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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Finnland

das finnische Zoll-, Münz- und PostWesen ohne weiteres in das russische
eingegliedert würde.

Als Finnland mit Rußland vereinigt wurde, waren beide Länder in
Bezug auf Zölle gleichgestellt, sodaß die Waren von dem einen Lande ins
andre frei eingeführt werden konnten. Dieser Zustand dauerte bis 1822. Da
belegte man einen Teil der finnischen Waren mit Zoll, während die russischen
Privilegien unverändert bestehen blieben. Allmählich wurden aber diese Zölle
so verschärft, daß die Industrie Finnlands, namentlich die Eisenindustrie, da¬
durch fast erdrückt wurde. Als aber die Industriellen ihre ganze Energie auf¬
boten, um neue Märkte zu gewinnen, rief dies wieder den Zorn der russischen
Zeitungen hervor, sie beschuldigten die Finnländer, ungerechtfertigte Vorteile
vor Rußland zu besitzen, und verlangten, daß das finnische Zollwesen dem
russische" einverleibt würde, ohne zu bedenken, daß Rußland doch weit weniger
von der Konkurrenz der immerhin nur geringfügigen Industrie Finnlands,
als von einer Aufhebung der finnischen Zollgrenze zu leiden haben würde.
Die klippenbesäten finnischen Küsten sind nämlich zum Schmuggel wie ge¬
schaffen, und einen solchen würden die gegenwärtigen hohen Zollsätze sicher
von Westen her hervorrufen.

Was das PostWesen betrifft, so würde die lähmende Rückwirkung auf
das finnische Staatswesen nicht ausbleiben, wenn ihm dies wichtige Glied
entrissen würde, denn es ist leicht zu erkennen, daß in dem PostWesen Finn¬
lands ein frischeres Leben pulsirt als in den: Rußlands, wo beispielsweise die
im finnischen eingeführten Postsparbaukeu unbekannt sind. Daß die Finnländer
endlich auch ihr Münzwesen nicht missen wollen, ist begreiflich, denn mit Ein¬
führung des russischen würde das Land allen jenen Krisen ausgesetzt sein, die
ein wechselnder Geldwert und der Zwangskurs des Papiergeldes stets im Ge-
folge hat.

Es ist begreiflich, daß man das Ergebnis der Arbeiten dieser drei Kom¬
missionen im Lande mit größter Ungeduld erwartete. Zum Glück ist das,
was man befürchtete, nicht eingetreten. Zuerst wurde die Postkommisfivn mit
ihrer Aufgabe fertig und das Ergebnis war, daß das finnische PostWesen
keine völlig russische Einrichtung, souderu eine Art Mittelding geworden ist.
Die Leitung unterliegt hinfort dein russischen Ministerium des Innern, und
die Taxen der russischen Post sollen auch für Finnland maßgebend sein. In
den Städten soll von den Postbeamten die Kenntnis der russischen Sprache
verlangt werden, der Generaldirektor wird ans Vorschlag des Generalgouver¬
neurs und des russischen Ministers des Äußern ernannt. Im Lande ist die
Verwendung von finnischen Freimarken gestattet, für das Anstand werden
aber russische gefordert. Dem finnischen Volk ist diese Neuordnung seines
PostWesens durch ein kaiserliches Manifest vom 12. Januar vorigen Jahres
bekannt gemacht worden.


Finnland

das finnische Zoll-, Münz- und PostWesen ohne weiteres in das russische
eingegliedert würde.

Als Finnland mit Rußland vereinigt wurde, waren beide Länder in
Bezug auf Zölle gleichgestellt, sodaß die Waren von dem einen Lande ins
andre frei eingeführt werden konnten. Dieser Zustand dauerte bis 1822. Da
belegte man einen Teil der finnischen Waren mit Zoll, während die russischen
Privilegien unverändert bestehen blieben. Allmählich wurden aber diese Zölle
so verschärft, daß die Industrie Finnlands, namentlich die Eisenindustrie, da¬
durch fast erdrückt wurde. Als aber die Industriellen ihre ganze Energie auf¬
boten, um neue Märkte zu gewinnen, rief dies wieder den Zorn der russischen
Zeitungen hervor, sie beschuldigten die Finnländer, ungerechtfertigte Vorteile
vor Rußland zu besitzen, und verlangten, daß das finnische Zollwesen dem
russische» einverleibt würde, ohne zu bedenken, daß Rußland doch weit weniger
von der Konkurrenz der immerhin nur geringfügigen Industrie Finnlands,
als von einer Aufhebung der finnischen Zollgrenze zu leiden haben würde.
Die klippenbesäten finnischen Küsten sind nämlich zum Schmuggel wie ge¬
schaffen, und einen solchen würden die gegenwärtigen hohen Zollsätze sicher
von Westen her hervorrufen.

