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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Die Korruption am Theater

wissen. Alls diese Art machen Sie sich nur Feinde. Da dürfen Sie sich frei¬
lich nicht wundern, wenn Sie keinen Applaus bekommen, denn der abgewiesene
Bewerber wird nun schon dafür sorgen, daß gezischt wird, wenn es wirklich
einem andern einfallen sollte, Ihren Leistungen zu applaudiren. Na warten
Sie nur, wenn Sie erst eine Zeit lang beim Theater sind, dann werden sich
schon klüger anfangen." Diese Anschauungen sind die geistige Atmosphäre, die
eine Knnstnovize am Theater täglich einzuatmen gezwungen ist, und wenn nun
wirklich einmal der erwartete Applaus an einer Stelle, wo er üblich zu sein
pflegt, ausbleibt, dann heißt es: "Sehen Sie, Sie sind selbst schuld dran; Sie
haben so schon gesungen, daß das Publikum unbedingt applaudirt haben würde,
wenn nur einer den Anfang gemacht hätte. Aber freilich, Sie wollen ja nicht,
daß sich jemand besonders für Sie interessirt; nun müssen Sie auch die Folge"
tragen."

Solche Satanslogik sollte uicht einem jungen, unerfahrenen Mädchen
sorgenvolle Augenblicke bereiten? Schließlich denkt sie, es sei am Ende doch
besser, weniger schroff zu sein, und dazu bietet sich ja bald Gelegenheit. Ein
andrer Herr aus der "Gesellschaft," der offenbar seiner eignen Schönheit viel
Wirkungskraft zutraut, begegnet schon seit einiger Zeit der Dame auffallend
oft auf der Straße, wenn sie zur Probe geht. Er weiß es so einzurichten,
daß sie ihn bemerken muß, er stellt sich, wenn sie abends ans der Bühne be¬
schäftigt ist, vorn ins Parkett, hält stets den Operngucker vor, wenn sie singt
oder spielt, und klatscht mit vorgestreckten Händen, sodaß er ihr auffallen
muß. Die Dame freut sich über einen solchen Verehrer ihrer Kunst, um so
mehr, da er uicht die Absicht zu haben scheint, sie persönlich zu belästigen.
Unwillkürlich sieht sie öfter nach ihm hiu, er fängt den Blick mit dem Opern¬
glas ans, dies Spiel wiederholt sich, der Verehrer klatscht immer wütender,
wenn die Dame irgend einen wirkungsvollen Abschluß gehabt hat, das Publi¬
kum folgt aus Gewohnheit und Gutmütigkeit dem Beispiel, wenn die Leistung
nur halbwegs erträglich war, und der "Erfolg" ist da. Die Dame muß sich
mehrere male verbeugen, und was ist natürlicher, als daß eine dieser Ver¬
beugungen in der Richtung uach der Stelle geschieht, wo der "Macher" des
große" Applauses steht und sich mit Händeklatschen und Bravorufen abarbeitet.
Die Dame oder sagen wir lieber noch das junge Mädchen fühlt sich beglückt
über den Erfolg, und wenn sie auch weiß, daß einer dawar, der das Signal
zu dem allgemeinen Beifall gegeben hat, so schreibt sie doch die Begeisterung
dieses Herrn auf Konto ihrer guten Leistung, denn der Herr wünscht ja offen¬
bar persönlich nichts von ihr. Vergnügt schreibt sie an Eltern, Verwandte
und Bekannte, welches Furore sie macht, und träumt sich schon als Prima¬
donna irgend eines großen Hoftheaters. Da erhält sie eines schönen Morgens
ein duftiges Brieflein etwa folgenden Inhalts: "Hochgeehrtes gnädiges Fräulein!
Befürchten Sie nicht, daß ich etwa beabsichtige, Sie persönlich zu belästigen.


Die Korruption am Theater

wissen. Alls diese Art machen Sie sich nur Feinde. Da dürfen Sie sich frei¬
lich nicht wundern, wenn Sie keinen Applaus bekommen, denn der abgewiesene
Bewerber wird nun schon dafür sorgen, daß gezischt wird, wenn es wirklich
einem andern einfallen sollte, Ihren Leistungen zu applaudiren. Na warten
Sie nur, wenn Sie erst eine Zeit lang beim Theater sind, dann werden sich
schon klüger anfangen." Diese Anschauungen sind die geistige Atmosphäre, die
eine Knnstnovize am Theater täglich einzuatmen gezwungen ist, und wenn nun
wirklich einmal der erwartete Applaus an einer Stelle, wo er üblich zu sein
pflegt, ausbleibt, dann heißt es: „Sehen Sie, Sie sind selbst schuld dran; Sie
haben so schon gesungen, daß das Publikum unbedingt applaudirt haben würde,
wenn nur einer den Anfang gemacht hätte. Aber freilich, Sie wollen ja nicht,
daß sich jemand besonders für Sie interessirt; nun müssen Sie auch die Folge«
tragen."

