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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Allerhand Sprcichdummheiteii

Verbalfvrm sei", und das ist es ebenfalls nicht, sowie ich es mit G schreibe.
Verstanden?

Daß Adverbia auch zu Präpositionen werden können, >ver wüßte das
nicht? Alle unsre Präpositionen sind ursprünglich einmal Adverbia gewesen.
Und die häßlichen, langatmigen Modcpräpvsitionen, von denen unsre Amts- und
Zcitnngssprache wimmelt (anläßlich, gelegentlich, inhaltlich, cintwvrt-
lich), und die unsre echten, alten Präpositionen (bei, zu, nach, ans), mit denen
man das alles, was jene Ungeheuer ausdrücken sollen, eben so deutlich und dabei
viel kürzer und schöner sagen kann, schon beinahe ganz verdrängt haben, was sind
sie zunächst anders als Adverbia? Aber auch hier hat man doch die Pflicht,
Halt zu rufen, wenn aus bloßer Gedankenlosigkeit, was bisher richtig gemacht
wurde, mit einemmale falsch gemacht wird, und das geschieht jetzt täglich mehr
mit den Adverbien rechts, links, nördlich, südlich, östlich, westlich und
seitlich. Kein Mensch wird bestreik'", daß auch diese Wörter Adverbia sind.
Um anzugeben, im Vergleich womit etwas rechts oder links, nördlich oder
südlich ist. nahmen wir denn auch bisher die Präposition von zu Hilfe und
sagten: rechts von der Straße, nördlich von den Alpen. Seit einigen
Jahren aber wird fast allgemein geschlndert: rechts und links der Szene,
rechts der Elbe, nördlich des Viktvriasees, südlich der Kirche, seit¬
lich des Altars u. s. w. Wo in aller Welt giebt es ein Lehrbuch der
dentschen Sprache, i" dem rechts und links, nördlich und südlich unter
den Präpositionen aufgeführt würden? Sollen sich die Grammatiker nun vielleicht
beeilen, diese Lücke auszufüllen, weil es deu Herren Geographen, Baumeistern,
Technikern, Beamten und Zeituugsschreiberu plötzlich beliebt, so zu schreiben?
Soll sich die Grammatik dazu erniedrigen, hinter allein Sprachunrat herzu¬
laufen, ihn pflichtschuldigst aufzulesen und zu iuveutarisireu, der aus Unbildung
und Gedankenlosigkeit in unsre Sprache hineingeworfen wird? Oder soll sie
ihres Amtes als Meisterin und Lehrerin warten und dem Unrat wehren, so¬
lange es noch Zeit ist?

Ganz dasselbe gilt von dem Unfuge, der zwei Adverbia jetzt mit aller
Gewalt zu Konjunktionen pressen möchte. Es sind das die Adverbia zumal
und trotzdem. Daß beides uoch wirklich Adverbia sind, wird wohl eben¬
falls niemand zu bestreiten wagen; trotzdem ist ja dasselbe wie dennoch,
und zumal ist ungefähr dasselbe wie besonders, namentlich, wenn es
anch noch eine kleine Nebenfarbe hat, insofern es, ähnlich wie vollends, nicht
bloß die Hervorhebung, sondern auch eine Steigerung nnsdrückt, z.V.: dn
gilt es vorsichtig sein, zumal im Winter. Sollen mit trotzdem und zumal
Nebensätze angeschlossen werden, so kann das nur mit Hilfe einer Konjunktion
geschehen; es muß heißen: trotzdem daß, und es muß heißen: zumut da,
zumal weil, zumal wenn, zumal wer, zumal wo, je nachdem ein
Kausalsatz, ein Bedingungssatz oder ein Relativsatz angeschlossen werden soll.


Allerhand Sprcichdummheiteii

Verbalfvrm sei», und das ist es ebenfalls nicht, sowie ich es mit G schreibe.
Verstanden?

Daß Adverbia auch zu Präpositionen werden können, >ver wüßte das
nicht? Alle unsre Präpositionen sind ursprünglich einmal Adverbia gewesen.
Und die häßlichen, langatmigen Modcpräpvsitionen, von denen unsre Amts- und
Zcitnngssprache wimmelt (anläßlich, gelegentlich, inhaltlich, cintwvrt-
lich), und die unsre echten, alten Präpositionen (bei, zu, nach, ans), mit denen
man das alles, was jene Ungeheuer ausdrücken sollen, eben so deutlich und dabei
viel kürzer und schöner sagen kann, schon beinahe ganz verdrängt haben, was sind
sie zunächst anders als Adverbia? Aber auch hier hat man doch die Pflicht,
Halt zu rufen, wenn aus bloßer Gedankenlosigkeit, was bisher richtig gemacht
wurde, mit einemmale falsch gemacht wird, und das geschieht jetzt täglich mehr
mit den Adverbien rechts, links, nördlich, südlich, östlich, westlich und
seitlich. Kein Mensch wird bestreik'», daß auch diese Wörter Adverbia sind.
Um anzugeben, im Vergleich womit etwas rechts oder links, nördlich oder
südlich ist. nahmen wir denn auch bisher die Präposition von zu Hilfe und
sagten: rechts von der Straße, nördlich von den Alpen. Seit einigen
Jahren aber wird fast allgemein geschlndert: rechts und links der Szene,
rechts der Elbe, nördlich des Viktvriasees, südlich der Kirche, seit¬
lich des Altars u. s. w. Wo in aller Welt giebt es ein Lehrbuch der
dentschen Sprache, i» dem rechts und links, nördlich und südlich unter
den Präpositionen aufgeführt würden? Sollen sich die Grammatiker nun vielleicht
beeilen, diese Lücke auszufüllen, weil es deu Herren Geographen, Baumeistern,
Technikern, Beamten und Zeituugsschreiberu plötzlich beliebt, so zu schreiben?
Soll sich die Grammatik dazu erniedrigen, hinter allein Sprachunrat herzu¬
laufen, ihn pflichtschuldigst aufzulesen und zu iuveutarisireu, der aus Unbildung
und Gedankenlosigkeit in unsre Sprache hineingeworfen wird? Oder soll sie
ihres Amtes als Meisterin und Lehrerin warten und dem Unrat wehren, so¬
lange es noch Zeit ist?

