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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Der Landwucher

zuwiderlaufender Verträge einmal ein Ende bereitete! Nu", Herr D. machte
darauf aufmerksam, daß er allein die Sache nicht machen könne, denn zu der
zum Verkauf nötigen Beschaffung "reiner Hypothek" für die Käufer bedürfe
es beträchtlicher Geldmittel, die er selbst nicht besitze; er werde aber an Herrn
M. in R. schreiben, der sich, da er ihm bekannt sei, ans sein Zureden gewiß
zur Übernahme des Geschäfts bereit finden lasse. Nach einigen Tagen findet
sich auch Herr M. bei dem Zutreiber D. ein, aber noch in Begleitung eines
Herrn N. ans A. Beide erklären dein Bauer E., sie wären nicht abgeneigt,
ihm zu helfen, wenn sie sich mit ihm über die Bedingungen einigen könnten.
Das machte nun freilich einige Schwierigkeiten. Denn obgleich der Zntrciber
dem E. immer von einem sehr kulanten Manne gesprochen hatte, der auch in
andern Gegenden schon sehr gut eingeführt sei, erschien doch dem E. das,
was die Firma M. und N. bei dem Geschäft für sich selbst verdienen wollte,
gar zu hoch. Er hatte an die gewöhnliche Provision von 1 Prozent gedacht.
Statt dessen kam man ihm mit einer Forderung von ziemlich 1800 Mark,
was gegen 7 Prozent des Gutswertes war. Soviel hatte er noch niemals,
nicht einmal an Jahreszinsen für bar geliehenes Geld bewilligt. Und dabei
that Herr M. in seiner geldprotzigen hochfahrenden Art noch so, als ob er
ihm eine Gnade erwiese, während der andre Jude -- denn daß es Juden
waren, kann ich nicht verschweigen, selbst auf die Gefahr hin, mir das Mi߬
fallen des Oberkonsistoriums zu Darmstadt und nationalliberaler Zeitungen
zuzuziehn -- Mühe hatte, seinen Genossen zu besänftigen. "Fällt und grob,
grob und fällt, 's muß ein Unterschied sein." Diese Regel wird auch von den
Unterhändlern mit großem Erfolg beachtet. So gelang es denn dem einen
durch Einschüchterung, dem andern durch Zureden, E. zur Zusicherung eines
den Juden zufallenden Neingewinns von mindestens 1500 Mark zu bewegen.
Er brauchte ja auch, mehrere Monate vor der Ernte, dringend Geld, nicht
nur zur Bezahlung der Zinsen, sondern auch zur Abtragung alter "Lepper-
schuldcu" und sogar zum bloßen Leben für sich und die Seinen. M. und N.
wollten ihm nicht allein dazu Geld borgen, sondern auch die großen Summen
vorschießen, die zur Abstoßung der Hypotheken nötig waren, was ein gewöhn¬
licher Gütermäkler gar nicht leistet. Der Bauer muß also die sämtlichen
Hypotheken kündigen, und die Juden lassen sich nach Ablauf der Kündignngs-
srist gegen Auszahlung der Gläubiger von diesen die Forderungen abtreten.
Nun waren sie die einzigen Gläubiger des Gutes. An Stelle der bisherigen
dem E. wohlwollend und schonend gegenüberstehenden Leute waren andre ge¬
treten. Inzwischen hatte man ein Schriftstück aufgesetzt, das E. unterschreiben
sollte. Es führte die Überschrift "Kaufvertrag" und enthielt mich die Bestand¬
teile eines solchen. Obschon M. und N. erklärt hatten, sie wollten dem E.
das Gut nicht abkaufen, sondern nur für ihn verkaufen, lautete doch das
Schriftstück dahin: die Vermittler kauften das Gut zum Wiederverkauf, sei es


