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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Schopenhauer isclivivu-i

das Persönliche anlangt, so gönnen wir den Professoren die Grobheiten, die
ihnen der grimmige Pessimist an den Kopf geworfen hat, als gute Christen,
weil ihnen nämlich der Zustand der Aufblähung, in dem sie sich gewöhnlich
befinden, beim Eingehen durch die enge Pforte sehr hinderlich sein wurde, wenn
sie nicht vorher ein wenig gedemütigt worden wären.

Soll der Mensch sich rühren, streben und arbeiten ^ das ist unser Schluß-
urteil über den Pessimismus -- so muß er etwas Gutes hoffen, sei es im
Diesseits oder im Jenseits. Wer ihm alle Hoffnung nimmt, der ist ein Ver¬
brecher; erst durch Mutlosigkeit und Thntlosigkeit versinkt ein Volk in jenes
Elend, das die Pessimisten auszumalen lieben. Angenommen auch, sie hätten
Philosophisch das Richtige getroffen, so wäre dieses Richtige nicht jene Wahr¬
heit, die anzuerkennen und zu verbreiten der Wahrheitssinn uns verpflichtete;
ist das Leben, ist die Weltgeschichte, wie Schopenhauer behauptet, nur ein
wüster Traum, daun ist alle Erkenntnis wertlos und jeder Unterschied zwischen
Wahrheit und Irrtum hinfällig. Das Mitleid, das nach Schopenhauer die
einzige Quelle des sittlich Guten ist, Hütte ihn eigentlich verpflichtet, sich einen
Mühlstein an den Hals zu hängen und sich samt der gräßlichen Wahrheit, die
er entdeckt zu haben glaubte, ins Meer versenken zu lassen, wo es am tiefsten ist.

Zum Schluß uoch ein paar Worte über die Aufgabe von Brasch. Aus¬
wahl und Anordnung verdienen Beifall. Der Herausgeber schickt drei kleinere
Aufsätze voran, die geeignet sind, in die Philosophie einzuführen, läßt daun
die erkenntnistheoretische Schrift über die "vierfache Wurzel" folgen und fügt
jedem der vier Teile des Hauptwerkes (Die Welt als Wille und Borstellung)
die ihn ergänzenden Schriften bei, sodaß sich die natürliche Einteilung des
Ganzen in Erkenntnislehre, Metaphysik, Naturphilosophie, Ästhetik und Ethik
ergiebt. Ju den Einleitungen und Anmerkungen wird an Schopenhauers An¬
sichten maßvoll und zurückhaltend Kritik geübt, und es kommen mich seine
Gegner zum Wort; noch besser freilich wäre es, wenn das Schädliche in
Schopenhauers Lehre widerlegt und mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen
würde. Druckfehler sind leider nicht selten; einige davon haben wir angemerkt.
Band 1, S. XX steht niörrv für rug-rr^; S. 197 ^ä>°g für ^ö-o; (die Accente
sind in den griechischen Zitaten meist, aber nicht immer weggelassen worden,
eine Praxis, die zur Vermeidung von Druck- und Schreibfehlern auch ander¬
wärts, z. B. beim griechischen Spezimen, sehr zu empfehlen wäre); S. 217
on^v für ouTsv; S. 473 zweimal norv für iisrvö (englisch) und komplilirte
Mr komplizirte; S. 477 äötvrmucznt für ävioriuinsut, auch fehlt vor 8triot"
vbsgrvation der Artikel; S. 568 TrW^o^ für nK-^oz; S. 716 -rü^roof für
^p"of; Bund 2, S. 16 hat vor "T^ca-l)""-, das Komma wegzufallen; S. 60
steht "dieses Alters" für "dieses Alles"; S. 369 fehlt zwischen 20 und
Pfund wahrscheinlich das Wort Millionen.




Grenzboten 1t 1891
Schopenhauer isclivivu-i

das Persönliche anlangt, so gönnen wir den Professoren die Grobheiten, die
ihnen der grimmige Pessimist an den Kopf geworfen hat, als gute Christen,
weil ihnen nämlich der Zustand der Aufblähung, in dem sie sich gewöhnlich
befinden, beim Eingehen durch die enge Pforte sehr hinderlich sein wurde, wenn
sie nicht vorher ein wenig gedemütigt worden wären.

Soll der Mensch sich rühren, streben und arbeiten ^ das ist unser Schluß-
urteil über den Pessimismus — so muß er etwas Gutes hoffen, sei es im
Diesseits oder im Jenseits. Wer ihm alle Hoffnung nimmt, der ist ein Ver¬
brecher; erst durch Mutlosigkeit und Thntlosigkeit versinkt ein Volk in jenes
Elend, das die Pessimisten auszumalen lieben. Angenommen auch, sie hätten
Philosophisch das Richtige getroffen, so wäre dieses Richtige nicht jene Wahr¬
heit, die anzuerkennen und zu verbreiten der Wahrheitssinn uns verpflichtete;
ist das Leben, ist die Weltgeschichte, wie Schopenhauer behauptet, nur ein
wüster Traum, daun ist alle Erkenntnis wertlos und jeder Unterschied zwischen
Wahrheit und Irrtum hinfällig. Das Mitleid, das nach Schopenhauer die
einzige Quelle des sittlich Guten ist, Hütte ihn eigentlich verpflichtet, sich einen
Mühlstein an den Hals zu hängen und sich samt der gräßlichen Wahrheit, die
er entdeckt zu haben glaubte, ins Meer versenken zu lassen, wo es am tiefsten ist.

