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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Arlieiterwcchumigen und Arbeilergrundliesitz

Ackerland zur Verfügung stellen und bei der Anlegung der Wohnhäuser darauf
sehen, daß auch Raum für Stallung von Hühnern, Ziegen u. s. w. geschaffen
wird. Ju dieser Richtung haben bekanntlich die Kruppscheu Werke in Essen
und die Union zu Dortmund trefflich gesorgt. Auch der Berliner Magistrat
hat eine zweckmäßige Einrichtung getroffen, dadurch, daß er um Berlin herum¬
liegende städtische Grundstücke in kleinen Parzellen an Arbeiter verpachtet.
Leider genügt nur diese nachahmenswerte Maßregel nicht dem vorhandenen
-Bedürfnis.

Die Forderung, den Arbeitern Hausgärten oder Ackerland zur Verfügung
zu stellen, ist gesundheitlich wie von sozialem und wirtschaftlichen Standpunkte
gleich berechtigt, ihre Erfüllung würde ohne Zweifel auf das körperliche und
geistige Leben der Arbeiter von großem Einfluß werde", aber auch in wirt¬
schaftlicher Hinsicht von den günstigsten Folgen begleitet sein. Anstatt, wie
es hente geschieht, uach Schluß der Arbeit die Kneipe aufzusuchen und auf
der Vierbauk zu Politisiren, würde sich künftig der Arbeiter, der über ein Ge-
müsegärtchcn oder ein Stück Ackerland verfügt, vom Frühjahr bis zum Herbst
täglich eine oder mehrere Stunden in gesunder Luft ergehen und mit seinen
Angehörigen einer zuträglichen und nützlichem Beschäftigung obliegen können,
die zur Erzeugung wertvoller Nahrungsmittel führen und somit auch eine bessere
Ernährung zur Folge haben wurde. Um die Bearbeitung und Pflege der
Arbeitcrgärteu zu fördern, empfiehlt es sich, daß von seiten der Arbeitgeber,
aber auch vou den fast in allen Städten bestehenden Garteubauvereiuen all¬
jährlich Prämien für die bestgepflegten Ärbeitergnrten verliehen, Preise für
darin gezognes Obst und Gemüse u. s. w. zuerkannt, gemeinverständliche
Schriftchen über Anlegung und Pflege der Gärten verfaßt und verteilt
werden u. s. w.

Beachtung verdienen auch die Bestrebungen, die darauf ausgehe", dein
Arbeiter einen kleinen, vielleicht ans Geflügel und Ziegen bestehenden Vieh¬
stand zu schaffen, der von den Gemüse- und Kartofselabfallen gefüttert werden
kann. In England hat sich vor mehreren Jahren eine Gesellschaft gebildet,
die dem in Kreisen der ärmern Bevölkerung üblichen Genusse abgerahmter,
minderwertiger Kuhmilch dadurch vorbeugt, daß sie gute Ziegen im Arbeiter¬
haushalte einzubürgern und die Ziegenzucht überhaupt auf jede Art und
Weise zu heben sucht. Die Begründung eines derartigen deutschen Vereins
möchte ich im Hinblick auf die Zersplitterung des Vereinswesens in Deutsch-
land nicht etwa befürworten; aber den landwirtschaftlichen Vereinen und der
deutschen Landwirtschaftsgesellschaft möchte ich warm empfehlen, Bestrebungen
wie die jener englischen Gesellschaft zu fördern und zu unterstützen.

Unter den Maßnahmen der Arbeiterwohlfahrtspflege nehme" zweifellos
die, die dem Arbeiter ein eignes Heim zu schaffen bezwecken, einen hervor¬
ragenden Platz ein. Freilich gilt es nicht nnr, dieses Heim zu schaffen, sondern


Arlieiterwcchumigen und Arbeilergrundliesitz

Ackerland zur Verfügung stellen und bei der Anlegung der Wohnhäuser darauf
sehen, daß auch Raum für Stallung von Hühnern, Ziegen u. s. w. geschaffen
wird. Ju dieser Richtung haben bekanntlich die Kruppscheu Werke in Essen
und die Union zu Dortmund trefflich gesorgt. Auch der Berliner Magistrat
hat eine zweckmäßige Einrichtung getroffen, dadurch, daß er um Berlin herum¬
liegende städtische Grundstücke in kleinen Parzellen an Arbeiter verpachtet.
Leider genügt nur diese nachahmenswerte Maßregel nicht dem vorhandenen
-Bedürfnis.

Die Forderung, den Arbeitern Hausgärten oder Ackerland zur Verfügung
zu stellen, ist gesundheitlich wie von sozialem und wirtschaftlichen Standpunkte
gleich berechtigt, ihre Erfüllung würde ohne Zweifel auf das körperliche und
geistige Leben der Arbeiter von großem Einfluß werde», aber auch in wirt¬
schaftlicher Hinsicht von den günstigsten Folgen begleitet sein. Anstatt, wie
es hente geschieht, uach Schluß der Arbeit die Kneipe aufzusuchen und auf
der Vierbauk zu Politisiren, würde sich künftig der Arbeiter, der über ein Ge-
müsegärtchcn oder ein Stück Ackerland verfügt, vom Frühjahr bis zum Herbst
täglich eine oder mehrere Stunden in gesunder Luft ergehen und mit seinen
Angehörigen einer zuträglichen und nützlichem Beschäftigung obliegen können,
die zur Erzeugung wertvoller Nahrungsmittel führen und somit auch eine bessere
Ernährung zur Folge haben wurde. Um die Bearbeitung und Pflege der
Arbeitcrgärteu zu fördern, empfiehlt es sich, daß von seiten der Arbeitgeber,
aber auch vou den fast in allen Städten bestehenden Garteubauvereiuen all¬
jährlich Prämien für die bestgepflegten Ärbeitergnrten verliehen, Preise für
darin gezognes Obst und Gemüse u. s. w. zuerkannt, gemeinverständliche
Schriftchen über Anlegung und Pflege der Gärten verfaßt und verteilt
werden u. s. w.

