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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Finnland

War Finnland somit hinsichtlich seines Postwcsens glimpflich wegge¬
kommen, so war dies noch mehr beim Münzwesen der Fall, denn hier
wurden keine andern Veränderungen vorgenommen, als daß in Zukunft bei
den finnischen Staatskassen russisches Geld angenommen werden muß, und
zwar zu einem Kurse, der vom Senat zweimal monatlich festgesetzt wird.
Hier hatte wohl selbst russische Gehässigkeit einsehen müssen, daß es un¬
verantwortlich wäre, Finnland der Vorteile seines festen Mnuzshstems zu
berauben.

Die Zollfrnge endlich ist ganz zu Finnlands Gunsten erledigt worden.
Die Ratgeber des Kaisers selbst sollen davon abgeraten haben, das finnische
und russische Zollwesen mit einander zu verschmelzen. Dies war die erfreu¬
lichste Nachricht, die von Petersburg mich Finnland gelangte, aber anch
die letzte erfreuliche.

Inzwischen war der finnische Landtag zur üblichen Zeit zusammenberufen
worden und begann am 20. Januar seine Arbeiten. Bei der Eröffnung
sprachen die Wortführer in freimütiger und mannhafter Weise ans, daß durch
die fortwährenden Angriffe der russischen Presse und die Suspeudirung des
finnischen Strafgesetzes eine allgemeine Unruhe im Lande erregt worden sei.
Diese Worte mußten natürlich auch dem Kaiser zu Ohren kommen; es ver¬
breitete sich denn auch in der That bald darauf wie ein Lauffeuer die Nach¬
richt, daß der Kaiser von deu Wortführern des Landtags nähere Aufklärungen
über die Veranlassung zur Beunruhigung des finnischen Volkes eingefordert
habe. Natürlich wurde diese unverzüglich nach Petersburg gesandt, und als
Antwort erschien das durch die Tageszeitungen bekannt gewordene kaiserliche
Reskript, worin der Zar erklärte, daß das finnische Volk keine Ursache habe,
sich beunruhigt zu fühlen, "da es nicht seine Absicht sei, die Prinzipien für
die Handhabung der innern Verwaltung des Landes zu ändern," sondern "die
Rechte und Privilegien, womit es von den russischen Monarchen belehnt
worden sei, aufrechterhalten wolle."

Es ist nun zwar ein schöner Trost für die Finnländer, daß in dem
Reskript auf die von Alexander I. auf dem Landtage zu Bvrgä abgegebene
Versicherung, Konstitution und Grundgesetz Finnlands sollten erhalten bleiben,
Bezug genommen war, und es ist auch gewiß nicht an dem guten Willen des
Monarchen zu zweifeln, die Autonomie Finnlands zu wahren. Eine untre Sache
aber ist es, ob er sich nicht dazu drängen lassen wird, Maßregeln zu treffen,
die in die garantirte Staatsform Bresche legen. Grund zu solcher Annnahme
liefert jn die Suspeudirung des Strafgesetzes. Im übrigen ist das Reskript
so zweideutig abgefaßt, daß es jede beliebige Auslegung zuläßt, wie es denn
auch bezeichnend ist, daß es den Beifall der russischen Zeitungen findet, die
versichern, daß die darin ausgesprochenen Prinzipien mit ihren Anschauungen
über die finnische Frage vollkommen übereinstimmten.


Finnland

War Finnland somit hinsichtlich seines Postwcsens glimpflich wegge¬
kommen, so war dies noch mehr beim Münzwesen der Fall, denn hier
wurden keine andern Veränderungen vorgenommen, als daß in Zukunft bei
den finnischen Staatskassen russisches Geld angenommen werden muß, und
zwar zu einem Kurse, der vom Senat zweimal monatlich festgesetzt wird.
Hier hatte wohl selbst russische Gehässigkeit einsehen müssen, daß es un¬
verantwortlich wäre, Finnland der Vorteile seines festen Mnuzshstems zu
berauben.

Die Zollfrnge endlich ist ganz zu Finnlands Gunsten erledigt worden.
Die Ratgeber des Kaisers selbst sollen davon abgeraten haben, das finnische
und russische Zollwesen mit einander zu verschmelzen. Dies war die erfreu¬
lichste Nachricht, die von Petersburg mich Finnland gelangte, aber anch
die letzte erfreuliche.

Inzwischen war der finnische Landtag zur üblichen Zeit zusammenberufen
worden und begann am 20. Januar seine Arbeiten. Bei der Eröffnung
sprachen die Wortführer in freimütiger und mannhafter Weise ans, daß durch
die fortwährenden Angriffe der russischen Presse und die Suspeudirung des
finnischen Strafgesetzes eine allgemeine Unruhe im Lande erregt worden sei.
Diese Worte mußten natürlich auch dem Kaiser zu Ohren kommen; es ver¬
breitete sich denn auch in der That bald darauf wie ein Lauffeuer die Nach¬
richt, daß der Kaiser von deu Wortführern des Landtags nähere Aufklärungen
über die Veranlassung zur Beunruhigung des finnischen Volkes eingefordert
habe. Natürlich wurde diese unverzüglich nach Petersburg gesandt, und als
Antwort erschien das durch die Tageszeitungen bekannt gewordene kaiserliche
Reskript, worin der Zar erklärte, daß das finnische Volk keine Ursache habe,
sich beunruhigt zu fühlen, „da es nicht seine Absicht sei, die Prinzipien für
die Handhabung der innern Verwaltung des Landes zu ändern," sondern „die
Rechte und Privilegien, womit es von den russischen Monarchen belehnt
worden sei, aufrechterhalten wolle."

Es ist nun zwar ein schöner Trost für die Finnländer, daß in dem
Reskript auf die von Alexander I. auf dem Landtage zu Bvrgä abgegebene
Versicherung, Konstitution und Grundgesetz Finnlands sollten erhalten bleiben,
Bezug genommen war, und es ist auch gewiß nicht an dem guten Willen des
Monarchen zu zweifeln, die Autonomie Finnlands zu wahren. Eine untre Sache
aber ist es, ob er sich nicht dazu drängen lassen wird, Maßregeln zu treffen,
die in die garantirte Staatsform Bresche legen. Grund zu solcher Annnahme
liefert jn die Suspeudirung des Strafgesetzes. Im übrigen ist das Reskript
so zweideutig abgefaßt, daß es jede beliebige Auslegung zuläßt, wie es denn
auch bezeichnend ist, daß es den Beifall der russischen Zeitungen findet, die
versichern, daß die darin ausgesprochenen Prinzipien mit ihren Anschauungen
über die finnische Frage vollkommen übereinstimmten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/15>, abgerufen am 23.07.2024.