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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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vor aus der Familie der Medoutideu genommen wurde, an die Seite gestellt
worden, wie Aristoteles sagt, weil einige der Könige sich unkriegerisch gezeigt
hatten, der Archont, wie wir vermuten, um den König in der Handhabung der
Regierung zu unterstützen und zu vertreten. Diese Beschränkung der Macht
des Königs durch den Kriegsobersten und den Regenten, denen der Majordomus
im Hause der Merowinger verglichen werden kann, führte schließlich dazu, das;
der Archont an die Spitze des Negierungskolleginms trat, der König an die
zweite, der Pvlemarch an die dritte Stelle rückte. Dies geschah wahrscheinlich
gleichzeitig mit der Beschränkung der Regiernugsdauer für alle drei Beamte
auf zehn Jahre; später traten hinzu die von Anfang an für einjährige Amts¬
führung gewählten Thesmotheten, die nach Aristoteles ursprünglich befugt
waren die Rechtssachen endgiltig zu entscheiden, nicht, wie später, lediglich die
Voruntersuchung zu leiten. Mit der Ausdehnung der einjährigen Amtsdauer
mich auf die drei frühern Beamten und mit der Übertragung des Amtstitels
von dem eigentlichen Archonten, nach dem das Jahr benannt wurde, auf die
übrigen acht ist der Übergang von der Königsherrschaft zur Regierung der
neun Archonten vollzöge,?.

Neues lehrt Aristoteles auch über den athenischen Areopag; namentlich
interessiren uns die dabei deutlicher hervortretenden Analogien zwischen dem
Areopag und dein römischen Senat. In den Areopag traten die Archonten
"ach ihrem Nmtsjahre, wie die römischen Magistrate in den Senat; der Areopag
wurde dadurch, wie der römische Senat, zum Mittelpunkte der politischen Er¬
fahrung und erhielt, wie jeuer, dadurch daß seine Mitglieder lebenslänglich in
ihm verblieben, über die jährlich Wechselnden Beamten ein Übergewicht poli¬
tischen Einflusses. Die seit Solon wachsende Macht des Rates und der Volks¬
versammlung, später der Gerichtshöfe, beschränkt den Areopag nach und nach,
aber Aristoteles erzählt uns, was wir noch nicht wußten, daß nach den Perser¬
kriegen sein Einfluß noch einmal mächtig ausgelebt sei. Denn ihm hüllen die
Bürger den Sieg bei Salamis gedankt. Vor der Schlacht hätten die Feld¬
herren in Athen deu Kopf verloren; jeder möge sich retten, so gut er könne,
hätten sie in der Stadt ausrufen lassen. Da habe sich der Areopag ius Mittel
geschlagen. Er habe, im Besitze geuttgeuder Geldmittel, jedem, der zu Schiff
gehen wollte, acht Drachmen einhändigen lassen und so für die genügende
Bemannung der Flotte gesorgt, mit der der Sieg errungen worden sei.

Völlig nen wird der Sturz des Areopags durch Ephialtes dargestellt.
Themistokles, jeuer wunderbare Mnuu, der die glänzendsten und dunkelsten
Seiten des hellenischen Volkscharakters in seiner Person vereinigte, war nach
Aristoteles der Haupturheber. Selbst Arevpagit, hatte er vor dem Forum
des Areopags eine Klage zu gewärtigen wegen verräterischer Beziehungen zum
Perserlönige. Um der Klage zu entgehe", stürzt er deu Areopag, und benutzt
den Ephialtes dabei zum Werkzeuge. Er raunt ihm zu: "Der Areopag hat


Grenzten II 18N1 ,-!

vor aus der Familie der Medoutideu genommen wurde, an die Seite gestellt
worden, wie Aristoteles sagt, weil einige der Könige sich unkriegerisch gezeigt
hatten, der Archont, wie wir vermuten, um den König in der Handhabung der
Regierung zu unterstützen und zu vertreten. Diese Beschränkung der Macht
des Königs durch den Kriegsobersten und den Regenten, denen der Majordomus
im Hause der Merowinger verglichen werden kann, führte schließlich dazu, das;
der Archont an die Spitze des Negierungskolleginms trat, der König an die
zweite, der Pvlemarch an die dritte Stelle rückte. Dies geschah wahrscheinlich
gleichzeitig mit der Beschränkung der Regiernugsdauer für alle drei Beamte
auf zehn Jahre; später traten hinzu die von Anfang an für einjährige Amts¬
führung gewählten Thesmotheten, die nach Aristoteles ursprünglich befugt
waren die Rechtssachen endgiltig zu entscheiden, nicht, wie später, lediglich die
Voruntersuchung zu leiten. Mit der Ausdehnung der einjährigen Amtsdauer
mich auf die drei frühern Beamten und mit der Übertragung des Amtstitels
von dem eigentlichen Archonten, nach dem das Jahr benannt wurde, auf die
übrigen acht ist der Übergang von der Königsherrschaft zur Regierung der
neun Archonten vollzöge,?.

Neues lehrt Aristoteles auch über den athenischen Areopag; namentlich
interessiren uns die dabei deutlicher hervortretenden Analogien zwischen dem
Areopag und dein römischen Senat. In den Areopag traten die Archonten
»ach ihrem Nmtsjahre, wie die römischen Magistrate in den Senat; der Areopag
wurde dadurch, wie der römische Senat, zum Mittelpunkte der politischen Er¬
fahrung und erhielt, wie jeuer, dadurch daß seine Mitglieder lebenslänglich in
ihm verblieben, über die jährlich Wechselnden Beamten ein Übergewicht poli¬
tischen Einflusses. Die seit Solon wachsende Macht des Rates und der Volks¬
versammlung, später der Gerichtshöfe, beschränkt den Areopag nach und nach,
aber Aristoteles erzählt uns, was wir noch nicht wußten, daß nach den Perser¬
kriegen sein Einfluß noch einmal mächtig ausgelebt sei. Denn ihm hüllen die
Bürger den Sieg bei Salamis gedankt. Vor der Schlacht hätten die Feld¬
herren in Athen deu Kopf verloren; jeder möge sich retten, so gut er könne,
hätten sie in der Stadt ausrufen lassen. Da habe sich der Areopag ius Mittel
geschlagen. Er habe, im Besitze geuttgeuder Geldmittel, jedem, der zu Schiff
gehen wollte, acht Drachmen einhändigen lassen und so für die genügende
Bemannung der Flotte gesorgt, mit der der Sieg errungen worden sei.

Völlig nen wird der Sturz des Areopags durch Ephialtes dargestellt.
Themistokles, jeuer wunderbare Mnuu, der die glänzendsten und dunkelsten
Seiten des hellenischen Volkscharakters in seiner Person vereinigte, war nach
Aristoteles der Haupturheber. Selbst Arevpagit, hatte er vor dem Forum
des Areopags eine Klage zu gewärtigen wegen verräterischer Beziehungen zum
Perserlönige. Um der Klage zu entgehe«, stürzt er deu Areopag, und benutzt
den Ephialtes dabei zum Werkzeuge. Er raunt ihm zu: „Der Areopag hat


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/25>, abgerufen am 04.07.2024.