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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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gegen Finnland zu erhebe". Schon der Umstand, daß sich das Land in Be¬
ziehung auf die Kultur den "Westen" zum Vorbild genommen und sich gleich¬
zeitig in nationaler Richtung entwickelt hatte, daß die Finnländer sich serner
der russischen Kultur abhold gezeigt hatten, überhaupt keine Russen geworden,
sondern für das Zarenreich Fremdlinge geblieben waren, war natürlich in den
Augen der Stockrussen ein Verbrechen.

Nun begann die Sache ernster zu werden, und es dauerte nicht lange,
daß zwei häufig genannte Zeitungen, die "Moskowskija Wedomosti" und die
"Nowoje Wremja," die Pfeile ihrer gehässigen Angriffe auf den eigentlichen
Kernpunkt, die Konstitution, zu richten begannen. Diese Blätter erklärten
geradezu, daß die ganze finnische Staatsordnung jeder rechtlichen Grundlage
entbehre, Finnland seine eine Provinz, kein Staat, die sogenannten Grund¬
gesetze brauche der Monarch nicht zu respektiren, ein selbständiges Finnland
sei mit der Würde des russischen Reiches unvereinbar u. s. w.

Auf diese in den verschiedensten Formen auftretenden Angriffe näher ein¬
zugehen, würde zu weit führen; wir erwähnen nur ein Buch, worin das von
allen Seiten laut werdende Verlangen nach Unterdrückung der Freiheit in
Finnland besonders unzweideutig zum Ausdruck gelangt: "Die Unterwerfung
Finnlands," von Ordin. Es polemisirt gegen die von dem finnischen Senator
L. Mechelin herausgegebene Arbeit ?rsois ein Aron pudlio an AiAuä-äuolio
as I'inlg.mets und beschuldigt die finnischen Staatsrechtlehrer der systematischen
Verdrehung des Rechtsverhältnisses zwischen Rußland und Finnland.

Bei der Art dieser Angriffe wäre es geradezu zu verwundern, wie sie
Boden gewinnen konnten, wenn man nicht eben berücksichtigen müßte, wie
wenig Kenntnis man im allgemeinen in Rußland von den Verhältnissen in
Finnland hatte. Wenn die Zeitungen täglich schrieben, daß die Autonomie
Finnlands auf Betrug und Fälschung beruhe, so ist es freilich zu verstehen,
wenn ihnen schließlich selbst die Ungläubigsten Glauben schenkten. Den
finnischen Zeitungen wurde es verboten, sich mit dieser Materie zu befassen,
und wenn es auch hiu und wieder einmal gelang, zu Gunsten Finnlands in
russischen Blättern zu Worte zu kommen, so wurden doch solche Auslassungen
sofort zum Zielpunkte der gehässigsten Angriffe gemacht.

Man ist nnn freilich in Finnland durchaus nicht geneigt, alle diese An¬
griffe gänzlich unerwidert zu lassen, ja es darf wohl ein zäher Widerstand
erwartet werden. Als ein Anzeichen davon ist ein von dem finnischen Professor
Danielson erschienenes Buch: "Die Vereinigung Finnlands mit dem russischen
Reiche" zu bezeichnen. Es ist in russischer Sprache geschrieben "ut enthält
eine vernichtende Kritik der Arbeit Ordins. Der Verfasser hat jedenfalls nicht
wenig Mühe aufwenden müssen, um russischen Lesern ein klares Bild der
finnischen Verhältnisse zu geben, wenn man bedenkt, daß Wörter wie Landtag,
Grundgesetz u. s. w. im Russischen schwer wiederzugeben sind.


Finnland

gegen Finnland zu erhebe». Schon der Umstand, daß sich das Land in Be¬
ziehung auf die Kultur den „Westen" zum Vorbild genommen und sich gleich¬
zeitig in nationaler Richtung entwickelt hatte, daß die Finnländer sich serner
der russischen Kultur abhold gezeigt hatten, überhaupt keine Russen geworden,
sondern für das Zarenreich Fremdlinge geblieben waren, war natürlich in den
Augen der Stockrussen ein Verbrechen.

Nun begann die Sache ernster zu werden, und es dauerte nicht lange,
daß zwei häufig genannte Zeitungen, die „Moskowskija Wedomosti" und die
„Nowoje Wremja," die Pfeile ihrer gehässigen Angriffe auf den eigentlichen
Kernpunkt, die Konstitution, zu richten begannen. Diese Blätter erklärten
geradezu, daß die ganze finnische Staatsordnung jeder rechtlichen Grundlage
entbehre, Finnland seine eine Provinz, kein Staat, die sogenannten Grund¬
gesetze brauche der Monarch nicht zu respektiren, ein selbständiges Finnland
sei mit der Würde des russischen Reiches unvereinbar u. s. w.

Auf diese in den verschiedensten Formen auftretenden Angriffe näher ein¬
zugehen, würde zu weit führen; wir erwähnen nur ein Buch, worin das von
allen Seiten laut werdende Verlangen nach Unterdrückung der Freiheit in
Finnland besonders unzweideutig zum Ausdruck gelangt: „Die Unterwerfung
Finnlands," von Ordin. Es polemisirt gegen die von dem finnischen Senator
L. Mechelin herausgegebene Arbeit ?rsois ein Aron pudlio an AiAuä-äuolio
as I'inlg.mets und beschuldigt die finnischen Staatsrechtlehrer der systematischen
Verdrehung des Rechtsverhältnisses zwischen Rußland und Finnland.

