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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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bei widrigem Geschick zu zeigen oder sich gar zu Zank und Streit verleiten
zu lassen, ist des feinen Mannes unwürdig. "Wer so geartet ist, spiele lieber
gar nicht, man muß im Gewinnen und Verlieren eine luoclests Bezeigung
blicken lassen." Für Komplimente, mit denen man eine Einladung annimmt,
werden Musterbeispiele aufgestellt. Besonders bemerkenswert und gewiß
manchem heutigen Spieler ans der Seele geschrieben sind des Verfassers
Äußerungen über das unerquickliche KaiMnnirLn nach dem Spiele. Es sind
damit die überflüssigem Betrachtungen gemeint, die nach dem heutigen Sprach¬
gebrauche als ,,Leiche"predigten" ein gefürchtetes Schrecknis des Spieltischs
bilden. "Das l^üsoimirvn, welches sich einige angewohnt haben, wenn ein
Spiel vorbey ist, will mir auch nicht gefallen: deun bisweilen kan es mancher
als eine L.<zxrilli"r>6s aufnehmen und sich darüber mmiuiröin Wenn die Herren
vom Rathhause kommen sind sie am klügsten. Aber vorher weiß es keiner
besser als der andere. Ja! sängt etwa einer an, wenn Nousivur Lebet Hütte
Schellen gegeben und Herr Niepel hätte gestochen, so möchte ich es wohl ge¬
wonnen haben- Ja freilich! 81 ni8t non 0L8se, rmlltu. <Z8"vnd. Und also
kan nicht sehn, zu was das Laisomiiron helfe, denn es kömmt meistenteils
auf ein wenn an. Kurtz wer spielen will, spiele mit den Händen, nicht mit
dem Maule, so ist aller Streit gehoben." Im Spiel mit Höhergestellten hat
mau sich möglichster Liebenswürdigkeit zu befleißigen. "Wir müssen uns überall
bemühen -- so lautet der auch für Spieler sehr nützliche Grundsatz dieses Kom-
plimentirjahrhunderts --, vornehmen Leuten eine l^loris zu machen, sintemal
uns solches in beliebte Qrn.00 setzet." Absichtlich so zu spielen, daß man ver¬
wert, gilt auch dein galanten Ethiker als verkehrt und lächerlich. Andauerndes
Spielnnglück trägt man mit Würde; wird es zu toll, so ist es gestattet, sich
"ut höflicher Vezeiguug vom Spieltische zu empfehlen. Hat man wenigstens
den Trost, eine Dame durch seinen Verlust glücklich gemacht zu haben, so
kann man mit folgendem Kompliment den ehrenvollen Rückzug antreten. "Weil
denn N-iÄLmoissIlö Geschicklichkeit im Spielen so groß, daß ich mich billig
nicht Hütte unterstehen sollen, mit Ihnen anzubinden, Als sage vor so hohe
genossene Ehre in verbuudenstem Gehorsam unterthänigen Dank und rsoamiimmlire
mich zu geneigtesten Andenken."

Indem so das L'Hombrespiel zur Schule der Selbstbeherrschung wurde,
hatte es den Höhepunkt gesellschaftlicher Vollkommenheit erreicht. Seine
Herrlichkeit ist denn auch bis in unsre Tage herein in Ansetzn geblieben, ehe
die Massenverbreitung des Slates, in dessen Zeichen unser Zeitalter steht,
ihm den Todesstoß versetzte. Eins hat sich aber schon im Laufe des acht¬
zehnten Jahrhunderts geändert: das Spiel hörte allmählich ans, die große
Angelegenheit weiblicher Herzen zu bilden. Damit verliert es aber für die
historische Betrachtung, die gerade darin ein charakteristisches Merkmal der
Rvkokvkültnr erblicken mußte, deu Reiz. Mochte es auch in den Kreisen der


bei widrigem Geschick zu zeigen oder sich gar zu Zank und Streit verleiten
zu lassen, ist des feinen Mannes unwürdig. „Wer so geartet ist, spiele lieber
gar nicht, man muß im Gewinnen und Verlieren eine luoclests Bezeigung
blicken lassen." Für Komplimente, mit denen man eine Einladung annimmt,
werden Musterbeispiele aufgestellt. Besonders bemerkenswert und gewiß
manchem heutigen Spieler ans der Seele geschrieben sind des Verfassers
Äußerungen über das unerquickliche KaiMnnirLn nach dem Spiele. Es sind
damit die überflüssigem Betrachtungen gemeint, die nach dem heutigen Sprach¬
gebrauche als ,,Leiche»predigten" ein gefürchtetes Schrecknis des Spieltischs
bilden. „Das l^üsoimirvn, welches sich einige angewohnt haben, wenn ein
Spiel vorbey ist, will mir auch nicht gefallen: deun bisweilen kan es mancher
als eine L.<zxrilli»r>6s aufnehmen und sich darüber mmiuiröin Wenn die Herren
vom Rathhause kommen sind sie am klügsten. Aber vorher weiß es keiner
besser als der andere. Ja! sängt etwa einer an, wenn Nousivur Lebet Hütte
Schellen gegeben und Herr Niepel hätte gestochen, so möchte ich es wohl ge¬
wonnen haben- Ja freilich! 81 ni8t non 0L8se, rmlltu. <Z8«vnd. Und also
kan nicht sehn, zu was das Laisomiiron helfe, denn es kömmt meistenteils
auf ein wenn an. Kurtz wer spielen will, spiele mit den Händen, nicht mit
dem Maule, so ist aller Streit gehoben." Im Spiel mit Höhergestellten hat
mau sich möglichster Liebenswürdigkeit zu befleißigen. „Wir müssen uns überall
bemühen — so lautet der auch für Spieler sehr nützliche Grundsatz dieses Kom-
plimentirjahrhunderts —, vornehmen Leuten eine l^loris zu machen, sintemal
uns solches in beliebte Qrn.00 setzet." Absichtlich so zu spielen, daß man ver¬
wert, gilt auch dein galanten Ethiker als verkehrt und lächerlich. Andauerndes
Spielnnglück trägt man mit Würde; wird es zu toll, so ist es gestattet, sich
"ut höflicher Vezeiguug vom Spieltische zu empfehlen. Hat man wenigstens
den Trost, eine Dame durch seinen Verlust glücklich gemacht zu haben, so
kann man mit folgendem Kompliment den ehrenvollen Rückzug antreten. „Weil
denn N-iÄLmoissIlö Geschicklichkeit im Spielen so groß, daß ich mich billig
nicht Hütte unterstehen sollen, mit Ihnen anzubinden, Als sage vor so hohe
genossene Ehre in verbuudenstem Gehorsam unterthänigen Dank und rsoamiimmlire
mich zu geneigtesten Andenken."

Indem so das L'Hombrespiel zur Schule der Selbstbeherrschung wurde,
hatte es den Höhepunkt gesellschaftlicher Vollkommenheit erreicht. Seine
Herrlichkeit ist denn auch bis in unsre Tage herein in Ansetzn geblieben, ehe
die Massenverbreitung des Slates, in dessen Zeichen unser Zeitalter steht,
ihm den Todesstoß versetzte. Eins hat sich aber schon im Laufe des acht¬
zehnten Jahrhunderts geändert: das Spiel hörte allmählich ans, die große
Angelegenheit weiblicher Herzen zu bilden. Damit verliert es aber für die
historische Betrachtung, die gerade darin ein charakteristisches Merkmal der
Rvkokvkültnr erblicken mußte, deu Reiz. Mochte es auch in den Kreisen der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/209>, abgerufen am 24.07.2024.