Solche Satanslogik sollte uicht einem jungen, unerfahrenen Mädchen
sorgenvolle Augenblicke bereiten? Schließlich denkt sie, es sei am Ende doch
besser, weniger schroff zu sein, und dazu bietet sich ja bald Gelegenheit. Ein
andrer Herr aus der „Gesellschaft," der offenbar seiner eignen Schönheit viel
Wirkungskraft zutraut, begegnet schon seit einiger Zeit der Dame auffallend
oft auf der Straße, wenn sie zur Probe geht. Er weiß es so einzurichten,
daß sie ihn bemerken muß, er stellt sich, wenn sie abends ans der Bühne be¬
schäftigt ist, vorn ins Parkett, hält stets den Operngucker vor, wenn sie singt
oder spielt, und klatscht mit vorgestreckten Händen, sodaß er ihr auffallen
muß. Die Dame freut sich über einen solchen Verehrer ihrer Kunst, um so
mehr, da er uicht die Absicht zu haben scheint, sie persönlich zu belästigen.
Unwillkürlich sieht sie öfter nach ihm hiu, er fängt den Blick mit dem Opern¬
glas ans, dies Spiel wiederholt sich, der Verehrer klatscht immer wütender,
wenn die Dame irgend einen wirkungsvollen Abschluß gehabt hat, das Publi¬
kum folgt aus Gewohnheit und Gutmütigkeit dem Beispiel, wenn die Leistung
nur halbwegs erträglich war, und der „Erfolg" ist da. Die Dame muß sich
mehrere male verbeugen, und was ist natürlicher, als daß eine dieser Ver¬
beugungen in der Richtung uach der Stelle geschieht, wo der „Macher" des
große» Applauses steht und sich mit Händeklatschen und Bravorufen abarbeitet.
Die Dame oder sagen wir lieber noch das junge Mädchen fühlt sich beglückt
über den Erfolg, und wenn sie auch weiß, daß einer dawar, der das Signal
zu dem allgemeinen Beifall gegeben hat, so schreibt sie doch die Begeisterung
dieses Herrn auf Konto ihrer guten Leistung, denn der Herr wünscht ja offen¬
bar persönlich nichts von ihr. Vergnügt schreibt sie an Eltern, Verwandte
und Bekannte, welches Furore sie macht, und träumt sich schon als Prima¬
donna irgend eines großen Hoftheaters. Da erhält sie eines schönen Morgens
ein duftiges Brieflein etwa folgenden Inhalts: „Hochgeehrtes gnädiges Fräulein!
Befürchten Sie nicht, daß ich etwa beabsichtige, Sie persönlich zu belästigen.


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[0180] Die Korruption am Theater wissen. Alls diese Art machen Sie sich nur Feinde. Da dürfen Sie sich frei¬ lich nicht wundern, wenn Sie keinen Applaus bekommen, denn der abgewiesene Bewerber wird nun schon dafür sorgen, daß gezischt wird, wenn es wirklich einem andern einfallen sollte, Ihren Leistungen zu applaudiren. Na warten Sie nur, wenn Sie erst eine Zeit lang beim Theater sind, dann werden sich schon klüger anfangen." Diese Anschauungen sind die geistige Atmosphäre, die eine Knnstnovize am Theater täglich einzuatmen gezwungen ist, und wenn nun wirklich einmal der erwartete Applaus an einer Stelle, wo er üblich zu sein pflegt, ausbleibt, dann heißt es: „Sehen Sie, Sie sind selbst schuld dran; Sie haben so schon gesungen, daß das Publikum unbedingt applaudirt haben würde, wenn nur einer den Anfang gemacht hätte. Aber freilich, Sie wollen ja nicht, daß sich jemand besonders für Sie interessirt; nun müssen Sie auch die Folge« tragen." Solche Satanslogik sollte uicht einem jungen, unerfahrenen Mädchen sorgenvolle Augenblicke bereiten? Schließlich denkt sie, es sei am Ende doch besser, weniger schroff zu sein, und dazu bietet sich ja bald Gelegenheit. Ein andrer Herr aus der „Gesellschaft," der offenbar seiner eignen Schönheit viel Wirkungskraft zutraut, begegnet schon seit einiger Zeit der Dame auffallend oft auf der Straße, wenn sie zur Probe geht. Er weiß es so einzurichten, daß sie ihn bemerken muß, er stellt sich, wenn sie abends ans der Bühne be¬ schäftigt ist, vorn ins Parkett, hält stets den Operngucker vor, wenn sie singt oder spielt, und klatscht mit vorgestreckten Händen, sodaß er ihr auffallen muß. Die Dame freut sich über einen solchen Verehrer ihrer Kunst, um so mehr, da er uicht die Absicht zu haben scheint, sie persönlich zu belästigen. Unwillkürlich sieht sie öfter nach ihm hiu, er fängt den Blick mit dem Opern¬ glas ans, dies Spiel wiederholt sich, der Verehrer klatscht immer wütender, wenn die Dame irgend einen wirkungsvollen Abschluß gehabt hat, das Publi¬ kum folgt aus Gewohnheit und Gutmütigkeit dem Beispiel, wenn die Leistung nur halbwegs erträglich war, und der „Erfolg" ist da. Die Dame muß sich mehrere male verbeugen, und was ist natürlicher, als daß eine dieser Ver¬ beugungen in der Richtung uach der Stelle geschieht, wo der „Macher" des große» Applauses steht und sich mit Händeklatschen und Bravorufen abarbeitet. Die Dame oder sagen wir lieber noch das junge Mädchen fühlt sich beglückt über den Erfolg, und wenn sie auch weiß, daß einer dawar, der das Signal zu dem allgemeinen Beifall gegeben hat, so schreibt sie doch die Begeisterung dieses Herrn auf Konto ihrer guten Leistung, denn der Herr wünscht ja offen¬ bar persönlich nichts von ihr. Vergnügt schreibt sie an Eltern, Verwandte und Bekannte, welches Furore sie macht, und träumt sich schon als Prima¬ donna irgend eines großen Hoftheaters. Da erhält sie eines schönen Morgens ein duftiges Brieflein etwa folgenden Inhalts: „Hochgeehrtes gnädiges Fräulein! Befürchten Sie nicht, daß ich etwa beabsichtige, Sie persönlich zu belästigen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/180>, abgerufen am 26.08.2024.