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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Finnland

Im Landtage hatte inzwischen der Gesetzansschuß über die Frage, die den
Hauptanlaß zu der finnisch-russischen Spannung gegeben hatte, die Suspen-
dirung des finnischen Strafgesetzes, ein Gutachten abgegeben, worin er em¬
pfiehlt, auf die vorgeschlagenen Huderuugeu einzugehen, sich aber entschieden
gegen ein Hinausschieben der Einführung des Gesetzes ausspricht. Der Aus¬
schuß hob auch die mißliche Lage hervor, in die die Richter dadurch gerate"
seien, daß ihnen verboten worden sei, nach einem grundgesetzmäßig zu stunde
gekommenen Gesetz Recht zu sprechen. Alle vier Stunde habe" sich mit diesem
Gutachten ihres Ausschusses einverstanden erklärt.

Der Landtag selbst ist Ende Mai geschlossen worden, wobei folgende von
Gatschina, den (11.) Mai datirte Thronrede zur Verlesung kam: "Reprä¬
sentanten des finnischen Volkes! Da die für Ihre Arbeiten bestimmte Zeit
nun zu Ende gegangen ist, danke ich Ihnen für Ihre Mühe, die Sie dem
Wohl des Landes zugewendet haben, ebenso für die von Ihnen zu wieder¬
holten malen im Namen des finnischen Volkes misgesprochenen Gefühle mtter-
thäuiger Treue und Ergebenheit für Mich und Meine Kaiserliche Familie.
Zudem ich Sie und Mein ganzes finnisches Volk der Gnade des Höchsten
anbefehle, erkläre ich den Landtag für geschlossen und bleibe Ihnen unver¬
änderlich wohlgewogen. Alexander." Farblos wie diese Thronrede waren
mich die vor Auseinandergehen des Landtages von den Wortführern der ver-
schiednen Stände gehaltenen Ansprachen. Sie enthielten außer dem Versichern
der Treue und dem Ausdruck der Hoffnung, daß sich das Land fort und fort
des Schutzes des Regenten erfreuen möge, eigentlich nur den Wunsch, daß
der Monarch die Darlegungen, die der Landtag feiner Pflicht gemäß aus¬
zusprechen für nötig gehalten habe, huldvoll aufnehmen möge. Ju dieser Be¬
ziehung äußerte der Landmarschall in seiner Rede: "Was die Stände hier¬
über ausgesprochen haben, kann unter den gegenwärtigen Verhältnissen als
der zuverlässigste und richtigste Ausdruck der Ansichten und Wünsche des Landes
angesehen werden, von denen Ritterschaft und Adel ebenfalls hofft, daß sie
mit den Absichten Seiner Majestät für das Wohl des Landes übereinstimmen
mögen." Der Erzbischof kleidete denselben Gedanken in die Worte: "Wie
Pflicht und Gewissen erforderten, haben die Repräsentanten in aufrichtiger
Wahrheitsliebe vor dem Throne dargelegt, was sie für das Wohl des Volkes,
das sie hier vertreten, förderlich hielten. Sie sind davon überzeugt gewesen,
daß sie auf diese Art den landesväterlichen Absichten ihres edelgesinnten Kaisers
am besten entsprochen haben und das unschätzbare Vertrauen Seiner Majestät
behalten werden." Der Wortführer des Bauernstandes äußerte sich in folgender
Weise: "Finnlands Bauernstand hat an den Arbeiten der Stände mit auf¬
richtigem Herzen und der zuversichtlichen Hoffnung teilgenommen, daß Seine
Majestät der Kaiser, Finnlands allergnädigster Großfürst, einen offenen Blick
dafür habe" wird, was seinem stets treuen finnischen Volke el" Bedürfnis ist.


Finnland

Im Landtage hatte inzwischen der Gesetzansschuß über die Frage, die den
Hauptanlaß zu der finnisch-russischen Spannung gegeben hatte, die Suspen-
dirung des finnischen Strafgesetzes, ein Gutachten abgegeben, worin er em¬
pfiehlt, auf die vorgeschlagenen Huderuugeu einzugehen, sich aber entschieden
gegen ein Hinausschieben der Einführung des Gesetzes ausspricht. Der Aus¬
schuß hob auch die mißliche Lage hervor, in die die Richter dadurch gerate»
seien, daß ihnen verboten worden sei, nach einem grundgesetzmäßig zu stunde
gekommenen Gesetz Recht zu sprechen. Alle vier Stunde habe» sich mit diesem
Gutachten ihres Ausschusses einverstanden erklärt.

