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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Rokokostudieii

läppischen Ausartungen Anlaß, die mit der Würde des Spiels nicht vereinbar
waren und mit Recht gerügt wurden. "Der verliebte Amyntas, so äußern sich
die "Vernünftigen Tadlerinnen" entrüstet, spielt mit seiner Amaryllis. Er wirft
die besten Trümpfe weg, die er in den Händen hat, er handelt wider alle
Regeln des Spiels, nnr damit seine Gebieterin das Vergnügen haben möge,
sein Geld zu gewinnen. Seine Thorheit ist offenbar, ihre hingegen kann auch
leicht entdeckt werden. Amaryllis muß sehr einfältig sein, wenn sie sich in
einem Spiel ergehen kann, da ihr Gegenpart muthwillig blind ist."

Bei größern geselligen Vereinigungen, den Compagnien oder Assembleen,
Scharte sich ein großer Teil der Geladenen um die Spieltische, deren verschieden¬
artige Besetzung das Aussehen der bunten Gesellschaft bestimmte. Dn die
strenge Form des L'Hvmbre nur drei Spieler kannte, so ergaben sich von selbst
zwei Möglichkeiten: entweder spielte eine Dame mit zwei Herren oder ein Herr
mit zwei Damen. Die erste Verbindung hatte als Doppelgalanteriespiel be¬
sondern Reiz. In dieser Besetzung erscheint der L'Hombretisch in Popes
"Lockenraub." Im dritten Gesänge widmet der Dichter eine Reihe geschmeidiger
Verse der Schilderung eines Solo in Pique, das Belinde, die Heldin des
Liedes, gegen zwei Lords siegreich durchführt. Die Verteilung der Karten in
den Händen der Spieler läßt sich deutlich erkennen. Das Natürlichste war,
daß zwei Paare an dem Spieltische zusammenkamen. Dies macht die große
Beliebtheit erklärlich, deren sich das L'Hombre zu Vieren, die Quadrille, erfreute.

Bei der Bedeutung des Spiels in dem Rahmen der Gesellschaftsfreuden
des Rokoko mußte die im Eifer des Spiels leicht gefährdete Wahrung artiger
Formen ein besonders erfreuliches Merkmal des vollkommenen Gesellschafts¬
menschen bilden. Der gute Ton am Spieltisch erscheint daher als ein wichtiges
Kapitel in den der Beförderung galanten Benehmens gewidmeten Lehrbüchern
der Zeit. Joh. Chr. Barths (lcüantö MKWg, giebt eine Reihe von Winken,
die zum Teil anch heute noch sehr beherzigenswert sind. "Wer sich in
^sscimdlvo begeben will, heißt es hier, muß entweder eine galante Geschick-
lichkeit im Tantzen oder einen reichen Beutel im Spielen zeigen; besitzet er
beydes, desto besser, vermag er ober von beyden nichts, so will ich lieber
rathen, daß er davon bleibe und einen andern, der es besser kann, dran lasse."
Für viele war die Aussicht, durch Geschicklichkeit im Spiel sich den Weg zur
Gunst eines Patrons oder einer Patronin zu bahnen, ein mächtiger Sporn.
Bei der Schilderung des ehrgeizigen Studenten, des Strebers, der sich zum
weltmännischen Mustermenschen ausbilden will, hebt Thomnsins diesen Zug
besonders hervor. "Dem Spielen ist er nicht sehr ergeben, wiewohl er alle
Spiele leicht begreift, auch fast alle Spiele kann, damit er sich bei großen
Herren oder Frauen dadurch in Ansehen bringe."

Als oberstes Spielgesetz stellt Vnrth die Forderung ans: "Wer spielen
will, muß nicht xassiomröt seyn, und dies ist die Hauptregel." Mißmut


Rokokostudieii

läppischen Ausartungen Anlaß, die mit der Würde des Spiels nicht vereinbar
waren und mit Recht gerügt wurden. „Der verliebte Amyntas, so äußern sich
die „Vernünftigen Tadlerinnen" entrüstet, spielt mit seiner Amaryllis. Er wirft
die besten Trümpfe weg, die er in den Händen hat, er handelt wider alle
Regeln des Spiels, nnr damit seine Gebieterin das Vergnügen haben möge,
sein Geld zu gewinnen. Seine Thorheit ist offenbar, ihre hingegen kann auch
leicht entdeckt werden. Amaryllis muß sehr einfältig sein, wenn sie sich in
einem Spiel ergehen kann, da ihr Gegenpart muthwillig blind ist."

Bei größern geselligen Vereinigungen, den Compagnien oder Assembleen,
Scharte sich ein großer Teil der Geladenen um die Spieltische, deren verschieden¬
artige Besetzung das Aussehen der bunten Gesellschaft bestimmte. Dn die
strenge Form des L'Hvmbre nur drei Spieler kannte, so ergaben sich von selbst
zwei Möglichkeiten: entweder spielte eine Dame mit zwei Herren oder ein Herr
mit zwei Damen. Die erste Verbindung hatte als Doppelgalanteriespiel be¬
sondern Reiz. In dieser Besetzung erscheint der L'Hombretisch in Popes
„Lockenraub." Im dritten Gesänge widmet der Dichter eine Reihe geschmeidiger
Verse der Schilderung eines Solo in Pique, das Belinde, die Heldin des
Liedes, gegen zwei Lords siegreich durchführt. Die Verteilung der Karten in
den Händen der Spieler läßt sich deutlich erkennen. Das Natürlichste war,
daß zwei Paare an dem Spieltische zusammenkamen. Dies macht die große
Beliebtheit erklärlich, deren sich das L'Hombre zu Vieren, die Quadrille, erfreute.

