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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Der Landwucher

im ganzen oder in Teilen, wie es am vorteilhaftester wäre, und dnrch Abhal¬
tung eines öffentlichen Verkaufstermins oder unter der Hand, für 22500 Mark
mit der Bedingung, daß 1500 Mark von dein Wiedervcrkaufspreise ohne
weiteres den Mittelsmännern, 21000 Mark dem E. und wenn der Verknufs-
Prcis 22500 Mark übersteigen sollte, je die Hälfte dein E. und den Juden
zufallen sollten, wenn er unter 22500 Mark zurückbliebe, unter allen Um¬
ständen die 1500 Mark für die Gehilfen verbleiben sollten. Daneben bedangen
diese sich auch noch statt der sonst üblichen 1 Prozent Provision ein Aufgeld
von 2 Prozent (sogenannte Zählgrvschen) aus, das jedem Käufer eines Teil-
stückcs neben seinein Kaufgeld auferlegt werden sollte, wodurch sich natürlich
die Angebote der Kauflustigen an wirklichem, dem Besitzer gutzurechnenden
Kaufgeld entsprechend erniedrigen mußten, sodaß auch diese Abgabe eine Kür¬
zung des für E. erzielten Preises bedeutete. Erst nach beendigtem Wieder¬
verkaufe sollten M. und N. den uach Abzug der Schulden und der sonstigen
an E. gewährten Vorschüsse verbleibenden Nest, für den er gar keine Sicher¬
heit behielt, an ihn herauszahlen. Auch zur Auflassung des Gutes an die
Juden und zur Eintragung einer Vormerkung zur Erhaltung ihres Rechts
ans Auflassung machte sich in dieser zwitterhaften Urkunde E. anheischig.
In der That wollten aber M. und N. gar nicht selbst Käufer und Eigen¬
tümer werden, um auf eigne Rechnung wiederzuverkaufen, womit ja die Sache
erledigt gewesen wäre, sondern sie wollten sich nur zu Herren des Gutes ohne
jedes eigne Wagnis machen und sich nur den Gewinn sichern, an einem
Verlust aber nicht teilnehmen. Dies folgte auch daraus, daß sie, die den
von E. unterschriebenen Vertrag an sich nahmen, ohne dem E. eine zweite
Ausfertigung zu geben, ihrerseits die Urkunde gar nicht unterzeichneten, sodaß
sie selbst nicht im geringsten rechtlich gebunden waren. Es unterliegt aber
keinem Zweifel, daß die Unterhändler dabei im Sinne hatten, nötigenfalls auf
Grund des Vertrages auch das wirkliche Eigentum und die Auflassung zu
begehren, sodaß sie vollständig sreie Hand hatten. Dem E. kam zwar dies
ganze Schriftstück etwas sonderbar vor; auch er wollte gern eine Vertrags-
urknnde haben. Hatte er doch ost das Bauersprichwort gehört: "Worte sind
Winde, aber Schriften sind Gründe," und kannte er doch die in seinem Dorfe
übliche Redensart, daß solche Leute wie M. und N. "mit langen Federn und
mit dicker Tinte schreiben." Die beiden setzten ihm aber auseinander, man
konnte den hohen Kaufstempel sparen, solange die Schrift noch nicht durch
Vollziehung beider Teile zur vollendeten Urkunde geworden sei, und sie wollten
sich ja bloß wegen ihrer auf die Sache verwendeten Gelder in gewisser Weise
sichern; E. selbst, nicht sie, sollte an die neuen Erwerber verkaufen. Auch
dies entsprach durchaus dem Grundsätze der Juden: Nur Rechte, keine Pflichten,
nur Nutzen, keinen Schaden. Wurde die Abwicklung der Sache in irgend einer
Weise -- so etwas läßt sich nie sicher vorhersehen -- störend beeinflußt, so


