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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Die Lage Deutschlands in Afrika

Straßen lagern, hat man es möglich gemacht, die Kolonie ans eignen Mittel"
durch den Ertrag ihrer Zölle zu erhalten. Freilich schien damit unter den
gegebenen Verhältnissen das denkbar mögliche erreicht. Die Beeinträchtigung,
die der Handel durch das den Duallas gewährte Bermittlerprivileg erlitt, ließ
sich nicht abwende", wenn es nicht möglich wurde, jenseits des von ihnen
besetzten Striches in unmittelbare Beziehungen zu deu Stämmen zu trete",
die die eigentliche" Produzenten der Artikel sind, welche unsern Kaufleuten
zugehen, und die zugleich ein weites Absatzgebiet für unsre Industrie und unsern
Jmporthcindel bieten. Immer lästiger machten sich die der Schiffahrt höchst
ungünstigen Verhältnisse unsrer Landungsplätze im Kameruudelta geltend, die
Unmöglichkeit, zugleich bei dem Mangel eines Slips an beschädigten Fahr¬
zeugen Reparaturen vorzunehmen, wurde zu einer höchst kostspieligen Kalamität,
da mau genötigt war, bis nach Kapstadt zu fahren, wenn man einen Schaden
gründlich ausbessern wollte. Endlich hatte Deutschland durch seine Garantie
der Brüsseler Kongreßakte auch die Verpflichtungen übernommen, die die Akte
in Bezug auf die Verdrängung des Sklavenhandels allen in Afrika kvloni-
sirenden Nationen auflegt. Da nnn die Akte als Mittel zur Bekämpfung des
Sklavenhandels die Anlegung von Wegen ins Innere lind die Errichtung von
Stationen bezeichnet, so lagen in dieser Hinsicht sehr bestimmte Verpflichtungen
vor, denen Deutschland nachzukommen hatte. Aber es kam noch eine weitere
hochpolitische Erwägung hinzu, die unsrer Kvlonieleitung die Pflicht auf¬
erlegte, rasch und durchgreifend zu handeln.

Frankreich hat, im Gegensatz zu deu bei uus herrschenden Strömungen,
den von allgemeiner Begeisterung begleiteten Plan gesaßt, seine afrikanischen
Kolonien noch wesentlich zu erweitern, und zwar so, daß es vom Niger aus¬
gehend die Landschaft zwischeu dem Ubaughi und dem Tschadsee, das Bassin
des Schari und des Baghirmi erwirbt und von dort aus nach Süden und
Westen vordringend uns das Hinterland von Kamerun abnimmt, ehe uns noch
deutsche Pfadfinder dort Stellung nud Recht sichern. Nun liegt wohl auf der
Hand, daß ein Gelingen dieses Planes unserm Schutzgebiet in Kamerun die
Lebensadern unterbinden und den bereits gewonnenen Boden einem langsamen,
aber sichern Untergänge weihen würde. Zum Glück ist von dem Entschluß,
diese Gedanken in Angriff zu nehmen, bis zu ihrer thatsächlichen Durchführung
ein weiter Weg. Wenn auch Paul Crampel den Anfang gemacht und eben
jetzt das Ovale.0 alö l'^et'leine- lrg,in.!M8v Herrn Dybowski an den Senegal ge¬
sandt hat, damit er von dort ans weiter vordringe, verloren ist die Position
für uns noch keineswegs. Nur gilt es die Zeit zu nützen, die noch
übrig bleibt.

Mit Rücksicht auf all diese Dinge ist jener Nachtragsetat für Kamerun
an den Reichstag gegangen, der nach stürmischen Debatten im Plenum wie
in der Kommission endlich in der Abendsitznng des Reichstages am 8. Mai


Die Lage Deutschlands in Afrika

Straßen lagern, hat man es möglich gemacht, die Kolonie ans eignen Mittel»
durch den Ertrag ihrer Zölle zu erhalten. Freilich schien damit unter den
gegebenen Verhältnissen das denkbar mögliche erreicht. Die Beeinträchtigung,
die der Handel durch das den Duallas gewährte Bermittlerprivileg erlitt, ließ
sich nicht abwende», wenn es nicht möglich wurde, jenseits des von ihnen
besetzten Striches in unmittelbare Beziehungen zu deu Stämmen zu trete»,
die die eigentliche» Produzenten der Artikel sind, welche unsern Kaufleuten
zugehen, und die zugleich ein weites Absatzgebiet für unsre Industrie und unsern
Jmporthcindel bieten. Immer lästiger machten sich die der Schiffahrt höchst
ungünstigen Verhältnisse unsrer Landungsplätze im Kameruudelta geltend, die
Unmöglichkeit, zugleich bei dem Mangel eines Slips an beschädigten Fahr¬
zeugen Reparaturen vorzunehmen, wurde zu einer höchst kostspieligen Kalamität,
da mau genötigt war, bis nach Kapstadt zu fahren, wenn man einen Schaden
gründlich ausbessern wollte. Endlich hatte Deutschland durch seine Garantie
der Brüsseler Kongreßakte auch die Verpflichtungen übernommen, die die Akte
in Bezug auf die Verdrängung des Sklavenhandels allen in Afrika kvloni-
sirenden Nationen auflegt. Da nnn die Akte als Mittel zur Bekämpfung des
Sklavenhandels die Anlegung von Wegen ins Innere lind die Errichtung von
Stationen bezeichnet, so lagen in dieser Hinsicht sehr bestimmte Verpflichtungen
vor, denen Deutschland nachzukommen hatte. Aber es kam noch eine weitere
hochpolitische Erwägung hinzu, die unsrer Kvlonieleitung die Pflicht auf¬
erlegte, rasch und durchgreifend zu handeln.