Bei der Art dieser Angriffe wäre es geradezu zu verwundern, wie sie
Boden gewinnen konnten, wenn man nicht eben berücksichtigen müßte, wie
wenig Kenntnis man im allgemeinen in Rußland von den Verhältnissen in
Finnland hatte. Wenn die Zeitungen täglich schrieben, daß die Autonomie
Finnlands auf Betrug und Fälschung beruhe, so ist es freilich zu verstehen,
wenn ihnen schließlich selbst die Ungläubigsten Glauben schenkten. Den
finnischen Zeitungen wurde es verboten, sich mit dieser Materie zu befassen,
und wenn es auch hiu und wieder einmal gelang, zu Gunsten Finnlands in
russischen Blättern zu Worte zu kommen, so wurden doch solche Auslassungen
sofort zum Zielpunkte der gehässigsten Angriffe gemacht.

Man ist nnn freilich in Finnland durchaus nicht geneigt, alle diese An¬
griffe gänzlich unerwidert zu lassen, ja es darf wohl ein zäher Widerstand
erwartet werden. Als ein Anzeichen davon ist ein von dem finnischen Professor
Danielson erschienenes Buch: „Die Vereinigung Finnlands mit dem russischen
Reiche" zu bezeichnen. Es ist in russischer Sprache geschrieben »ut enthält
eine vernichtende Kritik der Arbeit Ordins. Der Verfasser hat jedenfalls nicht
wenig Mühe aufwenden müssen, um russischen Lesern ein klares Bild der
finnischen Verhältnisse zu geben, wenn man bedenkt, daß Wörter wie Landtag,
Grundgesetz u. s. w. im Russischen schwer wiederzugeben sind.


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[0011] Finnland gegen Finnland zu erhebe». Schon der Umstand, daß sich das Land in Be¬ ziehung auf die Kultur den „Westen" zum Vorbild genommen und sich gleich¬ zeitig in nationaler Richtung entwickelt hatte, daß die Finnländer sich serner der russischen Kultur abhold gezeigt hatten, überhaupt keine Russen geworden, sondern für das Zarenreich Fremdlinge geblieben waren, war natürlich in den Augen der Stockrussen ein Verbrechen. Nun begann die Sache ernster zu werden, und es dauerte nicht lange, daß zwei häufig genannte Zeitungen, die „Moskowskija Wedomosti" und die „Nowoje Wremja," die Pfeile ihrer gehässigen Angriffe auf den eigentlichen Kernpunkt, die Konstitution, zu richten begannen. Diese Blätter erklärten geradezu, daß die ganze finnische Staatsordnung jeder rechtlichen Grundlage entbehre, Finnland seine eine Provinz, kein Staat, die sogenannten Grund¬ gesetze brauche der Monarch nicht zu respektiren, ein selbständiges Finnland sei mit der Würde des russischen Reiches unvereinbar u. s. w. Auf diese in den verschiedensten Formen auftretenden Angriffe näher ein¬ zugehen, würde zu weit führen; wir erwähnen nur ein Buch, worin das von allen Seiten laut werdende Verlangen nach Unterdrückung der Freiheit in Finnland besonders unzweideutig zum Ausdruck gelangt: „Die Unterwerfung Finnlands," von Ordin. Es polemisirt gegen die von dem finnischen Senator L. Mechelin herausgegebene Arbeit ?rsois ein Aron pudlio an AiAuä-äuolio as I'inlg.mets und beschuldigt die finnischen Staatsrechtlehrer der systematischen Verdrehung des Rechtsverhältnisses zwischen Rußland und Finnland. Bei der Art dieser Angriffe wäre es geradezu zu verwundern, wie sie Boden gewinnen konnten, wenn man nicht eben berücksichtigen müßte, wie wenig Kenntnis man im allgemeinen in Rußland von den Verhältnissen in Finnland hatte. Wenn die Zeitungen täglich schrieben, daß die Autonomie Finnlands auf Betrug und Fälschung beruhe, so ist es freilich zu verstehen, wenn ihnen schließlich selbst die Ungläubigsten Glauben schenkten. Den finnischen Zeitungen wurde es verboten, sich mit dieser Materie zu befassen, und wenn es auch hiu und wieder einmal gelang, zu Gunsten Finnlands in russischen Blättern zu Worte zu kommen, so wurden doch solche Auslassungen sofort zum Zielpunkte der gehässigsten Angriffe gemacht. Man ist nnn freilich in Finnland durchaus nicht geneigt, alle diese An¬ griffe gänzlich unerwidert zu lassen, ja es darf wohl ein zäher Widerstand erwartet werden. Als ein Anzeichen davon ist ein von dem finnischen Professor Danielson erschienenes Buch: „Die Vereinigung Finnlands mit dem russischen Reiche" zu bezeichnen. Es ist in russischer Sprache geschrieben »ut enthält eine vernichtende Kritik der Arbeit Ordins. Der Verfasser hat jedenfalls nicht wenig Mühe aufwenden müssen, um russischen Lesern ein klares Bild der finnischen Verhältnisse zu geben, wenn man bedenkt, daß Wörter wie Landtag, Grundgesetz u. s. w. im Russischen schwer wiederzugeben sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/11>, abgerufen am 23.07.2024.