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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Zolas antisemitischer Roman

Schriftsteller auf ihre" naturalistischen Schlciclnvegen oder mit der dramatischen
Lärmtrommel doppelt aus Deutschland. Ja die Glücklichen brauchen sich nicht
einmal die Mühe zu geben, sichs zu holen, man bringts ihnen mit welt¬
bürgerlichen Edelsinn haufenweise inS Hans, und die Träger unsers litte¬
rarischen Lebens preisen sich obendrein noch glücklich, soinxer all<Ma novi. 0x
Oallia für den nbgestnmpften aber lüsternen Gaumen des deutschen oder
sagen wir richtiger des undeutschen Publikums zu erwischen. Alle unsre
Buhnen, an ihrer Spitze der echt germanische Musen"tempel," das Lessing¬
theater, stehen in einer geradezu schmachvollen Abhängigkeit von den französischen
Drameuschreiberu; hätte Lessing wohl seinen Nathan geschrieben, wenn er das
geahnt hätte? Und für die hundertsechzig Auflagen, die z. B. von Zolas
Romain Mna. bis jetzt verkauft worden sind, hat sich gerade Deutschland als
eins der ergiebigsten Absatzgebiete erwiesen. Weshalb verhängen nicht auch
Frankreichs Schriftsteller eine Sperre über Deutschland? Wir würden dann
sicher auch auf diesem Gebiete das schmachvolle Schauspiel erleben wie auf dem
der Malerei, daß nicht nur die "Träger unsers geistigen und künstlerischen
Lebens," sondern auch die reich gewordenen Häuserspelnlanten und Börsenjobber
ein wimmerndes Geschrei nach französischer Geisteskost erheben würden; sie
lieben es alle, ihre altdeutsch geschnitzten Knnstschränke mit jenen Sumpfblüten
zu stillen, denn für anständige deutsche Bücher haben diese sich immer lästiger
vordrängenden und leider schon zu sehr respektirten Geldprotzen in unserm
lieben Vaterlande nicht einen Pfennig übrig. Unsre Leihbibliotheken können
von diesem gallischen Gifte nicht genug auf Lager halten, um alle Wünsche
der schönen und unschönen Leserwelt zu befriedigen, und da fragt man sich
noch, ob unsre geistige Bildung, unser litterarisches Verständnis, unser
ästhetisches Urteil höher stehe als das unsrer Vorfahren, die auf Bärenhäuter
unter der Eiche lagen.

Zolns treuester Schüler und Biograph, Paul Alexis, erzählt mit rührender
Offenherzigkeit aus der Jugendzeit seines Meisters, daß der kleine Zola die
Konsonanten nicht richtig habe aussprechen können; einmal sei es ihm aber
doch geglückt, nämlich bei dem unwillig hervorgestoßenen Worte eoelron, und
da habe ihm sein überglücklicher Bater zur Belohnung ein Fünffrankstück ge¬
schenkt. Um diesen früh erkannten und richtig gehandhabten Ausdruck hat sich
denn auch seine ganze naturalistische Poesie wie um einen einfachen und festen
Kern krystallisirt. Ihm verdankt er sein litterarisches Ansehen und seine beispiel¬
losen Erfolge. Nach diesem Edelstein suchen auch die meisten seiner französischen
und deutschen Leser, und sie sind allemal enttäuscht und schmähen ans den
Dichter, wenn sie diesen Edelstein nicht vom reinsten Wasser und im größten
Umfange vorfinden.

Auch sein neuester Roman wird in gewissen Kreisen weder ver¬
steckte noch offene Freude und Begeisterung hervorrufen, nicht deshalb, weil


Zolas antisemitischer Roman

Schriftsteller auf ihre» naturalistischen Schlciclnvegen oder mit der dramatischen
Lärmtrommel doppelt aus Deutschland. Ja die Glücklichen brauchen sich nicht
einmal die Mühe zu geben, sichs zu holen, man bringts ihnen mit welt¬
bürgerlichen Edelsinn haufenweise inS Hans, und die Träger unsers litte¬
rarischen Lebens preisen sich obendrein noch glücklich, soinxer all<Ma novi. 0x
Oallia für den nbgestnmpften aber lüsternen Gaumen des deutschen oder
sagen wir richtiger des undeutschen Publikums zu erwischen. Alle unsre
Buhnen, an ihrer Spitze der echt germanische Musen„tempel," das Lessing¬
theater, stehen in einer geradezu schmachvollen Abhängigkeit von den französischen
Drameuschreiberu; hätte Lessing wohl seinen Nathan geschrieben, wenn er das
geahnt hätte? Und für die hundertsechzig Auflagen, die z. B. von Zolas
Romain Mna. bis jetzt verkauft worden sind, hat sich gerade Deutschland als
eins der ergiebigsten Absatzgebiete erwiesen. Weshalb verhängen nicht auch
Frankreichs Schriftsteller eine Sperre über Deutschland? Wir würden dann
sicher auch auf diesem Gebiete das schmachvolle Schauspiel erleben wie auf dem
der Malerei, daß nicht nur die „Träger unsers geistigen und künstlerischen
Lebens," sondern auch die reich gewordenen Häuserspelnlanten und Börsenjobber
ein wimmerndes Geschrei nach französischer Geisteskost erheben würden; sie
lieben es alle, ihre altdeutsch geschnitzten Knnstschränke mit jenen Sumpfblüten
zu stillen, denn für anständige deutsche Bücher haben diese sich immer lästiger
vordrängenden und leider schon zu sehr respektirten Geldprotzen in unserm
lieben Vaterlande nicht einen Pfennig übrig. Unsre Leihbibliotheken können
von diesem gallischen Gifte nicht genug auf Lager halten, um alle Wünsche
der schönen und unschönen Leserwelt zu befriedigen, und da fragt man sich
noch, ob unsre geistige Bildung, unser litterarisches Verständnis, unser
ästhetisches Urteil höher stehe als das unsrer Vorfahren, die auf Bärenhäuter
unter der Eiche lagen.

