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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Lerlin und sein Hof im Jahre ^696

Hartich,den Bruder der Frau Gräfin Schlegenberg aus Schlesien, der von
der Kurfürstin sehr gern gesehen wird, da er als Musikliebhaber ausgezeichnet
Klavier spielt. Außerdem traf ich noch die ans dem schlesischen Hause
Zinzendorf stammende Fürstin Hohenzollern, die eine Tochter der Gräfin
Nvbottiu ist, und den Fürsten, ihren Gemahl. Diese Fürsten sind katholisch
und in Schwaben, zwei Tagereisen von Augsburg entfernt, begütert. Weder
der Kurfürst, noch die Kurfürstin haben diesen jemals die Hand gereicht,
gleichwohl aber in der feinsten Weise mit ihnen verkehrt. Der Fürst hatte
ein eignes Regiment am Rhein und befehligte es auch selbst. Er hat Söhne,
ist sehr formgewnndt und liebenswürdig und hat sich in Italien, besonders
lange Zeit in Florenz, aufgehalten. Zum Haushofmeister hatte er den Signor
Matiia Medici, einen florentinischen Edelmann. An der Tafel der Kurfürstin,
um der die oben erwähnte Fürstin allein teilnahm, erschien der Markgraf
Christian Ludwig, der sich auf dein Wege zu seinem flandrischen Regiment
befand. Ich konnte mich mit ihm öfter unterhalten, denn er ist sehr leutselig;
die andern jüngern Prinzen jedoch bekam ich nicht zu Gesicht, weil der Fürst
von Hohenzollern ihre Hilfe in Anspruch genommen hatte und sie sich deshalb
anderswo aufhielten, und der Markgraf Christian Ludwig fand sich hier zu
der Zeit wieder ein, als der genannte Fürst auf jener Abendfestlichkeit bei dem
Kurfürsten war. In Deutschland ziehen die jüngern Prinzen mit ihren Regi¬
mentern in den Krieg und dienen, wie Privatleute, von unter anf, um zu den
höchsten Stellen emporzusteigen. Die brandenburgischen Truppen sind durch¬
gängig schöne, tapfere, kühne, gut gekleidete und ausgerüstete Leute. Während
der Kurfürst speist, werden zuweilen Symphonien gespielt, auch wird, mitunter
sogar in deutscher Sprache, gesungen. Er pflegt sich oft auf das eine oder
andre Schloß zu begeben, und stets ist er von der Leibgarde, dem Hof und
der Taselausstattung begleitet; alles wird auf großen Wagen fortgeschafft,
und hierauf besteht der Kurfürst ausdrücklich, um die Pünktlichkeit und die
Pracht recht zur Schau stellen zu lassen. Ferner speist der gesamte Hof nicht
allein in Berlin, sondern anch auswärts ans Rechnung des Kurfürsten;
mancher jedoch, der aus niedriger Familie stammt, erhält statt dessen eine
Geldentschädigung. Man sagte mir, es würden täglich zweinndsiebzig Tische
gedeckt.

Sobald sich der Hof auf einem Landsitz befindet, legen die Herren, ebenso
wie der Kurfürst, grüne Tracht an, zum Zeichen, daß sie denn Waidwerk ob¬
liegen. In Potsdam war ich Augenzeuge der Reiherbeize, die in diesem Mo¬
nat stattfindet, da späterhin die zum Fangen der Reiher abgerichteten Falken
mausern, sodaß sie diese nicht im Flug überholen können. Die Beize geht
folgendermaßen vor sich. Man begiebt sich auf ein Gelände, das weit



Harel^.
Lerlin und sein Hof im Jahre ^696

Hartich,den Bruder der Frau Gräfin Schlegenberg aus Schlesien, der von
der Kurfürstin sehr gern gesehen wird, da er als Musikliebhaber ausgezeichnet
Klavier spielt. Außerdem traf ich noch die ans dem schlesischen Hause
Zinzendorf stammende Fürstin Hohenzollern, die eine Tochter der Gräfin
Nvbottiu ist, und den Fürsten, ihren Gemahl. Diese Fürsten sind katholisch
und in Schwaben, zwei Tagereisen von Augsburg entfernt, begütert. Weder
der Kurfürst, noch die Kurfürstin haben diesen jemals die Hand gereicht,
gleichwohl aber in der feinsten Weise mit ihnen verkehrt. Der Fürst hatte
ein eignes Regiment am Rhein und befehligte es auch selbst. Er hat Söhne,
ist sehr formgewnndt und liebenswürdig und hat sich in Italien, besonders
lange Zeit in Florenz, aufgehalten. Zum Haushofmeister hatte er den Signor
Matiia Medici, einen florentinischen Edelmann. An der Tafel der Kurfürstin,
um der die oben erwähnte Fürstin allein teilnahm, erschien der Markgraf
Christian Ludwig, der sich auf dein Wege zu seinem flandrischen Regiment
befand. Ich konnte mich mit ihm öfter unterhalten, denn er ist sehr leutselig;
die andern jüngern Prinzen jedoch bekam ich nicht zu Gesicht, weil der Fürst
von Hohenzollern ihre Hilfe in Anspruch genommen hatte und sie sich deshalb
anderswo aufhielten, und der Markgraf Christian Ludwig fand sich hier zu
der Zeit wieder ein, als der genannte Fürst auf jener Abendfestlichkeit bei dem
Kurfürsten war. In Deutschland ziehen die jüngern Prinzen mit ihren Regi¬
mentern in den Krieg und dienen, wie Privatleute, von unter anf, um zu den
höchsten Stellen emporzusteigen. Die brandenburgischen Truppen sind durch¬
gängig schöne, tapfere, kühne, gut gekleidete und ausgerüstete Leute. Während
der Kurfürst speist, werden zuweilen Symphonien gespielt, auch wird, mitunter
sogar in deutscher Sprache, gesungen. Er pflegt sich oft auf das eine oder
andre Schloß zu begeben, und stets ist er von der Leibgarde, dem Hof und
der Taselausstattung begleitet; alles wird auf großen Wagen fortgeschafft,
und hierauf besteht der Kurfürst ausdrücklich, um die Pünktlichkeit und die
Pracht recht zur Schau stellen zu lassen. Ferner speist der gesamte Hof nicht
allein in Berlin, sondern anch auswärts ans Rechnung des Kurfürsten;
mancher jedoch, der aus niedriger Familie stammt, erhält statt dessen eine
Geldentschädigung. Man sagte mir, es würden täglich zweinndsiebzig Tische
gedeckt.

