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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Ein ^treifzug durch das Gestrüpp der Hrauenfrage

es w
ende mich in den folgenden Ausführungen gegen die Ve-
kämpfer der Frauenemanzipation, aber ich bin mir bewußt,
es in eiuer Weise zu thun, daß ich in den Augen ihrer be¬
geistertsten Verfechter selbst als Feind erscheinen werde. Es
gilt vielfach für geistreich, Behauptungen aufzustellen, die dem.
was der einfache Verstand sagt, gerade ins Gesicht schlagen. So schütze der
Himmel die Frauenfrage vor jenen Freunden, die, um geistreich zu unter¬
halten, die Thatsache, daß es ein Bedürfnis ist, für Mädchen, die im Hause
keinen Wirkungskreis finden, außerhalb des Hauses einen solchen zu schaffen,
dahin verkehren, als sei es die Pflicht einer Frau, sich ein andres Ziel zu
stecken, als das, deu ihr vom Leben angewiesenen Platz nach bestem Vermögen
auszufüllen. Dies ist das beliebte "höhere Ziel," ein so entsittlichendes, daß
ich mich entrüstet davon abwende. Wer das sichere Glück eines wenn auch
nur bescheidnen Lebenszweckes besitzt, überlege sichs wohl, ohne zwingenden
Grund die Hand nach einem glänzendem, aber unsichern auszustrecken.
Solche geistreiche Äußerungen reizen natürlich zum Widerspruch; aber auch
die Widersprechenden lassen sich zu Übertreibungen hinreißen und fordern
dadurch ihrerseits zu Entgegnungen heraus. Der eine fürchtet, die Frau
werde durch vieles Lernen ihrem eigentlichen Beruf entfremdet, der andre
geht schärfer ins Zeug und sagt: Für die Frau giebt es überhaupt nichts
andres, als ihren sogenannten "eigentlichen Beruf." Beide variiren von ver-
schiednen Gesichtspunkten aus Goethes zweite Epistel und begegnen sich in
dem Schluß: Das Mädchen hat zu heiraten!

Wer bestreitet wohl, daß "eine durchaus häusliche Erziehung der Töchter
unter den Augen der Eltern für die Lebensbestimmung der Frau die geeignetste
sei," vorausgesetzt, daß unter häuslich nicht verdünnend zu verstehen ist, und
daß sie "das elterliche Hans nur an der Hand des Gatten verlassen sollte"?
Wer aber verfügt über die fast überirdischen Kräfte, die man brauchte, um
diesen Verlauf nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zur Regel
zu machen? Viele Mädchen wachsen ohne Eltern oder doch ohne Mütter




Ein ^treifzug durch das Gestrüpp der Hrauenfrage

es w
ende mich in den folgenden Ausführungen gegen die Ve-
kämpfer der Frauenemanzipation, aber ich bin mir bewußt,
es in eiuer Weise zu thun, daß ich in den Augen ihrer be¬
geistertsten Verfechter selbst als Feind erscheinen werde. Es
gilt vielfach für geistreich, Behauptungen aufzustellen, die dem.
was der einfache Verstand sagt, gerade ins Gesicht schlagen. So schütze der
Himmel die Frauenfrage vor jenen Freunden, die, um geistreich zu unter¬
halten, die Thatsache, daß es ein Bedürfnis ist, für Mädchen, die im Hause
keinen Wirkungskreis finden, außerhalb des Hauses einen solchen zu schaffen,
dahin verkehren, als sei es die Pflicht einer Frau, sich ein andres Ziel zu
stecken, als das, deu ihr vom Leben angewiesenen Platz nach bestem Vermögen
auszufüllen. Dies ist das beliebte „höhere Ziel," ein so entsittlichendes, daß
ich mich entrüstet davon abwende. Wer das sichere Glück eines wenn auch
nur bescheidnen Lebenszweckes besitzt, überlege sichs wohl, ohne zwingenden
Grund die Hand nach einem glänzendem, aber unsichern auszustrecken.
Solche geistreiche Äußerungen reizen natürlich zum Widerspruch; aber auch
die Widersprechenden lassen sich zu Übertreibungen hinreißen und fordern
dadurch ihrerseits zu Entgegnungen heraus. Der eine fürchtet, die Frau
werde durch vieles Lernen ihrem eigentlichen Beruf entfremdet, der andre
geht schärfer ins Zeug und sagt: Für die Frau giebt es überhaupt nichts
andres, als ihren sogenannten „eigentlichen Beruf." Beide variiren von ver-
schiednen Gesichtspunkten aus Goethes zweite Epistel und begegnen sich in
dem Schluß: Das Mädchen hat zu heiraten!

