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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Berlin und sein Hof im Jahre

Das andre Schloß, das ich, wie ich schon oben berichtet habe, besuchte,
heißt Capot*); es ist sehr nett, aber klein, und enthält viele Gemälde und
eine prachtvolle und reichhaltige Porzellansammluug. Eine zweite ähnliche,
aber größere Sammlung besitzt der Kurfürst in tlraniborg,^) deren Wert auf
200000 Thaler geschätzt wird, und die etwas sehr seltenes ist. Das Porzellan
ist heute ein sehr verbreitetes Material; es findet bei der Zimmerausstattuug
an Stelle des Silbergerätes Verwendung. Ein Berliner Maler verfertigt
Kannen und Vasen als Ersatz für Porzellan aus Holz, aber von einer die
Natur erreichenden Genauigkeit und Feinheit; er giebt ihnen die Farbe der
chinesischen Majolika, und sie besitzen die Eigenschaft, vom Feuer nicht an¬
gegriffen zu werden und beim Fallen nicht zu zerbrechen. Das Herstellungs¬
verfahren ist Geheimnis; man sagte mir, daß die Glasur aus Quecksilber und
krystallisirtem Arsenik hergestellt werde, weshalb sich die damit betrauten
Arbeiter vor dem Einatmen der Dämpfe dieser giftigen Metalle in Acht
nehmen müssen.

Außer deu Lustschlössern Potsdam, Cappvt und Oranienburg besitzt der
Kurfürst noch mehr, so Köpenick und Spandau nebst vielen kleinern, ans
denen er Gastereien giebt.

In den zu diesen Schlössern gehörigen Gärten sah ich viele Statuen,
Spaliere, Springbrunnen, Blumen, Früchte jeder Art, sowie die xu-rtorre"
und schöne Gänge und Alleen. Man sollte es nicht für möglich halten, daß
es in Deutschland viel Früchte giebt, und doch befanden sich auf der kurfürst¬
lichen Tafel, als Schmuck und Beigabe zu den einzelnen Gerichten, stets
portugiesische und andre gewöhnlichere Melonen nebst saftreichen Orangen, so-
daß man nicht unterscheiden konnte, ob man sich in Deutschland oder in
Italien befand.

Zwei Männer find des Kurfürsten Günstlinge und beherrschen den
brandenburgischen Hof: erstens Herr Kolb,^) ein französischer Hugenvtt, der
die innern Hofangelegenheiten regelt und, obwohl Kammerherr, die Tochter
eines Kammerdieners zur Gemahlin hat; und zweitens der Kammerpräsident,
Herr Dankelmann, der die politischen Angelegenheiten leitet; sein Bruder ist
Kommissar und hat das Portefeuille des Krieges inne. Die Gebrüder Dunkel¬
mann sind sehr verhaßt, weil sie völlig freie Hand haben, aber der Kurfürst
schenkt dem Kammerpräsidenten blindes Vertraue". Schließlich erwähne
ich noch den General Hamel, einen Bruder des Hofherrn, einen hochgeachteten
Mann.

Es liegt mir nun noch ob, zu berichten, wie der Johanniterorden in
Brandenburg eingeführt wurde. Dieses Ereignis fand statt, als die Sekte der





Caput.
Oranienburg.
Graf Warteiwerg.
Berlin und sein Hof im Jahre

Das andre Schloß, das ich, wie ich schon oben berichtet habe, besuchte,
heißt Capot*); es ist sehr nett, aber klein, und enthält viele Gemälde und
eine prachtvolle und reichhaltige Porzellansammluug. Eine zweite ähnliche,
aber größere Sammlung besitzt der Kurfürst in tlraniborg,^) deren Wert auf
200000 Thaler geschätzt wird, und die etwas sehr seltenes ist. Das Porzellan
ist heute ein sehr verbreitetes Material; es findet bei der Zimmerausstattuug
an Stelle des Silbergerätes Verwendung. Ein Berliner Maler verfertigt
Kannen und Vasen als Ersatz für Porzellan aus Holz, aber von einer die
Natur erreichenden Genauigkeit und Feinheit; er giebt ihnen die Farbe der
chinesischen Majolika, und sie besitzen die Eigenschaft, vom Feuer nicht an¬
gegriffen zu werden und beim Fallen nicht zu zerbrechen. Das Herstellungs¬
verfahren ist Geheimnis; man sagte mir, daß die Glasur aus Quecksilber und
krystallisirtem Arsenik hergestellt werde, weshalb sich die damit betrauten
Arbeiter vor dem Einatmen der Dämpfe dieser giftigen Metalle in Acht
nehmen müssen.

Außer deu Lustschlössern Potsdam, Cappvt und Oranienburg besitzt der
Kurfürst noch mehr, so Köpenick und Spandau nebst vielen kleinern, ans
denen er Gastereien giebt.