Ganz dasselbe gilt von dem Unfuge, der zwei Adverbia jetzt mit aller
Gewalt zu Konjunktionen pressen möchte. Es sind das die Adverbia zumal
und trotzdem. Daß beides uoch wirklich Adverbia sind, wird wohl eben¬
falls niemand zu bestreiten wagen; trotzdem ist ja dasselbe wie dennoch,
und zumal ist ungefähr dasselbe wie besonders, namentlich, wenn es
anch noch eine kleine Nebenfarbe hat, insofern es, ähnlich wie vollends, nicht
bloß die Hervorhebung, sondern auch eine Steigerung nnsdrückt, z.V.: dn
gilt es vorsichtig sein, zumal im Winter. Sollen mit trotzdem und zumal
Nebensätze angeschlossen werden, so kann das nur mit Hilfe einer Konjunktion
geschehen; es muß heißen: trotzdem daß, und es muß heißen: zumut da,
zumal weil, zumal wenn, zumal wer, zumal wo, je nachdem ein
Kausalsatz, ein Bedingungssatz oder ein Relativsatz angeschlossen werden soll.


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[0107] Allerhand Sprcichdummheiteii Verbalfvrm sei», und das ist es ebenfalls nicht, sowie ich es mit G schreibe. Verstanden? Daß Adverbia auch zu Präpositionen werden können, >ver wüßte das nicht? Alle unsre Präpositionen sind ursprünglich einmal Adverbia gewesen. Und die häßlichen, langatmigen Modcpräpvsitionen, von denen unsre Amts- und Zcitnngssprache wimmelt (anläßlich, gelegentlich, inhaltlich, cintwvrt- lich), und die unsre echten, alten Präpositionen (bei, zu, nach, ans), mit denen man das alles, was jene Ungeheuer ausdrücken sollen, eben so deutlich und dabei viel kürzer und schöner sagen kann, schon beinahe ganz verdrängt haben, was sind sie zunächst anders als Adverbia? Aber auch hier hat man doch die Pflicht, Halt zu rufen, wenn aus bloßer Gedankenlosigkeit, was bisher richtig gemacht wurde, mit einemmale falsch gemacht wird, und das geschieht jetzt täglich mehr mit den Adverbien rechts, links, nördlich, südlich, östlich, westlich und seitlich. Kein Mensch wird bestreik'», daß auch diese Wörter Adverbia sind. Um anzugeben, im Vergleich womit etwas rechts oder links, nördlich oder südlich ist. nahmen wir denn auch bisher die Präposition von zu Hilfe und sagten: rechts von der Straße, nördlich von den Alpen. Seit einigen Jahren aber wird fast allgemein geschlndert: rechts und links der Szene, rechts der Elbe, nördlich des Viktvriasees, südlich der Kirche, seit¬ lich des Altars u. s. w. Wo in aller Welt giebt es ein Lehrbuch der dentschen Sprache, i» dem rechts und links, nördlich und südlich unter den Präpositionen aufgeführt würden? Sollen sich die Grammatiker nun vielleicht beeilen, diese Lücke auszufüllen, weil es deu Herren Geographen, Baumeistern, Technikern, Beamten und Zeituugsschreiberu plötzlich beliebt, so zu schreiben? Soll sich die Grammatik dazu erniedrigen, hinter allein Sprachunrat herzu¬ laufen, ihn pflichtschuldigst aufzulesen und zu iuveutarisireu, der aus Unbildung und Gedankenlosigkeit in unsre Sprache hineingeworfen wird? Oder soll sie ihres Amtes als Meisterin und Lehrerin warten und dem Unrat wehren, so¬ lange es noch Zeit ist? Ganz dasselbe gilt von dem Unfuge, der zwei Adverbia jetzt mit aller Gewalt zu Konjunktionen pressen möchte. Es sind das die Adverbia zumal und trotzdem. Daß beides uoch wirklich Adverbia sind, wird wohl eben¬ falls niemand zu bestreiten wagen; trotzdem ist ja dasselbe wie dennoch, und zumal ist ungefähr dasselbe wie besonders, namentlich, wenn es anch noch eine kleine Nebenfarbe hat, insofern es, ähnlich wie vollends, nicht bloß die Hervorhebung, sondern auch eine Steigerung nnsdrückt, z.V.: dn gilt es vorsichtig sein, zumal im Winter. Sollen mit trotzdem und zumal Nebensätze angeschlossen werden, so kann das nur mit Hilfe einer Konjunktion geschehen; es muß heißen: trotzdem daß, und es muß heißen: zumut da, zumal weil, zumal wenn, zumal wer, zumal wo, je nachdem ein Kausalsatz, ein Bedingungssatz oder ein Relativsatz angeschlossen werden soll.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/107>, abgerufen am 04.07.2024.