Der Landtag selbst ist Ende Mai geschlossen worden, wobei folgende von
Gatschina, den (11.) Mai datirte Thronrede zur Verlesung kam: „Reprä¬
sentanten des finnischen Volkes! Da die für Ihre Arbeiten bestimmte Zeit
nun zu Ende gegangen ist, danke ich Ihnen für Ihre Mühe, die Sie dem
Wohl des Landes zugewendet haben, ebenso für die von Ihnen zu wieder¬
holten malen im Namen des finnischen Volkes misgesprochenen Gefühle mtter-
thäuiger Treue und Ergebenheit für Mich und Meine Kaiserliche Familie.
Zudem ich Sie und Mein ganzes finnisches Volk der Gnade des Höchsten
anbefehle, erkläre ich den Landtag für geschlossen und bleibe Ihnen unver¬
änderlich wohlgewogen. Alexander." Farblos wie diese Thronrede waren
mich die vor Auseinandergehen des Landtages von den Wortführern der ver-
schiednen Stände gehaltenen Ansprachen. Sie enthielten außer dem Versichern
der Treue und dem Ausdruck der Hoffnung, daß sich das Land fort und fort
des Schutzes des Regenten erfreuen möge, eigentlich nur den Wunsch, daß
der Monarch die Darlegungen, die der Landtag feiner Pflicht gemäß aus¬
zusprechen für nötig gehalten habe, huldvoll aufnehmen möge. Ju dieser Be¬
ziehung äußerte der Landmarschall in seiner Rede: „Was die Stände hier¬
über ausgesprochen haben, kann unter den gegenwärtigen Verhältnissen als
der zuverlässigste und richtigste Ausdruck der Ansichten und Wünsche des Landes
angesehen werden, von denen Ritterschaft und Adel ebenfalls hofft, daß sie
mit den Absichten Seiner Majestät für das Wohl des Landes übereinstimmen
mögen." Der Erzbischof kleidete denselben Gedanken in die Worte: „Wie
Pflicht und Gewissen erforderten, haben die Repräsentanten in aufrichtiger
Wahrheitsliebe vor dem Throne dargelegt, was sie für das Wohl des Volkes,
das sie hier vertreten, förderlich hielten. Sie sind davon überzeugt gewesen,
daß sie auf diese Art den landesväterlichen Absichten ihres edelgesinnten Kaisers
am besten entsprochen haben und das unschätzbare Vertrauen Seiner Majestät
behalten werden." Der Wortführer des Bauernstandes äußerte sich in folgender
Weise: „Finnlands Bauernstand hat an den Arbeiten der Stände mit auf¬
richtigem Herzen und der zuversichtlichen Hoffnung teilgenommen, daß Seine
Majestät der Kaiser, Finnlands allergnädigster Großfürst, einen offenen Blick
dafür habe» wird, was seinem stets treuen finnischen Volke el» Bedürfnis ist.


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[0016] Finnland Im Landtage hatte inzwischen der Gesetzansschuß über die Frage, die den Hauptanlaß zu der finnisch-russischen Spannung gegeben hatte, die Suspen- dirung des finnischen Strafgesetzes, ein Gutachten abgegeben, worin er em¬ pfiehlt, auf die vorgeschlagenen Huderuugeu einzugehen, sich aber entschieden gegen ein Hinausschieben der Einführung des Gesetzes ausspricht. Der Aus¬ schuß hob auch die mißliche Lage hervor, in die die Richter dadurch gerate» seien, daß ihnen verboten worden sei, nach einem grundgesetzmäßig zu stunde gekommenen Gesetz Recht zu sprechen. Alle vier Stunde habe» sich mit diesem Gutachten ihres Ausschusses einverstanden erklärt. Der Landtag selbst ist Ende Mai geschlossen worden, wobei folgende von Gatschina, den (11.) Mai datirte Thronrede zur Verlesung kam: „Reprä¬ sentanten des finnischen Volkes! Da die für Ihre Arbeiten bestimmte Zeit nun zu Ende gegangen ist, danke ich Ihnen für Ihre Mühe, die Sie dem Wohl des Landes zugewendet haben, ebenso für die von Ihnen zu wieder¬ holten malen im Namen des finnischen Volkes misgesprochenen Gefühle mtter- thäuiger Treue und Ergebenheit für Mich und Meine Kaiserliche Familie. Zudem ich Sie und Mein ganzes finnisches Volk der Gnade des Höchsten anbefehle, erkläre ich den Landtag für geschlossen und bleibe Ihnen unver¬ änderlich wohlgewogen. Alexander." Farblos wie diese Thronrede waren mich die vor Auseinandergehen des Landtages von den Wortführern der ver- schiednen Stände gehaltenen Ansprachen. Sie enthielten außer dem Versichern der Treue und dem Ausdruck der Hoffnung, daß sich das Land fort und fort des Schutzes des Regenten erfreuen möge, eigentlich nur den Wunsch, daß der Monarch die Darlegungen, die der Landtag feiner Pflicht gemäß aus¬ zusprechen für nötig gehalten habe, huldvoll aufnehmen möge. Ju dieser Be¬ ziehung äußerte der Landmarschall in seiner Rede: „Was die Stände hier¬ über ausgesprochen haben, kann unter den gegenwärtigen Verhältnissen als der zuverlässigste und richtigste Ausdruck der Ansichten und Wünsche des Landes angesehen werden, von denen Ritterschaft und Adel ebenfalls hofft, daß sie mit den Absichten Seiner Majestät für das Wohl des Landes übereinstimmen mögen." Der Erzbischof kleidete denselben Gedanken in die Worte: „Wie Pflicht und Gewissen erforderten, haben die Repräsentanten in aufrichtiger Wahrheitsliebe vor dem Throne dargelegt, was sie für das Wohl des Volkes, das sie hier vertreten, förderlich hielten. Sie sind davon überzeugt gewesen, daß sie auf diese Art den landesväterlichen Absichten ihres edelgesinnten Kaisers am besten entsprochen haben und das unschätzbare Vertrauen Seiner Majestät behalten werden." Der Wortführer des Bauernstandes äußerte sich in folgender Weise: „Finnlands Bauernstand hat an den Arbeiten der Stände mit auf¬ richtigem Herzen und der zuversichtlichen Hoffnung teilgenommen, daß Seine Majestät der Kaiser, Finnlands allergnädigster Großfürst, einen offenen Blick dafür habe» wird, was seinem stets treuen finnischen Volke el» Bedürfnis ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/16>, abgerufen am 23.07.2024.