchtig bewährt, bei den Vorgesetzten, die zu
den alten Herren der Korps gehören, die wohlgeneigte Gesinnung des Vaters
oder Oheims finden wird. Er weiß, daß in den Kreisen, zu denen ihn seine
Laufbahn führen soll, die Anschauung gilt, es könne zwar auch das Wissen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/27>, abgerufen am 23.07.2024.