Zolns treuester Schüler und Biograph, Paul Alexis, erzählt mit rührender
Offenherzigkeit aus der Jugendzeit seines Meisters, daß der kleine Zola die
Konsonanten nicht richtig habe aussprechen können; einmal sei es ihm aber
doch geglückt, nämlich bei dem unwillig hervorgestoßenen Worte eoelron, und
da habe ihm sein überglücklicher Bater zur Belohnung ein Fünffrankstück ge¬
schenkt. Um diesen früh erkannten und richtig gehandhabten Ausdruck hat sich
denn auch seine ganze naturalistische Poesie wie um einen einfachen und festen
Kern krystallisirt. Ihm verdankt er sein litterarisches Ansehen und seine beispiel¬
losen Erfolge. Nach diesem Edelstein suchen auch die meisten seiner französischen
und deutschen Leser, und sie sind allemal enttäuscht und schmähen ans den
Dichter, wenn sie diesen Edelstein nicht vom reinsten Wasser und im größten
Umfange vorfinden.

Auch sein neuester Roman wird in gewissen Kreisen weder ver¬
steckte noch offene Freude und Begeisterung hervorrufen, nicht deshalb, weil


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[0194] Zolas antisemitischer Roman Schriftsteller auf ihre» naturalistischen Schlciclnvegen oder mit der dramatischen Lärmtrommel doppelt aus Deutschland. Ja die Glücklichen brauchen sich nicht einmal die Mühe zu geben, sichs zu holen, man bringts ihnen mit welt¬ bürgerlichen Edelsinn haufenweise inS Hans, und die Träger unsers litte¬ rarischen Lebens preisen sich obendrein noch glücklich, soinxer all<Ma novi. 0x Oallia für den nbgestnmpften aber lüsternen Gaumen des deutschen oder sagen wir richtiger des undeutschen Publikums zu erwischen. Alle unsre Buhnen, an ihrer Spitze der echt germanische Musen„tempel," das Lessing¬ theater, stehen in einer geradezu schmachvollen Abhängigkeit von den französischen Drameuschreiberu; hätte Lessing wohl seinen Nathan geschrieben, wenn er das geahnt hätte? Und für die hundertsechzig Auflagen, die z. B. von Zolas Romain Mna. bis jetzt verkauft worden sind, hat sich gerade Deutschland als eins der ergiebigsten Absatzgebiete erwiesen. Weshalb verhängen nicht auch Frankreichs Schriftsteller eine Sperre über Deutschland? Wir würden dann sicher auch auf diesem Gebiete das schmachvolle Schauspiel erleben wie auf dem der Malerei, daß nicht nur die „Träger unsers geistigen und künstlerischen Lebens," sondern auch die reich gewordenen Häuserspelnlanten und Börsenjobber ein wimmerndes Geschrei nach französischer Geisteskost erheben würden; sie lieben es alle, ihre altdeutsch geschnitzten Knnstschränke mit jenen Sumpfblüten zu stillen, denn für anständige deutsche Bücher haben diese sich immer lästiger vordrängenden und leider schon zu sehr respektirten Geldprotzen in unserm lieben Vaterlande nicht einen Pfennig übrig. Unsre Leihbibliotheken können von diesem gallischen Gifte nicht genug auf Lager halten, um alle Wünsche der schönen und unschönen Leserwelt zu befriedigen, und da fragt man sich noch, ob unsre geistige Bildung, unser litterarisches Verständnis, unser ästhetisches Urteil höher stehe als das unsrer Vorfahren, die auf Bärenhäuter unter der Eiche lagen. Zolns treuester Schüler und Biograph, Paul Alexis, erzählt mit rührender Offenherzigkeit aus der Jugendzeit seines Meisters, daß der kleine Zola die Konsonanten nicht richtig habe aussprechen können; einmal sei es ihm aber doch geglückt, nämlich bei dem unwillig hervorgestoßenen Worte eoelron, und da habe ihm sein überglücklicher Bater zur Belohnung ein Fünffrankstück ge¬ schenkt. Um diesen früh erkannten und richtig gehandhabten Ausdruck hat sich denn auch seine ganze naturalistische Poesie wie um einen einfachen und festen Kern krystallisirt. Ihm verdankt er sein litterarisches Ansehen und seine beispiel¬ losen Erfolge. Nach diesem Edelstein suchen auch die meisten seiner französischen und deutschen Leser, und sie sind allemal enttäuscht und schmähen ans den Dichter, wenn sie diesen Edelstein nicht vom reinsten Wasser und im größten Umfange vorfinden. Auch sein neuester Roman wird in gewissen Kreisen weder ver¬ steckte noch offene Freude und Begeisterung hervorrufen, nicht deshalb, weil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/194>, abgerufen am 02.07.2024.