Zum Schluß uoch ein paar Worte über die Aufgabe von Brasch. Aus¬
wahl und Anordnung verdienen Beifall. Der Herausgeber schickt drei kleinere
Aufsätze voran, die geeignet sind, in die Philosophie einzuführen, läßt daun
die erkenntnistheoretische Schrift über die „vierfache Wurzel" folgen und fügt
jedem der vier Teile des Hauptwerkes (Die Welt als Wille und Borstellung)
die ihn ergänzenden Schriften bei, sodaß sich die natürliche Einteilung des
Ganzen in Erkenntnislehre, Metaphysik, Naturphilosophie, Ästhetik und Ethik
ergiebt. Ju den Einleitungen und Anmerkungen wird an Schopenhauers An¬
sichten maßvoll und zurückhaltend Kritik geübt, und es kommen mich seine
Gegner zum Wort; noch besser freilich wäre es, wenn das Schädliche in
Schopenhauers Lehre widerlegt und mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen
würde. Druckfehler sind leider nicht selten; einige davon haben wir angemerkt.
Band 1, S. XX steht niörrv für rug-rr^; S. 197 ^ä>°g für ^ö-o; (die Accente
sind in den griechischen Zitaten meist, aber nicht immer weggelassen worden,
eine Praxis, die zur Vermeidung von Druck- und Schreibfehlern auch ander¬
wärts, z. B. beim griechischen Spezimen, sehr zu empfehlen wäre); S. 217
on^v für ouTsv; S. 473 zweimal norv für iisrvö (englisch) und komplilirte
Mr komplizirte; S. 477 äötvrmucznt für ävioriuinsut, auch fehlt vor 8triot«
vbsgrvation der Artikel; S. 568 TrW^o^ für nK-^oz; S. 716 -rü^roof für
^p«of; Bund 2, S. 16 hat vor «T^ca-l)««-, das Komma wegzufallen; S. 60
steht „dieses Alters" für „dieses Alles"; S. 369 fehlt zwischen 20 und
Pfund wahrscheinlich das Wort Millionen.




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[0041] Schopenhauer isclivivu-i das Persönliche anlangt, so gönnen wir den Professoren die Grobheiten, die ihnen der grimmige Pessimist an den Kopf geworfen hat, als gute Christen, weil ihnen nämlich der Zustand der Aufblähung, in dem sie sich gewöhnlich befinden, beim Eingehen durch die enge Pforte sehr hinderlich sein wurde, wenn sie nicht vorher ein wenig gedemütigt worden wären. Soll der Mensch sich rühren, streben und arbeiten ^ das ist unser Schluß- urteil über den Pessimismus — so muß er etwas Gutes hoffen, sei es im Diesseits oder im Jenseits. Wer ihm alle Hoffnung nimmt, der ist ein Ver¬ brecher; erst durch Mutlosigkeit und Thntlosigkeit versinkt ein Volk in jenes Elend, das die Pessimisten auszumalen lieben. Angenommen auch, sie hätten Philosophisch das Richtige getroffen, so wäre dieses Richtige nicht jene Wahr¬ heit, die anzuerkennen und zu verbreiten der Wahrheitssinn uns verpflichtete; ist das Leben, ist die Weltgeschichte, wie Schopenhauer behauptet, nur ein wüster Traum, daun ist alle Erkenntnis wertlos und jeder Unterschied zwischen Wahrheit und Irrtum hinfällig. Das Mitleid, das nach Schopenhauer die einzige Quelle des sittlich Guten ist, Hütte ihn eigentlich verpflichtet, sich einen Mühlstein an den Hals zu hängen und sich samt der gräßlichen Wahrheit, die er entdeckt zu haben glaubte, ins Meer versenken zu lassen, wo es am tiefsten ist. Zum Schluß uoch ein paar Worte über die Aufgabe von Brasch. Aus¬ wahl und Anordnung verdienen Beifall. Der Herausgeber schickt drei kleinere Aufsätze voran, die geeignet sind, in die Philosophie einzuführen, läßt daun die erkenntnistheoretische Schrift über die „vierfache Wurzel" folgen und fügt jedem der vier Teile des Hauptwerkes (Die Welt als Wille und Borstellung) die ihn ergänzenden Schriften bei, sodaß sich die natürliche Einteilung des Ganzen in Erkenntnislehre, Metaphysik, Naturphilosophie, Ästhetik und Ethik ergiebt. Ju den Einleitungen und Anmerkungen wird an Schopenhauers An¬ sichten maßvoll und zurückhaltend Kritik geübt, und es kommen mich seine Gegner zum Wort; noch besser freilich wäre es, wenn das Schädliche in Schopenhauers Lehre widerlegt und mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen würde. Druckfehler sind leider nicht selten; einige davon haben wir angemerkt. Band 1, S. XX steht niörrv für rug-rr^; S. 197 ^ä>°g für ^ö-o; (die Accente sind in den griechischen Zitaten meist, aber nicht immer weggelassen worden, eine Praxis, die zur Vermeidung von Druck- und Schreibfehlern auch ander¬ wärts, z. B. beim griechischen Spezimen, sehr zu empfehlen wäre); S. 217 on^v für ouTsv; S. 473 zweimal norv für iisrvö (englisch) und komplilirte Mr komplizirte; S. 477 äötvrmucznt für ävioriuinsut, auch fehlt vor 8triot« vbsgrvation der Artikel; S. 568 TrW^o^ für nK-^oz; S. 716 -rü^roof für ^p«of; Bund 2, S. 16 hat vor «T^ca-l)««-, das Komma wegzufallen; S. 60 steht „dieses Alters" für „dieses Alles"; S. 369 fehlt zwischen 20 und Pfund wahrscheinlich das Wort Millionen. Grenzboten 1t 1891

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/41>, abgerufen am 24.07.2024.