Der Landwucher

im ganzen oder in Teilen, wie es am vorteilhaftester wäre, und dnrch Abhal¬
tung eines öffentlichen Verkaufstermins oder unter der Hand, für 22500 Mark
mit der Bedingung, daß 1500 Mark von dein Wiedervcrkaufspreise ohne
weiteres den Mittelsmännern, 21000 Mark dem E. und wenn der Verknufs-
Prcis 22500 Mark übersteigen sollte, je die Hälfte dein E. und den Juden
zufallen sollten, wenn er unter 22500 Mark zurückbliebe, unter allen Um¬
ständen die 1500 Mark für die Gehilfen verbleiben sollten. Daneben bedangen
diese sich auch noch statt der sonst üblichen 1 Prozent Provision ein Aufgeld
von 2 Prozent (sogenannte Zählgrvschen) aus, das jedem Käufer eines Teil-
stückcs neben seinein Kaufgeld auferlegt werden sollte, wodurch sich natürlich
die Angebote der Kauflustigen an wirklichem, dem Besitzer gutzurechnenden
Kaufgeld entsprechend erniedrigen mußten, sodaß auch diese Abgabe eine Kür¬
zung des für E. erzielten Preises bedeutete. Erst nach beendigtem Wieder¬
verkaufe sollten M. und N. den uach Abzug der Schulden und der sonstigen
an E. gewährten Vorschüsse verbleibenden Nest, für den er gar keine Sicher¬
heit behielt, an ihn herauszahlen. Auch zur Auflassung des Gutes an die
Juden und zur Eintragung einer Vormerkung zur Erhaltung ihres Rechts
ans Auflassung machte sich in dieser zwitterhaften Urkunde E. anheischig.
In der That wollten aber M. und N. gar nicht selbst Käufer und Eigen¬
tümer werden, um auf eigne Rechnung wiederzuverkaufen, womit ja die Sache
erledigt gewesen wäre, sondern sie wollten sich nur zu Herren des Gutes ohne
jedes eigne Wagnis machen und sich nur den Gewinn sichern, an einem
Verlust aber nicht teilnehmen. Dies folgte auch daraus, daß sie, die den
von E. unterschriebenen Vertrag an sich nahmen, ohne dem E. eine zweite
Ausfertigung zu geben, ihrerseits die Urkunde gar nicht unterzeichneten, sodaß
sie selbst nicht im geringsten rechtlich gebunden waren. Es unterliegt aber
keinem Zweifel, daß die Unterhändler dabei im Sinne hatten, nötigenfalls auf
Grund des Vertrages auch das wirkliche Eigentum und die Auflassung zu
begehren, sodaß sie vollständig sreie Hand hatten. Dem E. kam zwar dies
ganze Schriftstück etwas sonderbar vor; auch er wollte gern eine Vertrags-
urknnde haben. Hatte er doch ost das Bauersprichwort gehört: „Worte sind
Winde, aber Schriften sind Gründe," und kannte er doch die in seinem Dorfe
übliche Redensart, daß solche Leute wie M. und N. „mit langen Federn und
mit dicker Tinte schreiben." Die beiden setzten ihm aber auseinander, man
konnte den hohen Kaufstempel sparen, solange die Schrift noch nicht durch
Vollziehung beider Teile zur vollendeten Urkunde geworden sei, und sie wollten
sich ja bloß wegen ihrer auf die Sache verwendeten Gelder in gewisser Weise
sichern; E. selbst, nicht sie, sollte an die neuen Erwerber verkaufen. Auch
dies entsprach durchaus dem Grundsätze der Juden: Nur Rechte, keine Pflichten,
nur Nutzen, keinen Schaden. Wurde die Abwicklung der Sache in irgend einer
Weise — so etwas läßt sich nie sicher vorhersehen — störend beeinflußt, so


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[0165] Der Landwucher im ganzen oder in Teilen, wie es am vorteilhaftester wäre, und dnrch Abhal¬ tung eines öffentlichen Verkaufstermins oder unter der Hand, für 22500 Mark mit der Bedingung, daß 1500 Mark von dein Wiedervcrkaufspreise ohne weiteres den Mittelsmännern, 21000 Mark dem E. und wenn der Verknufs- Prcis 22500 Mark übersteigen sollte, je die Hälfte dein E. und den Juden zufallen sollten, wenn er unter 22500 Mark zurückbliebe, unter allen Um¬ ständen die 1500 Mark für die Gehilfen verbleiben sollten. Daneben bedangen diese sich auch noch statt der sonst üblichen 1 Prozent Provision ein Aufgeld von 2 Prozent (sogenannte Zählgrvschen) aus, das jedem Käufer eines Teil- stückcs neben seinein Kaufgeld auferlegt werden sollte, wodurch sich natürlich die Angebote der Kauflustigen an wirklichem, dem Besitzer gutzurechnenden Kaufgeld entsprechend erniedrigen mußten, sodaß auch diese Abgabe eine Kür¬ zung des für E. erzielten Preises bedeutete. Erst nach beendigtem Wieder¬ verkaufe sollten M. und N. den uach Abzug der Schulden und der sonstigen an E. gewährten Vorschüsse verbleibenden Nest, für den er gar keine Sicher¬ heit behielt, an ihn herauszahlen. Auch zur Auflassung des Gutes an die Juden und zur Eintragung einer Vormerkung zur Erhaltung ihres Rechts ans Auflassung machte sich in dieser zwitterhaften Urkunde E. anheischig. In der That wollten aber M. und N. gar nicht selbst Käufer und Eigen¬ tümer werden, um auf eigne Rechnung wiederzuverkaufen, womit ja die Sache erledigt gewesen wäre, sondern sie wollten sich nur zu Herren des Gutes ohne jedes eigne Wagnis machen und sich nur den Gewinn sichern, an einem Verlust aber nicht teilnehmen. Dies folgte auch daraus, daß sie, die den von E. unterschriebenen Vertrag an sich nahmen, ohne dem E. eine zweite Ausfertigung zu geben, ihrerseits die Urkunde gar nicht unterzeichneten, sodaß sie selbst nicht im geringsten rechtlich gebunden waren. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß die Unterhändler dabei im Sinne hatten, nötigenfalls auf Grund des Vertrages auch das wirkliche Eigentum und die Auflassung zu begehren, sodaß sie vollständig sreie Hand hatten. Dem E. kam zwar dies ganze Schriftstück etwas sonderbar vor; auch er wollte gern eine Vertrags- urknnde haben. Hatte er doch ost das Bauersprichwort gehört: „Worte sind Winde, aber Schriften sind Gründe," und kannte er doch die in seinem Dorfe übliche Redensart, daß solche Leute wie M. und N. „mit langen Federn und mit dicker Tinte schreiben." Die beiden setzten ihm aber auseinander, man konnte den hohen Kaufstempel sparen, solange die Schrift noch nicht durch Vollziehung beider Teile zur vollendeten Urkunde geworden sei, und sie wollten sich ja bloß wegen ihrer auf die Sache verwendeten Gelder in gewisser Weise sichern; E. selbst, nicht sie, sollte an die neuen Erwerber verkaufen. Auch dies entsprach durchaus dem Grundsätze der Juden: Nur Rechte, keine Pflichten, nur Nutzen, keinen Schaden. Wurde die Abwicklung der Sache in irgend einer Weise — so etwas läßt sich nie sicher vorhersehen — störend beeinflußt, so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/165>, abgerufen am 26.08.2024.