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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Zur Jubelfeier des Iveinmrischeu Theaters

lebte er, als der in der Wartezeit von den Schauspielern insgeheim eingeübte
"Tasso," dessen Aufführung er für unmöglich gehalten hatte, bei der Auf¬
führung am 1K. Februar 1807 am Geburtstage der Erbprinzessin eine unerwartet
begeisterte Aufnahme fand. Da durfte er sich mit gerechtem Stolze sagen,
daß er seine Zuschauer auf eine solche Stufe erhoben habe, daß sie ein so tief
innerliches Stück mit voller Seele zu fassen vermochten. Und seiue Bühne, die
sich dadurch im glänzendsten Lichte gezeigt hatte, sollte bald darauf, als er seiue
Gesellschaft nach Leipzig ziehen ließ, besonders mit seinen und Schillers Stücken,
sich des wärmsten Beifalls auch in den weitern Räumen des dortigen Theaters
erfreuen. Freilich fehlte zur Frende auch der Neid nicht, der als "Handbuch
für Ästhetiker und junge Schauspieler" über "Goethes Saat" spottete.

Weimars Bühne sah bald, wie vor kurzem die des neuen französischen
Erfurt, ein Parterre vou Kaiser", Königen und Fürsten, vor dem die Pariser
Schauspieler auf Napoleons Befehl Voltaires "Tod Cäsars" spielten, fast ein
Hohn auf Karl Augusts Verehrung des französischen Dramas. Kurz darauf
erfreute den Dichter, den Napoleon selbst geehrt hatte, die Unterhaltung mit
Frankreichs größtem Schauspieler, Talma. Dann aber mußte er es erleben,
daß sein Herzog auf Betreiben der allmächtigen Jagemann ihn ans eine so
schnöde Weise anfuhr, daß er diesen inständigst bat, ihn von einem Geschäft
zu entbinden, das seinen sonst so wünschenswerten Zustand zur Hölle mache.
Karl August hatte mit einemmale so ganz alles vergessen, was er Goethe
verdankte, daß die Verhandlungen von seiner Seite mit leidenschaftlicher Bitter¬
keit geführt wurden, und der gute Voigt fürchtete, Goethes Leben stehe auf
dem Spiele. Lauge dauerte es, ehe Voigts treuer Rat durchdrang. Erst am
19. Dezember entschloß sich der Herzog, den so tief beleidigten Dichter zu
besuchen und den Wunsch zu äußern, er möge, wie bisher, zum Besten des
Theaters fortwirken; eine Konstitution desselben zu entwerfen sollte ihm selbst
überlassen sein. Zu einer solchen kam es nicht, uur übernahm die Jagemann,
wie Goethe selbst gewünscht hatte, die Oper, und der mit ihr gegen Goethe
Verbündete Regisseur Becker verließ Weimar.

Wir führen nicht aus, wie auch von jetzt an Goethe uoch mit bestem
Erfolge bemüht war, die Bühne hoher zu heben, trotz aller Hindernisse und
des ewigen Schürens der mit dein Gute Hehgendvrff beschenkten und geadelten
Jagemann, bis endlich Karl August im Notjahre 1817 seinen Goethe, der
eben eine neue Konstitution des Theaters ausgearbeitet hatte, zu Ehren der
Jagemann, die den "Hund des Aubry" in Schutz nahm, barsch entließ. So
war diesem denn das Theater gründlich verleidet. Erst nach vier Jahren be¬
suchte er es wieder, um "Eurhauthe" und den "Freischütz" zu hören. Nach
weitern vier Jahren brannte das Theater ab. Von der gewaltigen Erschütte¬
rung, in die ihn der Untergang des vou ihm geplanten, erneuerten und beseelten
Hauses versetzte, stellte sich Goethe in einigen Tagen wieder leidlich her. Zum


Zur Jubelfeier des Iveinmrischeu Theaters

lebte er, als der in der Wartezeit von den Schauspielern insgeheim eingeübte
„Tasso," dessen Aufführung er für unmöglich gehalten hatte, bei der Auf¬
führung am 1K. Februar 1807 am Geburtstage der Erbprinzessin eine unerwartet
begeisterte Aufnahme fand. Da durfte er sich mit gerechtem Stolze sagen,
daß er seine Zuschauer auf eine solche Stufe erhoben habe, daß sie ein so tief
innerliches Stück mit voller Seele zu fassen vermochten. Und seiue Bühne, die
sich dadurch im glänzendsten Lichte gezeigt hatte, sollte bald darauf, als er seiue
Gesellschaft nach Leipzig ziehen ließ, besonders mit seinen und Schillers Stücken,
sich des wärmsten Beifalls auch in den weitern Räumen des dortigen Theaters
erfreuen. Freilich fehlte zur Frende auch der Neid nicht, der als „Handbuch
für Ästhetiker und junge Schauspieler" über „Goethes Saat" spottete.