Sobald sich der Hof auf einem Landsitz befindet, legen die Herren, ebenso
wie der Kurfürst, grüne Tracht an, zum Zeichen, daß sie denn Waidwerk ob¬
liegen. In Potsdam war ich Augenzeuge der Reiherbeize, die in diesem Mo¬
nat stattfindet, da späterhin die zum Fangen der Reiher abgerichteten Falken
mausern, sodaß sie diese nicht im Flug überholen können. Die Beize geht
folgendermaßen vor sich. Man begiebt sich auf ein Gelände, das weit



Harel^.
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[0084] Lerlin und sein Hof im Jahre ^696 Hartich,den Bruder der Frau Gräfin Schlegenberg aus Schlesien, der von der Kurfürstin sehr gern gesehen wird, da er als Musikliebhaber ausgezeichnet Klavier spielt. Außerdem traf ich noch die ans dem schlesischen Hause Zinzendorf stammende Fürstin Hohenzollern, die eine Tochter der Gräfin Nvbottiu ist, und den Fürsten, ihren Gemahl. Diese Fürsten sind katholisch und in Schwaben, zwei Tagereisen von Augsburg entfernt, begütert. Weder der Kurfürst, noch die Kurfürstin haben diesen jemals die Hand gereicht, gleichwohl aber in der feinsten Weise mit ihnen verkehrt. Der Fürst hatte ein eignes Regiment am Rhein und befehligte es auch selbst. Er hat Söhne, ist sehr formgewnndt und liebenswürdig und hat sich in Italien, besonders lange Zeit in Florenz, aufgehalten. Zum Haushofmeister hatte er den Signor Matiia Medici, einen florentinischen Edelmann. An der Tafel der Kurfürstin, um der die oben erwähnte Fürstin allein teilnahm, erschien der Markgraf Christian Ludwig, der sich auf dein Wege zu seinem flandrischen Regiment befand. Ich konnte mich mit ihm öfter unterhalten, denn er ist sehr leutselig; die andern jüngern Prinzen jedoch bekam ich nicht zu Gesicht, weil der Fürst von Hohenzollern ihre Hilfe in Anspruch genommen hatte und sie sich deshalb anderswo aufhielten, und der Markgraf Christian Ludwig fand sich hier zu der Zeit wieder ein, als der genannte Fürst auf jener Abendfestlichkeit bei dem Kurfürsten war. In Deutschland ziehen die jüngern Prinzen mit ihren Regi¬ mentern in den Krieg und dienen, wie Privatleute, von unter anf, um zu den höchsten Stellen emporzusteigen. Die brandenburgischen Truppen sind durch¬ gängig schöne, tapfere, kühne, gut gekleidete und ausgerüstete Leute. Während der Kurfürst speist, werden zuweilen Symphonien gespielt, auch wird, mitunter sogar in deutscher Sprache, gesungen. Er pflegt sich oft auf das eine oder andre Schloß zu begeben, und stets ist er von der Leibgarde, dem Hof und der Taselausstattung begleitet; alles wird auf großen Wagen fortgeschafft, und hierauf besteht der Kurfürst ausdrücklich, um die Pünktlichkeit und die Pracht recht zur Schau stellen zu lassen. Ferner speist der gesamte Hof nicht allein in Berlin, sondern anch auswärts ans Rechnung des Kurfürsten; mancher jedoch, der aus niedriger Familie stammt, erhält statt dessen eine Geldentschädigung. Man sagte mir, es würden täglich zweinndsiebzig Tische gedeckt. Sobald sich der Hof auf einem Landsitz befindet, legen die Herren, ebenso wie der Kurfürst, grüne Tracht an, zum Zeichen, daß sie denn Waidwerk ob¬ liegen. In Potsdam war ich Augenzeuge der Reiherbeize, die in diesem Mo¬ nat stattfindet, da späterhin die zum Fangen der Reiher abgerichteten Falken mausern, sodaß sie diese nicht im Flug überholen können. Die Beize geht folgendermaßen vor sich. Man begiebt sich auf ein Gelände, das weit Harel^.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/84>, abgerufen am 01.07.2024.