In den zu diesen Schlössern gehörigen Gärten sah ich viele Statuen,
Spaliere, Springbrunnen, Blumen, Früchte jeder Art, sowie die xu-rtorre«
und schöne Gänge und Alleen. Man sollte es nicht für möglich halten, daß
es in Deutschland viel Früchte giebt, und doch befanden sich auf der kurfürst¬
lichen Tafel, als Schmuck und Beigabe zu den einzelnen Gerichten, stets
portugiesische und andre gewöhnlichere Melonen nebst saftreichen Orangen, so-
daß man nicht unterscheiden konnte, ob man sich in Deutschland oder in
Italien befand.

Zwei Männer find des Kurfürsten Günstlinge und beherrschen den
brandenburgischen Hof: erstens Herr Kolb,^) ein französischer Hugenvtt, der
die innern Hofangelegenheiten regelt und, obwohl Kammerherr, die Tochter
eines Kammerdieners zur Gemahlin hat; und zweitens der Kammerpräsident,
Herr Dankelmann, der die politischen Angelegenheiten leitet; sein Bruder ist
Kommissar und hat das Portefeuille des Krieges inne. Die Gebrüder Dunkel¬
mann sind sehr verhaßt, weil sie völlig freie Hand haben, aber der Kurfürst
schenkt dem Kammerpräsidenten blindes Vertraue». Schließlich erwähne
ich noch den General Hamel, einen Bruder des Hofherrn, einen hochgeachteten
Mann.

Es liegt mir nun noch ob, zu berichten, wie der Johanniterorden in
Brandenburg eingeführt wurde. Dieses Ereignis fand statt, als die Sekte der





Caput.
Oranienburg.
Graf Warteiwerg.
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[0086] Berlin und sein Hof im Jahre Das andre Schloß, das ich, wie ich schon oben berichtet habe, besuchte, heißt Capot*); es ist sehr nett, aber klein, und enthält viele Gemälde und eine prachtvolle und reichhaltige Porzellansammluug. Eine zweite ähnliche, aber größere Sammlung besitzt der Kurfürst in tlraniborg,^) deren Wert auf 200000 Thaler geschätzt wird, und die etwas sehr seltenes ist. Das Porzellan ist heute ein sehr verbreitetes Material; es findet bei der Zimmerausstattuug an Stelle des Silbergerätes Verwendung. Ein Berliner Maler verfertigt Kannen und Vasen als Ersatz für Porzellan aus Holz, aber von einer die Natur erreichenden Genauigkeit und Feinheit; er giebt ihnen die Farbe der chinesischen Majolika, und sie besitzen die Eigenschaft, vom Feuer nicht an¬ gegriffen zu werden und beim Fallen nicht zu zerbrechen. Das Herstellungs¬ verfahren ist Geheimnis; man sagte mir, daß die Glasur aus Quecksilber und krystallisirtem Arsenik hergestellt werde, weshalb sich die damit betrauten Arbeiter vor dem Einatmen der Dämpfe dieser giftigen Metalle in Acht nehmen müssen. Außer deu Lustschlössern Potsdam, Cappvt und Oranienburg besitzt der Kurfürst noch mehr, so Köpenick und Spandau nebst vielen kleinern, ans denen er Gastereien giebt. In den zu diesen Schlössern gehörigen Gärten sah ich viele Statuen, Spaliere, Springbrunnen, Blumen, Früchte jeder Art, sowie die xu-rtorre« und schöne Gänge und Alleen. Man sollte es nicht für möglich halten, daß es in Deutschland viel Früchte giebt, und doch befanden sich auf der kurfürst¬ lichen Tafel, als Schmuck und Beigabe zu den einzelnen Gerichten, stets portugiesische und andre gewöhnlichere Melonen nebst saftreichen Orangen, so- daß man nicht unterscheiden konnte, ob man sich in Deutschland oder in Italien befand. Zwei Männer find des Kurfürsten Günstlinge und beherrschen den brandenburgischen Hof: erstens Herr Kolb,^) ein französischer Hugenvtt, der die innern Hofangelegenheiten regelt und, obwohl Kammerherr, die Tochter eines Kammerdieners zur Gemahlin hat; und zweitens der Kammerpräsident, Herr Dankelmann, der die politischen Angelegenheiten leitet; sein Bruder ist Kommissar und hat das Portefeuille des Krieges inne. Die Gebrüder Dunkel¬ mann sind sehr verhaßt, weil sie völlig freie Hand haben, aber der Kurfürst schenkt dem Kammerpräsidenten blindes Vertraue». Schließlich erwähne ich noch den General Hamel, einen Bruder des Hofherrn, einen hochgeachteten Mann. Es liegt mir nun noch ob, zu berichten, wie der Johanniterorden in Brandenburg eingeführt wurde. Dieses Ereignis fand statt, als die Sekte der Caput. Oranienburg. Graf Warteiwerg.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/86>, abgerufen am 26.06.2024.