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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Die Erziehung des deutschen Studenten

um die Kosten der Kriegsrüstuug tragen zu können. So steht denn für den
eigentlich modernen Menschen, den Amerikaner, und so steht für den ameri¬
kanisch denkenden Europäer die deutsche Universität, als ans die nktgriechische
Idee von der Tugend gegründet, wie eine Ruine da, die man uupraktischer-
weise immer wieder neu ausi'ant, anstatt sie abzureißen und ein zehnstöckiges
Haus aus Stein und Eisen an ihre Stelle zu setzen. Der moderne Mensch
lacht über die philosophische Fakultät, die gleich einem Karawanserai alle
möglichen Disziplinen unter einem Dache beherbergt, möchte am liebsten das
Wort Philosophie selbst verbannen und erklärt, daß es gut sein würde, die
Studenten tüchtig für ihren Beruf auszubilden und ihnen deshalb vor allem
die alten Sprachen, das Trinken und das Fechte" abzugewöhnen. Denn die
Universität als eine Hochschule zum Erlernen von allerhand nützlichen Kennt¬
nissen begreift der moderne Mensch recht wohl, er schüttelt den Kopf nnr über
das, was er Auswüchse nennt. Der moderne Mensch will eben von dem
T"!^.6vivo nichts mehr wissen, das zwischen den Göttern und den Menschen
vermittelt, sondern ruft nach handwerksmäßigen Männern; an ihn dürfte wohl
der Kaiser gedacht haben, als er zu den Bonner .Korpsstudenten sagte: " Unsre
Mensuren werden im Publikum vielfach nicht verstanden. Das soll uns aber
nicht irre machen. Wir, die wir Korpsstudenten gewesen sind, wie ich, wir
wissen das besser." Platons "pe^, die Gründerin der deutschen Universität,
war dämonischer Art; das Dämonische aber zu erkennen ist der Vorzug des
Genies.

Das Augenfälligste am deutschen Stndentenwesen ist dus Pauken oder
Dllelliren, sind die Mensuren. Wie bei so vielen großen Einrichtungen von
allgemeiner und tiefer Bedeutung irgend eine einzelne eigentümliche Erschei¬
nung dem Volke als Merkmal für das große Ganze gilt, wobei dann aber
das Volk mit richtigem Instinkt das Charakteristische herausgefunden hat, so
ist das Pauke" der deutschen Studenten die Eigentümlichkeit, wonach die Welt
zunächst blickt, wenn von der Universität die Rede ist. Die Schnarren auf
den Gesichtern der Studirten und Studenten lenken die Blicke auf sich und
geben zu denselben Betrachtungen Anlaß, wie einst die zerschlagenen Ohren
der Pankmtiasten. Der Bürger spottet über solche Wunden, das Gesetz und
die christliche Religion verbieten das Duell, die katholische Kirche belegt die
Duellanten mit dem Bann, und bei alledem fühlt fast jedermann den tugend¬
haften Kern der Sache heraus und kann sich heimlich des Respekts vor den
Leuten nicht erwehren, die der Waffe trotzen. Diese Seite der Tugend hat
much der Kaiser im Auge gehabt, als er die Korps ermunterte und den bei
ahnen herrschenden Geist für die beste Erziehung eines jungeu Mannes erklärte,
da sie zu Kraft, Mut und Gehorsam führe. Eine Aufforderung zum und
Ungehorsam gegen das Gesetz, "das Gesetz, das König ist aller, der Menschen
Götter zugleich," sollte das nicht sein.


Grenzboten U1 1891 g
Die Erziehung des deutschen Studenten

um die Kosten der Kriegsrüstuug tragen zu können. So steht denn für den
eigentlich modernen Menschen, den Amerikaner, und so steht für den ameri¬
kanisch denkenden Europäer die deutsche Universität, als ans die nktgriechische
Idee von der Tugend gegründet, wie eine Ruine da, die man uupraktischer-
weise immer wieder neu ausi'ant, anstatt sie abzureißen und ein zehnstöckiges
Haus aus Stein und Eisen an ihre Stelle zu setzen. Der moderne Mensch
lacht über die philosophische Fakultät, die gleich einem Karawanserai alle
möglichen Disziplinen unter einem Dache beherbergt, möchte am liebsten das
Wort Philosophie selbst verbannen und erklärt, daß es gut sein würde, die
Studenten tüchtig für ihren Beruf auszubilden und ihnen deshalb vor allem
die alten Sprachen, das Trinken und das Fechte» abzugewöhnen. Denn die
Universität als eine Hochschule zum Erlernen von allerhand nützlichen Kennt¬
nissen begreift der moderne Mensch recht wohl, er schüttelt den Kopf nnr über
das, was er Auswüchse nennt. Der moderne Mensch will eben von dem
T«!^.6vivo nichts mehr wissen, das zwischen den Göttern und den Menschen
vermittelt, sondern ruft nach handwerksmäßigen Männern; an ihn dürfte wohl
der Kaiser gedacht haben, als er zu den Bonner .Korpsstudenten sagte: „ Unsre
Mensuren werden im Publikum vielfach nicht verstanden. Das soll uns aber
nicht irre machen. Wir, die wir Korpsstudenten gewesen sind, wie ich, wir
wissen das besser." Platons «pe^, die Gründerin der deutschen Universität,
war dämonischer Art; das Dämonische aber zu erkennen ist der Vorzug des
Genies.

