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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Ans dänischer Zeit

grauenhafter Irrtum!" hat er gemurmelt. "Sie sagte mir doch, daß sie nicht
in Gefahr sei, daß ihr Vater sie am nächsten Tage befreien werde. Er muß
sie nicht gefunden haben! Himmlischer Vater, hast du kein Erbarmen gehabt
mit ihrer Jugend und Schönheit?" Der Baron hat noch allerhand mehr ge¬
sprochen, und weil er gar nich weiter gegangen is, bin ich ungeduldig geworden.
"Herr Baron -- sagt ich die lütte Mamsell is nur ja woll all weg,
und mein swarzen Anzug anch, denn da is kein Gedanke, daß ich den wieder¬
kriegen thu, aber wenn wir hier noch ein büschen länger stehen, dann kommen
wir much auf die Gardine, was die lütte Mamsell doch "ich gewollt hat.
Sonst hätte sie sich nich so angestellt mit meinen Anzug. Und um is sie ja
woll schon in Himmel, wo es doch sehr nett sein soll!" So hab ich den"
mit mein Baron klug gesnackt, und er is Snell und ümmer sneller gegangen,
bei die Thorwagens vorbei nud aus die Stadt hinaus, bis er sich erst uach
mich umgesehen hat, als wir an Hausers kamen, wo Engelländer einwohnten.
Das war ein Dorf ein paar Melkens von Pries fort, wo die Franschen
nich so stimm aufpaßten, wie in die Stadt selbst. Die Engellünders aber
wollten anch wieder nach ihr eigen Land, weil das allens ein büschen unge¬
mütlich wurde, und mit deu Herrschaften sind wir pvh und pöh nach die Küste
gereist und von da in ein kleines Schiff nach Engelland, wo die Leute nach
meinen Gesmcick den Rinderbraten zu rot essen. Aber sonsten is da ein ganz
gutes Leben, und ich will garnix dagegen sagen, wenn bloß mein Baron ein
büschen lustig gewesen wäre. Aber der hatte das Lachen verlernt, war still
und blaß geworden, und nachts, wenn er slafeu sollte, dann lag er und stöhnte
und murmelte frausche und deutsche Worte vor sich hin. Und im Traum
rief er ümmer nach Manon. Das war ja nun eigentlich nich nötig, denn sie
konnte doch nich kommen!"

Der Alte blickte nachdenklich in die Nachmittagssonne. "Als ich mich
die Sache nachher überlegt hab, da hat mich die lütte Mamsell auch
delischen leid gethan. Denn sie war ein klein nudliche Deern mit braunen,
kurzen Haaren, und ihre Angers lachten so lustig in die Welt, als wenn
es nie und nümmer Kummer und Sorge gäbe. Damals war ich ja noch
ein grüner Junge und verstand nix von die Weihers; nachmalen aber
is mich doch das Lächeln von die Kleine, wie sie aufn Karren saß, nachge¬
gangen. Ich hab nachher mal ein kleines Kind in'n Sarg liegen sehen: das
sah gerade so zufrieden aus, wie Mamsell Manon, als sie ihren weißen Hals
auf die Slachtbauk legen sollte. Mit den Jahre" bin ich auch vernünftiger
geworden und hab nich ümmerlos an mein swarzen Anzug gedacht, obgleich
ich mir noch lange darüber ärgerte. Der Baron is gegen mir anständig ge¬
wesen, da will ich "ich über klagen; aber nachher meinte er, wir wollten doch
lieber von einander, weil daß ich in Pries ein biischen frei in meine Manieren
geworden war. Er hat mich was Ordentliches gegeben, und wenn ich nich


Ans dänischer Zeit

grauenhafter Irrtum!« hat er gemurmelt. »Sie sagte mir doch, daß sie nicht
in Gefahr sei, daß ihr Vater sie am nächsten Tage befreien werde. Er muß
sie nicht gefunden haben! Himmlischer Vater, hast du kein Erbarmen gehabt
mit ihrer Jugend und Schönheit?« Der Baron hat noch allerhand mehr ge¬
sprochen, und weil er gar nich weiter gegangen is, bin ich ungeduldig geworden.
»Herr Baron — sagt ich die lütte Mamsell is nur ja woll all weg,
und mein swarzen Anzug anch, denn da is kein Gedanke, daß ich den wieder¬
kriegen thu, aber wenn wir hier noch ein büschen länger stehen, dann kommen
wir much auf die Gardine, was die lütte Mamsell doch «ich gewollt hat.
Sonst hätte sie sich nich so angestellt mit meinen Anzug. Und um is sie ja
woll schon in Himmel, wo es doch sehr nett sein soll!« So hab ich den»
mit mein Baron klug gesnackt, und er is Snell und ümmer sneller gegangen,
bei die Thorwagens vorbei nud aus die Stadt hinaus, bis er sich erst uach
mich umgesehen hat, als wir an Hausers kamen, wo Engelländer einwohnten.
Das war ein Dorf ein paar Melkens von Pries fort, wo die Franschen
nich so stimm aufpaßten, wie in die Stadt selbst. Die Engellünders aber
wollten anch wieder nach ihr eigen Land, weil das allens ein büschen unge¬
mütlich wurde, und mit deu Herrschaften sind wir pvh und pöh nach die Küste
gereist und von da in ein kleines Schiff nach Engelland, wo die Leute nach
meinen Gesmcick den Rinderbraten zu rot essen. Aber sonsten is da ein ganz
gutes Leben, und ich will garnix dagegen sagen, wenn bloß mein Baron ein
büschen lustig gewesen wäre. Aber der hatte das Lachen verlernt, war still
und blaß geworden, und nachts, wenn er slafeu sollte, dann lag er und stöhnte
und murmelte frausche und deutsche Worte vor sich hin. Und im Traum
rief er ümmer nach Manon. Das war ja nun eigentlich nich nötig, denn sie
konnte doch nich kommen!"