Wer bestreitet wohl, daß „eine durchaus häusliche Erziehung der Töchter
unter den Augen der Eltern für die Lebensbestimmung der Frau die geeignetste
sei," vorausgesetzt, daß unter häuslich nicht verdünnend zu verstehen ist, und
daß sie „das elterliche Hans nur an der Hand des Gatten verlassen sollte"?
Wer aber verfügt über die fast überirdischen Kräfte, die man brauchte, um
diesen Verlauf nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zur Regel
zu machen? Viele Mädchen wachsen ohne Eltern oder doch ohne Mütter


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[0088] [Abbildung] Ein ^treifzug durch das Gestrüpp der Hrauenfrage es w ende mich in den folgenden Ausführungen gegen die Ve- kämpfer der Frauenemanzipation, aber ich bin mir bewußt, es in eiuer Weise zu thun, daß ich in den Augen ihrer be¬ geistertsten Verfechter selbst als Feind erscheinen werde. Es gilt vielfach für geistreich, Behauptungen aufzustellen, die dem. was der einfache Verstand sagt, gerade ins Gesicht schlagen. So schütze der Himmel die Frauenfrage vor jenen Freunden, die, um geistreich zu unter¬ halten, die Thatsache, daß es ein Bedürfnis ist, für Mädchen, die im Hause keinen Wirkungskreis finden, außerhalb des Hauses einen solchen zu schaffen, dahin verkehren, als sei es die Pflicht einer Frau, sich ein andres Ziel zu stecken, als das, deu ihr vom Leben angewiesenen Platz nach bestem Vermögen auszufüllen. Dies ist das beliebte „höhere Ziel," ein so entsittlichendes, daß ich mich entrüstet davon abwende. Wer das sichere Glück eines wenn auch nur bescheidnen Lebenszweckes besitzt, überlege sichs wohl, ohne zwingenden Grund die Hand nach einem glänzendem, aber unsichern auszustrecken. Solche geistreiche Äußerungen reizen natürlich zum Widerspruch; aber auch die Widersprechenden lassen sich zu Übertreibungen hinreißen und fordern dadurch ihrerseits zu Entgegnungen heraus. Der eine fürchtet, die Frau werde durch vieles Lernen ihrem eigentlichen Beruf entfremdet, der andre geht schärfer ins Zeug und sagt: Für die Frau giebt es überhaupt nichts andres, als ihren sogenannten „eigentlichen Beruf." Beide variiren von ver- schiednen Gesichtspunkten aus Goethes zweite Epistel und begegnen sich in dem Schluß: Das Mädchen hat zu heiraten! Wer bestreitet wohl, daß „eine durchaus häusliche Erziehung der Töchter unter den Augen der Eltern für die Lebensbestimmung der Frau die geeignetste sei," vorausgesetzt, daß unter häuslich nicht verdünnend zu verstehen ist, und daß sie „das elterliche Hans nur an der Hand des Gatten verlassen sollte"? Wer aber verfügt über die fast überirdischen Kräfte, die man brauchte, um diesen Verlauf nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zur Regel zu machen? Viele Mädchen wachsen ohne Eltern oder doch ohne Mütter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/88>, abgerufen am 05.07.2024.