Frankreich hat, im Gegensatz zu deu bei uus herrschenden Strömungen,
den von allgemeiner Begeisterung begleiteten Plan gesaßt, seine afrikanischen
Kolonien noch wesentlich zu erweitern, und zwar so, daß es vom Niger aus¬
gehend die Landschaft zwischeu dem Ubaughi und dem Tschadsee, das Bassin
des Schari und des Baghirmi erwirbt und von dort aus nach Süden und
Westen vordringend uns das Hinterland von Kamerun abnimmt, ehe uns noch
deutsche Pfadfinder dort Stellung nud Recht sichern. Nun liegt wohl auf der
Hand, daß ein Gelingen dieses Planes unserm Schutzgebiet in Kamerun die
Lebensadern unterbinden und den bereits gewonnenen Boden einem langsamen,
aber sichern Untergänge weihen würde. Zum Glück ist von dem Entschluß,
diese Gedanken in Angriff zu nehmen, bis zu ihrer thatsächlichen Durchführung
ein weiter Weg. Wenn auch Paul Crampel den Anfang gemacht und eben
jetzt das Ovale.0 alö l'^et'leine- lrg,in.!M8v Herrn Dybowski an den Senegal ge¬
sandt hat, damit er von dort ans weiter vordringe, verloren ist die Position
für uns noch keineswegs. Nur gilt es die Zeit zu nützen, die noch
übrig bleibt.

Mit Rücksicht auf all diese Dinge ist jener Nachtragsetat für Kamerun
an den Reichstag gegangen, der nach stürmischen Debatten im Plenum wie
in der Kommission endlich in der Abendsitznng des Reichstages am 8. Mai


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[0462] Die Lage Deutschlands in Afrika Straßen lagern, hat man es möglich gemacht, die Kolonie ans eignen Mittel» durch den Ertrag ihrer Zölle zu erhalten. Freilich schien damit unter den gegebenen Verhältnissen das denkbar mögliche erreicht. Die Beeinträchtigung, die der Handel durch das den Duallas gewährte Bermittlerprivileg erlitt, ließ sich nicht abwende», wenn es nicht möglich wurde, jenseits des von ihnen besetzten Striches in unmittelbare Beziehungen zu deu Stämmen zu trete», die die eigentliche» Produzenten der Artikel sind, welche unsern Kaufleuten zugehen, und die zugleich ein weites Absatzgebiet für unsre Industrie und unsern Jmporthcindel bieten. Immer lästiger machten sich die der Schiffahrt höchst ungünstigen Verhältnisse unsrer Landungsplätze im Kameruudelta geltend, die Unmöglichkeit, zugleich bei dem Mangel eines Slips an beschädigten Fahr¬ zeugen Reparaturen vorzunehmen, wurde zu einer höchst kostspieligen Kalamität, da mau genötigt war, bis nach Kapstadt zu fahren, wenn man einen Schaden gründlich ausbessern wollte. Endlich hatte Deutschland durch seine Garantie der Brüsseler Kongreßakte auch die Verpflichtungen übernommen, die die Akte in Bezug auf die Verdrängung des Sklavenhandels allen in Afrika kvloni- sirenden Nationen auflegt. Da nnn die Akte als Mittel zur Bekämpfung des Sklavenhandels die Anlegung von Wegen ins Innere lind die Errichtung von Stationen bezeichnet, so lagen in dieser Hinsicht sehr bestimmte Verpflichtungen vor, denen Deutschland nachzukommen hatte. Aber es kam noch eine weitere hochpolitische Erwägung hinzu, die unsrer Kvlonieleitung die Pflicht auf¬ erlegte, rasch und durchgreifend zu handeln. Frankreich hat, im Gegensatz zu deu bei uus herrschenden Strömungen, den von allgemeiner Begeisterung begleiteten Plan gesaßt, seine afrikanischen Kolonien noch wesentlich zu erweitern, und zwar so, daß es vom Niger aus¬ gehend die Landschaft zwischeu dem Ubaughi und dem Tschadsee, das Bassin des Schari und des Baghirmi erwirbt und von dort aus nach Süden und Westen vordringend uns das Hinterland von Kamerun abnimmt, ehe uns noch deutsche Pfadfinder dort Stellung nud Recht sichern. Nun liegt wohl auf der Hand, daß ein Gelingen dieses Planes unserm Schutzgebiet in Kamerun die Lebensadern unterbinden und den bereits gewonnenen Boden einem langsamen, aber sichern Untergänge weihen würde. Zum Glück ist von dem Entschluß, diese Gedanken in Angriff zu nehmen, bis zu ihrer thatsächlichen Durchführung ein weiter Weg. Wenn auch Paul Crampel den Anfang gemacht und eben jetzt das Ovale.0 alö l'^et'leine- lrg,in.!M8v Herrn Dybowski an den Senegal ge¬ sandt hat, damit er von dort ans weiter vordringe, verloren ist die Position für uns noch keineswegs. Nur gilt es die Zeit zu nützen, die noch übrig bleibt. Mit Rücksicht auf all diese Dinge ist jener Nachtragsetat für Kamerun an den Reichstag gegangen, der nach stürmischen Debatten im Plenum wie in der Kommission endlich in der Abendsitznng des Reichstages am 8. Mai

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/462>, abgerufen am 24.07.2024.