Der Alte blickte nachdenklich in die Nachmittagssonne. „Als ich mich
die Sache nachher überlegt hab, da hat mich die lütte Mamsell auch
delischen leid gethan. Denn sie war ein klein nudliche Deern mit braunen,
kurzen Haaren, und ihre Angers lachten so lustig in die Welt, als wenn
es nie und nümmer Kummer und Sorge gäbe. Damals war ich ja noch
ein grüner Junge und verstand nix von die Weihers; nachmalen aber
is mich doch das Lächeln von die Kleine, wie sie aufn Karren saß, nachge¬
gangen. Ich hab nachher mal ein kleines Kind in'n Sarg liegen sehen: das
sah gerade so zufrieden aus, wie Mamsell Manon, als sie ihren weißen Hals
auf die Slachtbauk legen sollte. Mit den Jahre» bin ich auch vernünftiger
geworden und hab nich ümmerlos an mein swarzen Anzug gedacht, obgleich
ich mir noch lange darüber ärgerte. Der Baron is gegen mir anständig ge¬
wesen, da will ich »ich über klagen; aber nachher meinte er, wir wollten doch
lieber von einander, weil daß ich in Pries ein biischen frei in meine Manieren
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[0191] Ans dänischer Zeit grauenhafter Irrtum!« hat er gemurmelt. »Sie sagte mir doch, daß sie nicht in Gefahr sei, daß ihr Vater sie am nächsten Tage befreien werde. Er muß sie nicht gefunden haben! Himmlischer Vater, hast du kein Erbarmen gehabt mit ihrer Jugend und Schönheit?« Der Baron hat noch allerhand mehr ge¬ sprochen, und weil er gar nich weiter gegangen is, bin ich ungeduldig geworden. »Herr Baron — sagt ich die lütte Mamsell is nur ja woll all weg, und mein swarzen Anzug anch, denn da is kein Gedanke, daß ich den wieder¬ kriegen thu, aber wenn wir hier noch ein büschen länger stehen, dann kommen wir much auf die Gardine, was die lütte Mamsell doch «ich gewollt hat. Sonst hätte sie sich nich so angestellt mit meinen Anzug. Und um is sie ja woll schon in Himmel, wo es doch sehr nett sein soll!« So hab ich den» mit mein Baron klug gesnackt, und er is Snell und ümmer sneller gegangen, bei die Thorwagens vorbei nud aus die Stadt hinaus, bis er sich erst uach mich umgesehen hat, als wir an Hausers kamen, wo Engelländer einwohnten. Das war ein Dorf ein paar Melkens von Pries fort, wo die Franschen nich so stimm aufpaßten, wie in die Stadt selbst. Die Engellünders aber wollten anch wieder nach ihr eigen Land, weil das allens ein büschen unge¬ mütlich wurde, und mit deu Herrschaften sind wir pvh und pöh nach die Küste gereist und von da in ein kleines Schiff nach Engelland, wo die Leute nach meinen Gesmcick den Rinderbraten zu rot essen. Aber sonsten is da ein ganz gutes Leben, und ich will garnix dagegen sagen, wenn bloß mein Baron ein büschen lustig gewesen wäre. Aber der hatte das Lachen verlernt, war still und blaß geworden, und nachts, wenn er slafeu sollte, dann lag er und stöhnte und murmelte frausche und deutsche Worte vor sich hin. Und im Traum rief er ümmer nach Manon. Das war ja nun eigentlich nich nötig, denn sie konnte doch nich kommen!" Der Alte blickte nachdenklich in die Nachmittagssonne. „Als ich mich die Sache nachher überlegt hab, da hat mich die lütte Mamsell auch delischen leid gethan. Denn sie war ein klein nudliche Deern mit braunen, kurzen Haaren, und ihre Angers lachten so lustig in die Welt, als wenn es nie und nümmer Kummer und Sorge gäbe. Damals war ich ja noch ein grüner Junge und verstand nix von die Weihers; nachmalen aber is mich doch das Lächeln von die Kleine, wie sie aufn Karren saß, nachge¬ gangen. Ich hab nachher mal ein kleines Kind in'n Sarg liegen sehen: das sah gerade so zufrieden aus, wie Mamsell Manon, als sie ihren weißen Hals auf die Slachtbauk legen sollte. Mit den Jahre» bin ich auch vernünftiger geworden und hab nich ümmerlos an mein swarzen Anzug gedacht, obgleich ich mir noch lange darüber ärgerte. Der Baron is gegen mir anständig ge¬ wesen, da will ich »ich über klagen; aber nachher meinte er, wir wollten doch lieber von einander, weil daß ich in Pries ein biischen frei in meine Manieren geworden war. Er hat mich was Ordentliches gegeben, und wenn ich nich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/191>, abgerufen am 26.08.2024.