Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Die L^iehnng des deutschen Studenten tüchtigen Mann zu halten. Deshalb erscheine ihm die bloß auf kriegerische Die Germanen, die schon zu Marius und Cäsars Zeiten durch stürmische", Im Gründe bietet sie einen wunderlichen Anblick dar, die deutsche Uni¬ Die L^iehnng des deutschen Studenten tüchtigen Mann zu halten. Deshalb erscheine ihm die bloß auf kriegerische Die Germanen, die schon zu Marius und Cäsars Zeiten durch stürmische», Im Gründe bietet sie einen wunderlichen Anblick dar, die deutsche Uni¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289792"/> <fw type="header" place="top"> Die L^iehnng des deutschen Studenten</fw><lb/> <p xml:id="ID_63" prev="#ID_62"> tüchtigen Mann zu halten. Deshalb erscheine ihm die bloß auf kriegerische<lb/> Tüchtigkeit berechnete Verfassung gewisser Staaten, die das Trinken verpöntem,<lb/> unvollkommen und eines freien Volkes unwürdig.</p><lb/> <p xml:id="ID_64"> Die Germanen, die schon zu Marius und Cäsars Zeiten durch stürmische»,<lb/> jubelnden Nudrang in der Schlacht und bei», Gelage ausgezeichnet waren,<lb/> begriffen leicht und schnell, u»d als Platons Akademie bei uns wiedererstand<lb/> lind sich zur Universität ausbildete, da blieb der griechische Gedanke lebendig<lb/> und führte dazu, daß die deutsche Hochschule als hervorstechendsten Zug das<lb/> Strebe» nach einer Tugend im klassischen Sinne tragt. Doch verfeinerte sich<lb/> die rauhe germanische Tapferkeit nicht nur durch griechische Weisheit, sondern<lb/> auch durch gallische Sitte. Die uvrmn»»ische, die französische, die burgundische<lb/> Ritterschaft war im Mittelalter das Vorbild ritterlicher Tugenden, und vom<lb/> dreißigjährigen Kriege an herrschte bei unser» vornehmen Stände» die Nach¬<lb/> ahmung des französischen Hofes und Adels auf dem ganze» Gebiete der<lb/> Augenlust, der Fleischeslust und des hoffärtigen Wesens. Die französische»<lb/> Edelleute aber besaßen schon lange einen sorgfältig nnsgearbeiteten Kodex der<lb/> Ehre, und er ward das Muster für die Statute» der ehrgeizige» Jünglinge<lb/> auch an unsern Universitäten. Woher es deu» auch kommt, daß so viele<lb/> Ausdrücke bei den Korps, Conleurs, Korporation»'!! unsrer Zeit noch franzö¬<lb/> sisch sind, daß auch der Stoßdegen lange Zeit die gebräuchliche Waffe war,<lb/> in Jena noch bis in die vierziger Jahre geführt wurde und erst neuerdings<lb/> ganz allgemein der nationalen langen, geraden Hiebwaffe, dem Schläger,<lb/> gewiche» ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_65" next="#ID_66"> Im Gründe bietet sie einen wunderlichen Anblick dar, die deutsche Uni¬<lb/> versität, die n,ima nmtor, die Hellas ihre Heimat nennt, inmitten einer Zeit,<lb/> die neue Formen angenommen hat. Sie steht da. nicht unähnlich den: Par-<lb/> theuo», der mit verwittertem Marmor, doch golden leuchtend, auf das Neue<lb/> herabschaut. Wie die Kugeln der modernen Kanonen, die sammelnden Hände<lb/> der Engländer und atmosphärische Einflüsse den Parthenon augegriffen haben,<lb/> so greifen die Naturwissenschaften die Universität an, um so sicherer, als sie<lb/> an der Universität selbst gelehrt werden. Denn die Naturwissenschaften geben<lb/> das mit den Sinnen wahrgenommene für die Wahrheit aus, die Universität<lb/> aber ruht auf den Schultern der Alte», die die Wahrheit mit den: Geiste ge¬<lb/> sucht haben. Die neuen Völker Europas haben vom nllwaltenden Schicksal<lb/> den Auftrag erhalten, den Verkehr des Weltkreises zu belebe» und seine Be¬<lb/> wohner mit einander bekannt zu macheu. So umspannen sie den Erdball mit<lb/> einem Netze von metallenen Schienen und Drähten, haben aber keine Zeit mehr,<lb/> den Kultus des Schönen zu treiben. Auch sind sie zu zahlreich geworden,<lb/> um uoch das ideale Ziel der Staatskunst, sittliche Erziehung der Bürger,<lb/> praktisch verfolgen zu können; ihr Ziel ist Mnchterweiterung, Stärke zu Lande<lb/> und zur See, nur den nationalen Besitz behaupten und vermehren, Reichtümer,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
Die L^iehnng des deutschen Studenten
tüchtigen Mann zu halten. Deshalb erscheine ihm die bloß auf kriegerische
Tüchtigkeit berechnete Verfassung gewisser Staaten, die das Trinken verpöntem,
unvollkommen und eines freien Volkes unwürdig.
