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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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ausgedehnt und eben ist, sodaß rum einen großen Gesichtskreis hat, und
wählt, um sich an der Jagd zu Vergnügen, einen die Umgegend weithin be¬
herrschenden Hügel, wie den, auf den ich mich begab; dort befanden sich der
Kurfürst mit einem Teil seines Gefolges, die Kurfttrstin mit den Hofdamen,
die Fürstin Hohenzollern mit ihrem Gemahl und der Landgraf von Homburg.
Während der Vorbereitungen zur Jagd, die um einundzwanzig") Uhr zu be¬
ginnen und gegen Sonnenuntergang, also wenn die Reiher von der Atzung
in ihre gewöhnlich an sumpfigen und wasserreichen Stellen gelegenen Schlupf¬
winkel zurückkehren, zu endigen pflegt, befanden wir uns unter einem in der
Nähe einer Baumgruppe aufgeschlagenen türkischen Zelt und spielten r-urons.
Die Jäger begeben sich zu Pferde, die Vögel auf der Faust, auf den Anstand,
lind sobald sie scharfen Auges den Reiher kommen sehen, lassen sie zwei von
den Vögeln fliegen. Der Oberjägermeister muß das Gelände und die augen¬
blickliche Windrichtung kennen, damit man sich an der richtigen Stelle mit den
Vögeln aufstellen kann, die infolge des Vorteils, daß sie den Wind im Rücken
haben, den Reiher überfliegen. Sobald dieser sie erblickt, ist er bestrebt, höher,
als Dohlen fliegen, emporzusteigen; ein gleiches thut der Falke, und es ist
schön und unterhaltend, zu beobachten, wie sich beide herumtummeln und welche
Art und Kunst sie anwenden, um einander zu überstiegen. Bisweilen fliegt
der Reiher so hoch, daß er dem Blick entschwindet, und um dies benierkstelligen
zu können, entleert er sich -- denn er kehrt ja von der Atzung zurück -- und
giebt alles, was er gefressen hat, wieder von sich, um im Fluge behender zu
werdeu. Sobald er merkt, daß er dem Falken nicht entgehen kann, wendet er
sich, den Bauch nach oben gekehrt, gegen ihn, wobei er seinen Schnabel, der
dem einer Schnepfe ähnelt, aber spitzer und stärker ist, als Waffe benutzt. Der
Falke packt ihn nun mit seinen Fängen von oben, und beide fallen so zu
Boden; bisweilen ist der Falke am Schnabel des Reihers aufgespießt, sodaß
dann beide umkommen. Man läßt nicht mehr als zwei Falken auf einmal
los, denn sonst bekämpfen sie einander gegenseitig, während der Reiher
entflieht. Wenn Falke und Reiher am Leben bleiben, oder vielmehr der
letztere allein stirbt, so giebt man dem Falken eine Taube, um ihm die Beute
entreißen zu können. Bisweilen erscheinen zwei Reiher auf einmal, bis¬
weilen nur einer, manchmal auch gar keiner. Es ist üblich, bei der Ent¬
deckung des Reihers und bei dem darauf erfolgenden Loslassen der Falken in
die Trompeten zu stoßen, und wenn der Falke zum erstenmale über den
Reiher emporsteigt, werden auch noch die Pauken geschlagen, da behauptet
wird, dieser kriegerische Lärm gäbe deu Vögeln Mut und neue Kraft; auch
rüttelt er die Zuschauer, die während des Wartens eifrig beim Spiel sitzen,
auf und hält sie gespannt.



3 Stunden vor SoniiemmtergciNli,

ausgedehnt und eben ist, sodaß rum einen großen Gesichtskreis hat, und
wählt, um sich an der Jagd zu Vergnügen, einen die Umgegend weithin be¬
herrschenden Hügel, wie den, auf den ich mich begab; dort befanden sich der
Kurfürst mit einem Teil seines Gefolges, die Kurfttrstin mit den Hofdamen,
die Fürstin Hohenzollern mit ihrem Gemahl und der Landgraf von Homburg.
Während der Vorbereitungen zur Jagd, die um einundzwanzig") Uhr zu be¬
ginnen und gegen Sonnenuntergang, also wenn die Reiher von der Atzung
in ihre gewöhnlich an sumpfigen und wasserreichen Stellen gelegenen Schlupf¬
winkel zurückkehren, zu endigen pflegt, befanden wir uns unter einem in der
Nähe einer Baumgruppe aufgeschlagenen türkischen Zelt und spielten r-urons.
Die Jäger begeben sich zu Pferde, die Vögel auf der Faust, auf den Anstand,
lind sobald sie scharfen Auges den Reiher kommen sehen, lassen sie zwei von
den Vögeln fliegen. Der Oberjägermeister muß das Gelände und die augen¬
blickliche Windrichtung kennen, damit man sich an der richtigen Stelle mit den
Vögeln aufstellen kann, die infolge des Vorteils, daß sie den Wind im Rücken
haben, den Reiher überfliegen. Sobald dieser sie erblickt, ist er bestrebt, höher,
als Dohlen fliegen, emporzusteigen; ein gleiches thut der Falke, und es ist
schön und unterhaltend, zu beobachten, wie sich beide herumtummeln und welche
Art und Kunst sie anwenden, um einander zu überstiegen. Bisweilen fliegt
der Reiher so hoch, daß er dem Blick entschwindet, und um dies benierkstelligen
zu können, entleert er sich — denn er kehrt ja von der Atzung zurück — und
giebt alles, was er gefressen hat, wieder von sich, um im Fluge behender zu
werdeu. Sobald er merkt, daß er dem Falken nicht entgehen kann, wendet er
sich, den Bauch nach oben gekehrt, gegen ihn, wobei er seinen Schnabel, der
dem einer Schnepfe ähnelt, aber spitzer und stärker ist, als Waffe benutzt. Der
Falke packt ihn nun mit seinen Fängen von oben, und beide fallen so zu
Boden; bisweilen ist der Falke am Schnabel des Reihers aufgespießt, sodaß
dann beide umkommen. Man läßt nicht mehr als zwei Falken auf einmal
los, denn sonst bekämpfen sie einander gegenseitig, während der Reiher
entflieht. Wenn Falke und Reiher am Leben bleiben, oder vielmehr der
letztere allein stirbt, so giebt man dem Falken eine Taube, um ihm die Beute
entreißen zu können. Bisweilen erscheinen zwei Reiher auf einmal, bis¬
weilen nur einer, manchmal auch gar keiner. Es ist üblich, bei der Ent¬
deckung des Reihers und bei dem darauf erfolgenden Loslassen der Falken in
die Trompeten zu stoßen, und wenn der Falke zum erstenmale über den
Reiher emporsteigt, werden auch noch die Pauken geschlagen, da behauptet
wird, dieser kriegerische Lärm gäbe deu Vögeln Mut und neue Kraft; auch
rüttelt er die Zuschauer, die während des Wartens eifrig beim Spiel sitzen,
auf und hält sie gespannt.



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/85>, abgerufen am 29.06.2024.