Beachtung verdienen auch die Bestrebungen, die darauf ausgehe», dein
Arbeiter einen kleinen, vielleicht ans Geflügel und Ziegen bestehenden Vieh¬
stand zu schaffen, der von den Gemüse- und Kartofselabfallen gefüttert werden
kann. In England hat sich vor mehreren Jahren eine Gesellschaft gebildet,
die dem in Kreisen der ärmern Bevölkerung üblichen Genusse abgerahmter,
minderwertiger Kuhmilch dadurch vorbeugt, daß sie gute Ziegen im Arbeiter¬
haushalte einzubürgern und die Ziegenzucht überhaupt auf jede Art und
Weise zu heben sucht. Die Begründung eines derartigen deutschen Vereins
möchte ich im Hinblick auf die Zersplitterung des Vereinswesens in Deutsch-
land nicht etwa befürworten; aber den landwirtschaftlichen Vereinen und der
deutschen Landwirtschaftsgesellschaft möchte ich warm empfehlen, Bestrebungen
wie die jener englischen Gesellschaft zu fördern und zu unterstützen.

Unter den Maßnahmen der Arbeiterwohlfahrtspflege nehme» zweifellos
die, die dem Arbeiter ein eignes Heim zu schaffen bezwecken, einen hervor¬
ragenden Platz ein. Freilich gilt es nicht nnr, dieses Heim zu schaffen, sondern


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[0417] Arlieiterwcchumigen und Arbeilergrundliesitz Ackerland zur Verfügung stellen und bei der Anlegung der Wohnhäuser darauf sehen, daß auch Raum für Stallung von Hühnern, Ziegen u. s. w. geschaffen wird. Ju dieser Richtung haben bekanntlich die Kruppscheu Werke in Essen und die Union zu Dortmund trefflich gesorgt. Auch der Berliner Magistrat hat eine zweckmäßige Einrichtung getroffen, dadurch, daß er um Berlin herum¬ liegende städtische Grundstücke in kleinen Parzellen an Arbeiter verpachtet. Leider genügt nur diese nachahmenswerte Maßregel nicht dem vorhandenen -Bedürfnis. Die Forderung, den Arbeitern Hausgärten oder Ackerland zur Verfügung zu stellen, ist gesundheitlich wie von sozialem und wirtschaftlichen Standpunkte gleich berechtigt, ihre Erfüllung würde ohne Zweifel auf das körperliche und geistige Leben der Arbeiter von großem Einfluß werde», aber auch in wirt¬ schaftlicher Hinsicht von den günstigsten Folgen begleitet sein. Anstatt, wie es hente geschieht, uach Schluß der Arbeit die Kneipe aufzusuchen und auf der Vierbauk zu Politisiren, würde sich künftig der Arbeiter, der über ein Ge- müsegärtchcn oder ein Stück Ackerland verfügt, vom Frühjahr bis zum Herbst täglich eine oder mehrere Stunden in gesunder Luft ergehen und mit seinen Angehörigen einer zuträglichen und nützlichem Beschäftigung obliegen können, die zur Erzeugung wertvoller Nahrungsmittel führen und somit auch eine bessere Ernährung zur Folge haben wurde. Um die Bearbeitung und Pflege der Arbeitcrgärteu zu fördern, empfiehlt es sich, daß von seiten der Arbeitgeber, aber auch vou den fast in allen Städten bestehenden Garteubauvereiuen all¬ jährlich Prämien für die bestgepflegten Ärbeitergnrten verliehen, Preise für darin gezognes Obst und Gemüse u. s. w. zuerkannt, gemeinverständliche Schriftchen über Anlegung und Pflege der Gärten verfaßt und verteilt werden u. s. w. Beachtung verdienen auch die Bestrebungen, die darauf ausgehe», dein Arbeiter einen kleinen, vielleicht ans Geflügel und Ziegen bestehenden Vieh¬ stand zu schaffen, der von den Gemüse- und Kartofselabfallen gefüttert werden kann. In England hat sich vor mehreren Jahren eine Gesellschaft gebildet, die dem in Kreisen der ärmern Bevölkerung üblichen Genusse abgerahmter, minderwertiger Kuhmilch dadurch vorbeugt, daß sie gute Ziegen im Arbeiter¬ haushalte einzubürgern und die Ziegenzucht überhaupt auf jede Art und Weise zu heben sucht. Die Begründung eines derartigen deutschen Vereins möchte ich im Hinblick auf die Zersplitterung des Vereinswesens in Deutsch- land nicht etwa befürworten; aber den landwirtschaftlichen Vereinen und der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft möchte ich warm empfehlen, Bestrebungen wie die jener englischen Gesellschaft zu fördern und zu unterstützen. Unter den Maßnahmen der Arbeiterwohlfahrtspflege nehme» zweifellos die, die dem Arbeiter ein eignes Heim zu schaffen bezwecken, einen hervor¬ ragenden Platz ein. Freilich gilt es nicht nnr, dieses Heim zu schaffen, sondern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/417>, abgerufen am 27.08.2024.