Das Augenfälligste am deutschen Stndentenwesen ist dus Pauken oder
Dllelliren, sind die Mensuren. Wie bei so vielen großen Einrichtungen von
allgemeiner und tiefer Bedeutung irgend eine einzelne eigentümliche Erschei¬
nung dem Volke als Merkmal für das große Ganze gilt, wobei dann aber
das Volk mit richtigem Instinkt das Charakteristische herausgefunden hat, so
ist das Pauke» der deutschen Studenten die Eigentümlichkeit, wonach die Welt
zunächst blickt, wenn von der Universität die Rede ist. Die Schnarren auf
den Gesichtern der Studirten und Studenten lenken die Blicke auf sich und
geben zu denselben Betrachtungen Anlaß, wie einst die zerschlagenen Ohren
der Pankmtiasten. Der Bürger spottet über solche Wunden, das Gesetz und
die christliche Religion verbieten das Duell, die katholische Kirche belegt die
Duellanten mit dem Bann, und bei alledem fühlt fast jedermann den tugend¬
haften Kern der Sache heraus und kann sich heimlich des Respekts vor den
Leuten nicht erwehren, die der Waffe trotzen. Diese Seite der Tugend hat
much der Kaiser im Auge gehabt, als er die Korps ermunterte und den bei
ahnen herrschenden Geist für die beste Erziehung eines jungeu Mannes erklärte,
da sie zu Kraft, Mut und Gehorsam führe. Eine Aufforderung zum und
Ungehorsam gegen das Gesetz, „das Gesetz, das König ist aller, der Menschen
Götter zugleich," sollte das nicht sein.


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[0025] Die Erziehung des deutschen Studenten um die Kosten der Kriegsrüstuug tragen zu können. So steht denn für den eigentlich modernen Menschen, den Amerikaner, und so steht für den ameri¬ kanisch denkenden Europäer die deutsche Universität, als ans die nktgriechische Idee von der Tugend gegründet, wie eine Ruine da, die man uupraktischer- weise immer wieder neu ausi'ant, anstatt sie abzureißen und ein zehnstöckiges Haus aus Stein und Eisen an ihre Stelle zu setzen. Der moderne Mensch lacht über die philosophische Fakultät, die gleich einem Karawanserai alle möglichen Disziplinen unter einem Dache beherbergt, möchte am liebsten das Wort Philosophie selbst verbannen und erklärt, daß es gut sein würde, die Studenten tüchtig für ihren Beruf auszubilden und ihnen deshalb vor allem die alten Sprachen, das Trinken und das Fechte» abzugewöhnen. Denn die Universität als eine Hochschule zum Erlernen von allerhand nützlichen Kennt¬ nissen begreift der moderne Mensch recht wohl, er schüttelt den Kopf nnr über das, was er Auswüchse nennt. Der moderne Mensch will eben von dem T«!^.6vivo nichts mehr wissen, das zwischen den Göttern und den Menschen vermittelt, sondern ruft nach handwerksmäßigen Männern; an ihn dürfte wohl der Kaiser gedacht haben, als er zu den Bonner .Korpsstudenten sagte: „ Unsre Mensuren werden im Publikum vielfach nicht verstanden. Das soll uns aber nicht irre machen. Wir, die wir Korpsstudenten gewesen sind, wie ich, wir wissen das besser." Platons «pe^, die Gründerin der deutschen Universität, war dämonischer Art; das Dämonische aber zu erkennen ist der Vorzug des Genies. Das Augenfälligste am deutschen Stndentenwesen ist dus Pauken oder Dllelliren, sind die Mensuren. Wie bei so vielen großen Einrichtungen von allgemeiner und tiefer Bedeutung irgend eine einzelne eigentümliche Erschei¬ nung dem Volke als Merkmal für das große Ganze gilt, wobei dann aber das Volk mit richtigem Instinkt das Charakteristische herausgefunden hat, so ist das Pauke» der deutschen Studenten die Eigentümlichkeit, wonach die Welt zunächst blickt, wenn von der Universität die Rede ist. Die Schnarren auf den Gesichtern der Studirten und Studenten lenken die Blicke auf sich und geben zu denselben Betrachtungen Anlaß, wie einst die zerschlagenen Ohren der Pankmtiasten. Der Bürger spottet über solche Wunden, das Gesetz und die christliche Religion verbieten das Duell, die katholische Kirche belegt die Duellanten mit dem Bann, und bei alledem fühlt fast jedermann den tugend¬ haften Kern der Sache heraus und kann sich heimlich des Respekts vor den Leuten nicht erwehren, die der Waffe trotzen. Diese Seite der Tugend hat much der Kaiser im Auge gehabt, als er die Korps ermunterte und den bei ahnen herrschenden Geist für die beste Erziehung eines jungeu Mannes erklärte, da sie zu Kraft, Mut und Gehorsam führe. Eine Aufforderung zum und Ungehorsam gegen das Gesetz, „das Gesetz, das König ist aller, der Menschen Götter zugleich," sollte das nicht sein. Grenzboten U1 1891 g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/25>, abgerufen am 23.07.2024.