Weimars Bühne sah bald, wie vor kurzem die des neuen französischen
Erfurt, ein Parterre vou Kaiser», Königen und Fürsten, vor dem die Pariser
Schauspieler auf Napoleons Befehl Voltaires „Tod Cäsars" spielten, fast ein
Hohn auf Karl Augusts Verehrung des französischen Dramas. Kurz darauf
erfreute den Dichter, den Napoleon selbst geehrt hatte, die Unterhaltung mit
Frankreichs größtem Schauspieler, Talma. Dann aber mußte er es erleben,
daß sein Herzog auf Betreiben der allmächtigen Jagemann ihn ans eine so
schnöde Weise anfuhr, daß er diesen inständigst bat, ihn von einem Geschäft
zu entbinden, das seinen sonst so wünschenswerten Zustand zur Hölle mache.
Karl August hatte mit einemmale so ganz alles vergessen, was er Goethe
verdankte, daß die Verhandlungen von seiner Seite mit leidenschaftlicher Bitter¬
keit geführt wurden, und der gute Voigt fürchtete, Goethes Leben stehe auf
dem Spiele. Lauge dauerte es, ehe Voigts treuer Rat durchdrang. Erst am
19. Dezember entschloß sich der Herzog, den so tief beleidigten Dichter zu
besuchen und den Wunsch zu äußern, er möge, wie bisher, zum Besten des
Theaters fortwirken; eine Konstitution desselben zu entwerfen sollte ihm selbst
überlassen sein. Zu einer solchen kam es nicht, uur übernahm die Jagemann,
wie Goethe selbst gewünscht hatte, die Oper, und der mit ihr gegen Goethe
Verbündete Regisseur Becker verließ Weimar.

Wir führen nicht aus, wie auch von jetzt an Goethe uoch mit bestem
Erfolge bemüht war, die Bühne hoher zu heben, trotz aller Hindernisse und
des ewigen Schürens der mit dein Gute Hehgendvrff beschenkten und geadelten
Jagemann, bis endlich Karl August im Notjahre 1817 seinen Goethe, der
eben eine neue Konstitution des Theaters ausgearbeitet hatte, zu Ehren der
Jagemann, die den „Hund des Aubry" in Schutz nahm, barsch entließ. So
war diesem denn das Theater gründlich verleidet. Erst nach vier Jahren be¬
suchte er es wieder, um „Eurhauthe" und den „Freischütz" zu hören. Nach
weitern vier Jahren brannte das Theater ab. Von der gewaltigen Erschütte¬
rung, in die ihn der Untergang des vou ihm geplanten, erneuerten und beseelten
Hauses versetzte, stellte sich Goethe in einigen Tagen wieder leidlich her. Zum


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[0192] Zur Jubelfeier des Iveinmrischeu Theaters lebte er, als der in der Wartezeit von den Schauspielern insgeheim eingeübte „Tasso," dessen Aufführung er für unmöglich gehalten hatte, bei der Auf¬ führung am 1K. Februar 1807 am Geburtstage der Erbprinzessin eine unerwartet begeisterte Aufnahme fand. Da durfte er sich mit gerechtem Stolze sagen, daß er seine Zuschauer auf eine solche Stufe erhoben habe, daß sie ein so tief innerliches Stück mit voller Seele zu fassen vermochten. Und seiue Bühne, die sich dadurch im glänzendsten Lichte gezeigt hatte, sollte bald darauf, als er seiue Gesellschaft nach Leipzig ziehen ließ, besonders mit seinen und Schillers Stücken, sich des wärmsten Beifalls auch in den weitern Räumen des dortigen Theaters erfreuen. Freilich fehlte zur Frende auch der Neid nicht, der als „Handbuch für Ästhetiker und junge Schauspieler" über „Goethes Saat" spottete. Weimars Bühne sah bald, wie vor kurzem die des neuen französischen Erfurt, ein Parterre vou Kaiser», Königen und Fürsten, vor dem die Pariser Schauspieler auf Napoleons Befehl Voltaires „Tod Cäsars" spielten, fast ein Hohn auf Karl Augusts Verehrung des französischen Dramas. Kurz darauf erfreute den Dichter, den Napoleon selbst geehrt hatte, die Unterhaltung mit Frankreichs größtem Schauspieler, Talma. Dann aber mußte er es erleben, daß sein Herzog auf Betreiben der allmächtigen Jagemann ihn ans eine so schnöde Weise anfuhr, daß er diesen inständigst bat, ihn von einem Geschäft zu entbinden, das seinen sonst so wünschenswerten Zustand zur Hölle mache. Karl August hatte mit einemmale so ganz alles vergessen, was er Goethe verdankte, daß die Verhandlungen von seiner Seite mit leidenschaftlicher Bitter¬ keit geführt wurden, und der gute Voigt fürchtete, Goethes Leben stehe auf dem Spiele. Lauge dauerte es, ehe Voigts treuer Rat durchdrang. Erst am 19. Dezember entschloß sich der Herzog, den so tief beleidigten Dichter zu besuchen und den Wunsch zu äußern, er möge, wie bisher, zum Besten des Theaters fortwirken; eine Konstitution desselben zu entwerfen sollte ihm selbst überlassen sein. Zu einer solchen kam es nicht, uur übernahm die Jagemann, wie Goethe selbst gewünscht hatte, die Oper, und der mit ihr gegen Goethe Verbündete Regisseur Becker verließ Weimar. Wir führen nicht aus, wie auch von jetzt an Goethe uoch mit bestem Erfolge bemüht war, die Bühne hoher zu heben, trotz aller Hindernisse und des ewigen Schürens der mit dein Gute Hehgendvrff beschenkten und geadelten Jagemann, bis endlich Karl August im Notjahre 1817 seinen Goethe, der eben eine neue Konstitution des Theaters ausgearbeitet hatte, zu Ehren der Jagemann, die den „Hund des Aubry" in Schutz nahm, barsch entließ. So war diesem denn das Theater gründlich verleidet. Erst nach vier Jahren be¬ suchte er es wieder, um „Eurhauthe" und den „Freischütz" zu hören. Nach weitern vier Jahren brannte das Theater ab. Von der gewaltigen Erschütte¬ rung, in die ihn der Untergang des vou ihm geplanten, erneuerten und beseelten Hauses versetzte, stellte sich Goethe in einigen Tagen wieder leidlich her. Zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/192>, abgerufen am 04.07.2024.