Bei der Bedeutung des Spiels in dem Rahmen der Gesellschaftsfreuden
des Rokoko mußte die im Eifer des Spiels leicht gefährdete Wahrung artiger
Formen ein besonders erfreuliches Merkmal des vollkommenen Gesellschafts¬
menschen bilden. Der gute Ton am Spieltisch erscheint daher als ein wichtiges
Kapitel in den der Beförderung galanten Benehmens gewidmeten Lehrbüchern
der Zeit. Joh. Chr. Barths (lcüantö MKWg, giebt eine Reihe von Winken,
die zum Teil anch heute noch sehr beherzigenswert sind. „Wer sich in
^sscimdlvo begeben will, heißt es hier, muß entweder eine galante Geschick-
lichkeit im Tantzen oder einen reichen Beutel im Spielen zeigen; besitzet er
beydes, desto besser, vermag er ober von beyden nichts, so will ich lieber
rathen, daß er davon bleibe und einen andern, der es besser kann, dran lasse."
Für viele war die Aussicht, durch Geschicklichkeit im Spiel sich den Weg zur
Gunst eines Patrons oder einer Patronin zu bahnen, ein mächtiger Sporn.
Bei der Schilderung des ehrgeizigen Studenten, des Strebers, der sich zum
weltmännischen Mustermenschen ausbilden will, hebt Thomnsins diesen Zug
besonders hervor. „Dem Spielen ist er nicht sehr ergeben, wiewohl er alle
Spiele leicht begreift, auch fast alle Spiele kann, damit er sich bei großen
Herren oder Frauen dadurch in Ansehen bringe."

Als oberstes Spielgesetz stellt Vnrth die Forderung ans: „Wer spielen
will, muß nicht xassiomröt seyn, und dies ist die Hauptregel." Mißmut


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[0208] Rokokostudieii läppischen Ausartungen Anlaß, die mit der Würde des Spiels nicht vereinbar waren und mit Recht gerügt wurden. „Der verliebte Amyntas, so äußern sich die „Vernünftigen Tadlerinnen" entrüstet, spielt mit seiner Amaryllis. Er wirft die besten Trümpfe weg, die er in den Händen hat, er handelt wider alle Regeln des Spiels, nnr damit seine Gebieterin das Vergnügen haben möge, sein Geld zu gewinnen. Seine Thorheit ist offenbar, ihre hingegen kann auch leicht entdeckt werden. Amaryllis muß sehr einfältig sein, wenn sie sich in einem Spiel ergehen kann, da ihr Gegenpart muthwillig blind ist." Bei größern geselligen Vereinigungen, den Compagnien oder Assembleen, Scharte sich ein großer Teil der Geladenen um die Spieltische, deren verschieden¬ artige Besetzung das Aussehen der bunten Gesellschaft bestimmte. Dn die strenge Form des L'Hvmbre nur drei Spieler kannte, so ergaben sich von selbst zwei Möglichkeiten: entweder spielte eine Dame mit zwei Herren oder ein Herr mit zwei Damen. Die erste Verbindung hatte als Doppelgalanteriespiel be¬ sondern Reiz. In dieser Besetzung erscheint der L'Hombretisch in Popes „Lockenraub." Im dritten Gesänge widmet der Dichter eine Reihe geschmeidiger Verse der Schilderung eines Solo in Pique, das Belinde, die Heldin des Liedes, gegen zwei Lords siegreich durchführt. Die Verteilung der Karten in den Händen der Spieler läßt sich deutlich erkennen. Das Natürlichste war, daß zwei Paare an dem Spieltische zusammenkamen. Dies macht die große Beliebtheit erklärlich, deren sich das L'Hombre zu Vieren, die Quadrille, erfreute. Bei der Bedeutung des Spiels in dem Rahmen der Gesellschaftsfreuden des Rokoko mußte die im Eifer des Spiels leicht gefährdete Wahrung artiger Formen ein besonders erfreuliches Merkmal des vollkommenen Gesellschafts¬ menschen bilden. Der gute Ton am Spieltisch erscheint daher als ein wichtiges Kapitel in den der Beförderung galanten Benehmens gewidmeten Lehrbüchern der Zeit. Joh. Chr. Barths (lcüantö MKWg, giebt eine Reihe von Winken, die zum Teil anch heute noch sehr beherzigenswert sind. „Wer sich in ^sscimdlvo begeben will, heißt es hier, muß entweder eine galante Geschick- lichkeit im Tantzen oder einen reichen Beutel im Spielen zeigen; besitzet er beydes, desto besser, vermag er ober von beyden nichts, so will ich lieber rathen, daß er davon bleibe und einen andern, der es besser kann, dran lasse." Für viele war die Aussicht, durch Geschicklichkeit im Spiel sich den Weg zur Gunst eines Patrons oder einer Patronin zu bahnen, ein mächtiger Sporn. Bei der Schilderung des ehrgeizigen Studenten, des Strebers, der sich zum weltmännischen Mustermenschen ausbilden will, hebt Thomnsins diesen Zug besonders hervor. „Dem Spielen ist er nicht sehr ergeben, wiewohl er alle Spiele leicht begreift, auch fast alle Spiele kann, damit er sich bei großen Herren oder Frauen dadurch in Ansehen bringe." Als oberstes Spielgesetz stellt Vnrth die Forderung ans: „Wer spielen will, muß nicht xassiomröt seyn, und dies ist die Hauptregel." Mißmut

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/208>, abgerufen am 24.07.2024.