Die Germanen, die schon zu Marius und Cäsars Zeiten durch stürmische»,
jubelnden Nudrang in der Schlacht und bei», Gelage ausgezeichnet waren,
begriffen leicht und schnell, u»d als Platons Akademie bei uns wiedererstand
lind sich zur Universität ausbildete, da blieb der griechische Gedanke lebendig
und führte dazu, daß die deutsche Hochschule als hervorstechendsten Zug das
Strebe» nach einer Tugend im klassischen Sinne tragt. Doch verfeinerte sich
die rauhe germanische Tapferkeit nicht nur durch griechische Weisheit, sondern
auch durch gallische Sitte. Die uvrmn»»ische, die französische, die burgundische
Ritterschaft war im Mittelalter das Vorbild ritterlicher Tugenden, und vom
dreißigjährigen Kriege an herrschte bei unser» vornehmen Stände» die Nach¬
ahmung des französischen Hofes und Adels auf dem ganze» Gebiete der
Augenlust, der Fleischeslust und des hoffärtigen Wesens. Die französische»
Edelleute aber besaßen schon lange einen sorgfältig nnsgearbeiteten Kodex der
Ehre, und er ward das Muster für die Statute» der ehrgeizige» Jünglinge
auch an unsern Universitäten. Woher es deu» auch kommt, daß so viele
Ausdrücke bei den Korps, Conleurs, Korporation»'!! unsrer Zeit noch franzö¬
sisch sind, daß auch der Stoßdegen lange Zeit die gebräuchliche Waffe war,
in Jena noch bis in die vierziger Jahre geführt wurde und erst neuerdings
ganz allgemein der nationalen langen, geraden Hiebwaffe, dem Schläger,
gewiche» ist.
Im Gründe bietet sie einen wunderlichen Anblick dar, die deutsche Uni¬
versität, die n,ima nmtor, die Hellas ihre Heimat nennt, inmitten einer Zeit,
die neue Formen angenommen hat. Sie steht da. nicht unähnlich den: Par-
theuo», der mit verwittertem Marmor, doch golden leuchtend, auf das Neue
herabschaut. Wie die Kugeln der modernen Kanonen, die sammelnden Hände
der Engländer und atmosphärische Einflüsse den Parthenon augegriffen haben,
so greifen die Naturwissenschaften die Universität an, um so sicherer, als sie
an der Universität selbst gelehrt werden. Denn die Naturwissenschaften geben
das mit den Sinnen wahrgenommene für die Wahrheit aus, die Universität
aber ruht auf den Schultern der Alte», die die Wahrheit mit den: Geiste ge¬
sucht haben. Die neuen Völker Europas haben vom nllwaltenden Schicksal
den Auftrag erhalten, den Verkehr des Weltkreises zu belebe» und seine Be¬
wohner mit einander bekannt zu macheu. So umspannen sie den Erdball mit
einem Netze von metallenen Schienen und Drähten, haben aber keine Zeit mehr,
den Kultus des Schönen zu treiben. Auch sind sie zu zahlreich geworden,
um uoch das ideale Ziel der Staatskunst, sittliche Erziehung der Bürger,
praktisch verfolgen zu können; ihr Ziel ist Mnchterweiterung, Stärke zu Lande
und zur See, nur den nationalen Besitz behaupten und vermehren, Reichtümer,
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