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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Aus dänischer Zeit

Malheur gehabt hätte mit allerlei, so könnte ich jetzt ein reichen Mann sein.
Aller das is ümmer so: hierzulande is es gar nix mit die Egaligkeit, und
wenn wir nich mal 'ne ordentliche Rcvvlutschon kriege", wird es mich "ich
besser. Und dabei kann es einen auch noch steche gehen, wobei ich an den
frauscheu Krämer denke, der mit die Weins aus deu königlichen Kellers so'"
guten Handel hatte. Das war einer von die Forschens, die immer noch mehr
Aristokraten tot haben wollten. Na, und sließlich is sein eigen Fleisch und
Blut für einen von die stimme Sorte in den Tod gegangen, was der Alte
sich woll nümmer gedacht hat. Wenn einer nämlich Mallör haben soll, denn
kommt es, und zu mich is es auch gelangt, als ich Anno dazumal mit einmal
mit zu die Diebsbande gehören sollte, wo die Gerichtens so viel Wesens von
machten. Und obgleich ich mir sehr gut verteidigte und den Leuten ordentlich
Bescheid sagte, kam ich doch nach Glückstadt ins Zuchthaus und wär dn woll
'ne Ewigkeit geblieben. Aber da bringt ein ganz sonderbare" Glücksfall den
täuschen König dahin, der das Zuchthaus besehen will. Er und ein ganzen
Berg von feinen Herren, und wir Sträflinge, wir müssen in Reih und Glied
stehen, so lange wie der alte Friedrich uns besieht. Wer aber geht hinter
dem König her? Mein Baron, der weiße Haare gekriegt hat und 'neu krummen
Rücken und 'nen großen Stern auf die Brust. Der geht so ganz ge¬
mächlich zwischen uns durch; als er bei mich vorbeikommt, rnuspere ich mir,
und er kuckt sich so halb verloren um. Denn aber fährt er ordentlich ein
büschen zusammen und kommt ganz nahe nu mir heran. "Dich sollt ich
kennen!" sagt er, und ich lach ein klein wenig. "Herr Baron, wissen Sie
noch die Geschichte von mein guten swarzen Anzug?" Da macht er ein ganz
merkwürdiges Gesicht und fährt sich über die Stirn, als wenn er was weg¬
wischen wollte, und dann geht er weiter. Aber denselben Tag noch mußte
ein Wärter mir in seine Wohnung bringen, und er hat mir ausgefragt, warum
ich ins Zuchthaus gekommen wäre. Und als er allens ziemlich genau gewußt
hat, hat er geseufzt und leise vor sich hingesvrvchen und dann wieder geseufzt.
Endlich ist er aufgestanden und hat mich die Hand auf den Arm gelegt.
"Weil du sie gekannt hast, Franz; weil du --" weiter aber ist er nicht ge¬
kommen; und ich bin wieder abgeführt worden und bald begnadigt. Da hab
ich doch bemerkt, daß der Baron ein ganz anständigen Kerl war und noch an
meinen Konfirmatschvnsrvck dachte. Und zehn Jahre später hab ich den Baron
auf'" Kieler Uiuslag gesehen. Da fuhren sie ihn in'n Rollwägen, weil er nich
mehr gehe" konnte. Als ich mir da bei ihm meldete, da hat er mich zey"
Spezies schicken lassen, und was sein Diener war, der sagte, daß er viel Un¬
glück in seine Familie hätte. Sein ältesten Sohn war totgeschossen von ein
andern Barv", und sein zweiter hatte ein Mädchen geheiratet, das mit nackigen
Beinen ins Theater tanzt. Nun is mein Baron all lange tot, und das is
stimm, weil er mich mannichmal noch was geschickt hat. So geht allens vor-


Aus dänischer Zeit

Malheur gehabt hätte mit allerlei, so könnte ich jetzt ein reichen Mann sein.
Aller das is ümmer so: hierzulande is es gar nix mit die Egaligkeit, und
wenn wir nich mal 'ne ordentliche Rcvvlutschon kriege», wird es mich »ich
besser. Und dabei kann es einen auch noch steche gehen, wobei ich an den
frauscheu Krämer denke, der mit die Weins aus deu königlichen Kellers so'»
guten Handel hatte. Das war einer von die Forschens, die immer noch mehr
Aristokraten tot haben wollten. Na, und sließlich is sein eigen Fleisch und
Blut für einen von die stimme Sorte in den Tod gegangen, was der Alte
sich woll nümmer gedacht hat. Wenn einer nämlich Mallör haben soll, denn
kommt es, und zu mich is es auch gelangt, als ich Anno dazumal mit einmal
mit zu die Diebsbande gehören sollte, wo die Gerichtens so viel Wesens von
machten. Und obgleich ich mir sehr gut verteidigte und den Leuten ordentlich
Bescheid sagte, kam ich doch nach Glückstadt ins Zuchthaus und wär dn woll
'ne Ewigkeit geblieben. Aber da bringt ein ganz sonderbare» Glücksfall den
täuschen König dahin, der das Zuchthaus besehen will. Er und ein ganzen
Berg von feinen Herren, und wir Sträflinge, wir müssen in Reih und Glied
stehen, so lange wie der alte Friedrich uns besieht. Wer aber geht hinter
dem König her? Mein Baron, der weiße Haare gekriegt hat und 'neu krummen
Rücken und 'nen großen Stern auf die Brust. Der geht so ganz ge¬
mächlich zwischen uns durch; als er bei mich vorbeikommt, rnuspere ich mir,
und er kuckt sich so halb verloren um. Denn aber fährt er ordentlich ein
büschen zusammen und kommt ganz nahe nu mir heran. »Dich sollt ich
kennen!« sagt er, und ich lach ein klein wenig. »Herr Baron, wissen Sie
noch die Geschichte von mein guten swarzen Anzug?« Da macht er ein ganz
merkwürdiges Gesicht und fährt sich über die Stirn, als wenn er was weg¬
wischen wollte, und dann geht er weiter. Aber denselben Tag noch mußte
ein Wärter mir in seine Wohnung bringen, und er hat mir ausgefragt, warum
ich ins Zuchthaus gekommen wäre. Und als er allens ziemlich genau gewußt
hat, hat er geseufzt und leise vor sich hingesvrvchen und dann wieder geseufzt.
Endlich ist er aufgestanden und hat mich die Hand auf den Arm gelegt.
»Weil du sie gekannt hast, Franz; weil du —« weiter aber ist er nicht ge¬
kommen; und ich bin wieder abgeführt worden und bald begnadigt. Da hab
ich doch bemerkt, daß der Baron ein ganz anständigen Kerl war und noch an
meinen Konfirmatschvnsrvck dachte. Und zehn Jahre später hab ich den Baron
auf'» Kieler Uiuslag gesehen. Da fuhren sie ihn in'n Rollwägen, weil er nich
mehr gehe» konnte. Als ich mir da bei ihm meldete, da hat er mich zey»
Spezies schicken lassen, und was sein Diener war, der sagte, daß er viel Un¬
glück in seine Familie hätte. Sein ältesten Sohn war totgeschossen von ein
andern Barv», und sein zweiter hatte ein Mädchen geheiratet, das mit nackigen
Beinen ins Theater tanzt. Nun is mein Baron all lange tot, und das is
stimm, weil er mich mannichmal noch was geschickt hat. So geht allens vor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/192>, abgerufen am 23.07.2024.