Was das PostWesen betrifft, so würde die lähmende Rückwirkung auf
das finnische Staatswesen nicht ausbleiben, wenn ihm dies wichtige Glied
entrissen würde, denn es ist leicht zu erkennen, daß in dem PostWesen Finn¬
lands ein frischeres Leben pulsirt als in den: Rußlands, wo beispielsweise die
im finnischen eingeführten Postsparbaukeu unbekannt sind. Daß die Finnländer
endlich auch ihr Münzwesen nicht missen wollen, ist begreiflich, denn mit Ein¬
führung des russischen würde das Land allen jenen Krisen ausgesetzt sein, die
ein wechselnder Geldwert und der Zwangskurs des Papiergeldes stets im Ge-
folge hat.

Es ist begreiflich, daß man das Ergebnis der Arbeiten dieser drei Kom¬
missionen im Lande mit größter Ungeduld erwartete. Zum Glück ist das,
was man befürchtete, nicht eingetreten. Zuerst wurde die Postkommisfivn mit
ihrer Aufgabe fertig und das Ergebnis war, daß das finnische PostWesen
keine völlig russische Einrichtung, souderu eine Art Mittelding geworden ist.
Die Leitung unterliegt hinfort dein russischen Ministerium des Innern, und
die Taxen der russischen Post sollen auch für Finnland maßgebend sein. In
den Städten soll von den Postbeamten die Kenntnis der russischen Sprache
verlangt werden, der Generaldirektor wird ans Vorschlag des Generalgouver¬
neurs und des russischen Ministers des Äußern ernannt. Im Lande ist die
Verwendung von finnischen Freimarken gestattet, für das Anstand werden
aber russische gefordert. Dem finnischen Volk ist diese Neuordnung seines
PostWesens durch ein kaiserliches Manifest vom 12. Januar vorigen Jahres
bekannt gemacht worden.


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[0014] Finnland das finnische Zoll-, Münz- und PostWesen ohne weiteres in das russische eingegliedert würde. Als Finnland mit Rußland vereinigt wurde, waren beide Länder in Bezug auf Zölle gleichgestellt, sodaß die Waren von dem einen Lande ins andre frei eingeführt werden konnten. Dieser Zustand dauerte bis 1822. Da belegte man einen Teil der finnischen Waren mit Zoll, während die russischen Privilegien unverändert bestehen blieben. Allmählich wurden aber diese Zölle so verschärft, daß die Industrie Finnlands, namentlich die Eisenindustrie, da¬ durch fast erdrückt wurde. Als aber die Industriellen ihre ganze Energie auf¬ boten, um neue Märkte zu gewinnen, rief dies wieder den Zorn der russischen Zeitungen hervor, sie beschuldigten die Finnländer, ungerechtfertigte Vorteile vor Rußland zu besitzen, und verlangten, daß das finnische Zollwesen dem russische» einverleibt würde, ohne zu bedenken, daß Rußland doch weit weniger von der Konkurrenz der immerhin nur geringfügigen Industrie Finnlands, als von einer Aufhebung der finnischen Zollgrenze zu leiden haben würde. Die klippenbesäten finnischen Küsten sind nämlich zum Schmuggel wie ge¬ schaffen, und einen solchen würden die gegenwärtigen hohen Zollsätze sicher von Westen her hervorrufen. Was das PostWesen betrifft, so würde die lähmende Rückwirkung auf das finnische Staatswesen nicht ausbleiben, wenn ihm dies wichtige Glied entrissen würde, denn es ist leicht zu erkennen, daß in dem PostWesen Finn¬ lands ein frischeres Leben pulsirt als in den: Rußlands, wo beispielsweise die im finnischen eingeführten Postsparbaukeu unbekannt sind. Daß die Finnländer endlich auch ihr Münzwesen nicht missen wollen, ist begreiflich, denn mit Ein¬ führung des russischen würde das Land allen jenen Krisen ausgesetzt sein, die ein wechselnder Geldwert und der Zwangskurs des Papiergeldes stets im Ge- folge hat. Es ist begreiflich, daß man das Ergebnis der Arbeiten dieser drei Kom¬ missionen im Lande mit größter Ungeduld erwartete. Zum Glück ist das, was man befürchtete, nicht eingetreten. Zuerst wurde die Postkommisfivn mit ihrer Aufgabe fertig und das Ergebnis war, daß das finnische PostWesen keine völlig russische Einrichtung, souderu eine Art Mittelding geworden ist. Die Leitung unterliegt hinfort dein russischen Ministerium des Innern, und die Taxen der russischen Post sollen auch für Finnland maßgebend sein. In den Städten soll von den Postbeamten die Kenntnis der russischen Sprache verlangt werden, der Generaldirektor wird ans Vorschlag des Generalgouver¬ neurs und des russischen Ministers des Äußern ernannt. Im Lande ist die Verwendung von finnischen Freimarken gestattet, für das Anstand werden aber russische gefordert. Dem finnischen Volk ist diese Neuordnung seines PostWesens durch ein kaiserliches Manifest vom 12. Januar vorigen Jahres bekannt gemacht worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/14>, abgerufen am 23.07.2024.