Der Landwucher

zuwiderlaufender Verträge einmal ein Ende bereitete! Nu», Herr D. machte
darauf aufmerksam, daß er allein die Sache nicht machen könne, denn zu der
zum Verkauf nötigen Beschaffung „reiner Hypothek" für die Käufer bedürfe
es beträchtlicher Geldmittel, die er selbst nicht besitze; er werde aber an Herrn
M. in R. schreiben, der sich, da er ihm bekannt sei, ans sein Zureden gewiß
zur Übernahme des Geschäfts bereit finden lasse. Nach einigen Tagen findet
sich auch Herr M. bei dem Zutreiber D. ein, aber noch in Begleitung eines
Herrn N. ans A. Beide erklären dein Bauer E., sie wären nicht abgeneigt,
ihm zu helfen, wenn sie sich mit ihm über die Bedingungen einigen könnten.
Das machte nun freilich einige Schwierigkeiten. Denn obgleich der Zntrciber
dem E. immer von einem sehr kulanten Manne gesprochen hatte, der auch in
andern Gegenden schon sehr gut eingeführt sei, erschien doch dem E. das,
was die Firma M. und N. bei dem Geschäft für sich selbst verdienen wollte,
gar zu hoch. Er hatte an die gewöhnliche Provision von 1 Prozent gedacht.
Statt dessen kam man ihm mit einer Forderung von ziemlich 1800 Mark,
was gegen 7 Prozent des Gutswertes war. Soviel hatte er noch niemals,
nicht einmal an Jahreszinsen für bar geliehenes Geld bewilligt. Und dabei
that Herr M. in seiner geldprotzigen hochfahrenden Art noch so, als ob er
ihm eine Gnade erwiese, während der andre Jude — denn daß es Juden
waren, kann ich nicht verschweigen, selbst auf die Gefahr hin, mir das Mi߬
fallen des Oberkonsistoriums zu Darmstadt und nationalliberaler Zeitungen
zuzuziehn — Mühe hatte, seinen Genossen zu besänftigen. „Fällt und grob,
grob und fällt, 's muß ein Unterschied sein." Diese Regel wird auch von den
Unterhändlern mit großem Erfolg beachtet. So gelang es denn dem einen
durch Einschüchterung, dem andern durch Zureden, E. zur Zusicherung eines
den Juden zufallenden Neingewinns von mindestens 1500 Mark zu bewegen.
Er brauchte ja auch, mehrere Monate vor der Ernte, dringend Geld, nicht
nur zur Bezahlung der Zinsen, sondern auch zur Abtragung alter „Lepper-
schuldcu" und sogar zum bloßen Leben für sich und die Seinen. M. und N.
wollten ihm nicht allein dazu Geld borgen, sondern auch die großen Summen
vorschießen, die zur Abstoßung der Hypotheken nötig waren, was ein gewöhn¬
licher Gütermäkler gar nicht leistet. Der Bauer muß also die sämtlichen
Hypotheken kündigen, und die Juden lassen sich nach Ablauf der Kündignngs-
srist gegen Auszahlung der Gläubiger von diesen die Forderungen abtreten.
Nun waren sie die einzigen Gläubiger des Gutes. An Stelle der bisherigen
dem E. wohlwollend und schonend gegenüberstehenden Leute waren andre ge¬
treten. Inzwischen hatte man ein Schriftstück aufgesetzt, das E. unterschreiben
sollte. Es führte die Überschrift „Kaufvertrag" und enthielt mich die Bestand¬
teile eines solchen. Obschon M. und N. erklärt hatten, sie wollten dem E.
das Gut nicht abkaufen, sondern nur für ihn verkaufen, lautete doch das
Schriftstück dahin: die Vermittler kauften das Gut zum Wiederverkauf, sei es


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[0164] Der Landwucher zuwiderlaufender Verträge einmal ein Ende bereitete! Nu», Herr D. machte darauf aufmerksam, daß er allein die Sache nicht machen könne, denn zu der zum Verkauf nötigen Beschaffung „reiner Hypothek" für die Käufer bedürfe es beträchtlicher Geldmittel, die er selbst nicht besitze; er werde aber an Herrn M. in R. schreiben, der sich, da er ihm bekannt sei, ans sein Zureden gewiß zur Übernahme des Geschäfts bereit finden lasse. Nach einigen Tagen findet sich auch Herr M. bei dem Zutreiber D. ein, aber noch in Begleitung eines Herrn N. ans A. Beide erklären dein Bauer E., sie wären nicht abgeneigt, ihm zu helfen, wenn sie sich mit ihm über die Bedingungen einigen könnten. Das machte nun freilich einige Schwierigkeiten. Denn obgleich der Zntrciber dem E. immer von einem sehr kulanten Manne gesprochen hatte, der auch in andern Gegenden schon sehr gut eingeführt sei, erschien doch dem E. das, was die Firma M. und N. bei dem Geschäft für sich selbst verdienen wollte, gar zu hoch. Er hatte an die gewöhnliche Provision von 1 Prozent gedacht. Statt dessen kam man ihm mit einer Forderung von ziemlich 1800 Mark, was gegen 7 Prozent des Gutswertes war. Soviel hatte er noch niemals, nicht einmal an Jahreszinsen für bar geliehenes Geld bewilligt. Und dabei that Herr M. in seiner geldprotzigen hochfahrenden Art noch so, als ob er ihm eine Gnade erwiese, während der andre Jude — denn daß es Juden waren, kann ich nicht verschweigen, selbst auf die Gefahr hin, mir das Mi߬ fallen des Oberkonsistoriums zu Darmstadt und nationalliberaler Zeitungen zuzuziehn — Mühe hatte, seinen Genossen zu besänftigen. „Fällt und grob, grob und fällt, 's muß ein Unterschied sein." Diese Regel wird auch von den Unterhändlern mit großem Erfolg beachtet. So gelang es denn dem einen durch Einschüchterung, dem andern durch Zureden, E. zur Zusicherung eines den Juden zufallenden Neingewinns von mindestens 1500 Mark zu bewegen. Er brauchte ja auch, mehrere Monate vor der Ernte, dringend Geld, nicht nur zur Bezahlung der Zinsen, sondern auch zur Abtragung alter „Lepper- schuldcu" und sogar zum bloßen Leben für sich und die Seinen. M. und N. wollten ihm nicht allein dazu Geld borgen, sondern auch die großen Summen vorschießen, die zur Abstoßung der Hypotheken nötig waren, was ein gewöhn¬ licher Gütermäkler gar nicht leistet. Der Bauer muß also die sämtlichen Hypotheken kündigen, und die Juden lassen sich nach Ablauf der Kündignngs- srist gegen Auszahlung der Gläubiger von diesen die Forderungen abtreten. Nun waren sie die einzigen Gläubiger des Gutes. An Stelle der bisherigen dem E. wohlwollend und schonend gegenüberstehenden Leute waren andre ge¬ treten. Inzwischen hatte man ein Schriftstück aufgesetzt, das E. unterschreiben sollte. Es führte die Überschrift „Kaufvertrag" und enthielt mich die Bestand¬ teile eines solchen. Obschon M. und N. erklärt hatten, sie wollten dem E. das Gut nicht abkaufen, sondern nur für ihn verkaufen, lautete doch das Schriftstück dahin: die Vermittler kauften das Gut zum Wiederverkauf, sei es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/164>, abgerufen am 26.08.2024.