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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Berlin und sein Hof im I^hre

spielen. Sobald sie beginnen, ist dies el" Zeichen, daß aufgetragen wird.
An der Tafel wartet ein Beamter ans, der vorschreitet und das zerlegte
Gericht vom Kurfürsten an herumreicht; sobald sich jemand findet, der sich
davon auflegt, fängt er wieder von vorn an und verfährt in der nämlichen
Weise bei den übrigen Herren. Er trägt an der Seite einen Degen, auf dem
Haupte den Hut und auf der Achsel eine Serviette; sein Platz befindet sich
gerade dein Kurfürsten gegenüber, an der schmalsten Stelle der Tafel. Ferner
liegt die Leitung des Ganzen dem Marschall ob, der ein langes, dickes indisches
Rohr in der Hand führt. Er begiebt sich in die Küche, sobald die Speisen
aufgetragen werden, und schreitet bedeckten Hauptes den Pagen voran. Wenn
angerichtet ist, begiebt er sich mit seinem Stube zu den kurfürstlichen Herr¬
schaften und benachrichtigt sie davon. Diesen ist unterdessen von einem
Kammerherrn Waschwasser und von einem andern Würdenträger das Handtuch
dargereicht worden. Die Weine, die um beiden kurfürstlichen Tafeln getrunken
werden, sind: Rheinwein, Mosel, Burgunder und Champagner; doch habe
ich auch Montaleiner, Montepnleianer und Monfermter getrunken. Bei der
Tafel warten die Pagen allein auf, die keine andre Dienstleistung verrichten
und ihren Herren bei deren Ausfahrt zu Pferde folgen. Die Ausführung von
Aufträgen ist Sache der Kammerdiener; Vorsteher der Bedienten ist derKammcr-
lalei, der keine Livree trügt. Wenn die Pagen ihren Aufwartedienst verlassen,
erhalten sie zum Geschenk einen Degen, mit dem aber ein militärischer Posten,
der eines Hauptmnuns einer Kompagnie oder ein höherer, verbunden ist. Die
Hoffräulein werden mit Kavalieren verheiratet, die stets el" Hofamt zu be¬
kleide" pflegen. Außer der geschilderten Tafel giebt es hier "och die Marschalls-
tafel, die der Hofdamen, die der Hofherren und andre, die alle reich besetzt
find und z" derselben Zeit angerichtet werden. Die Marschallstafel ist für
zehn Personen eingerichtet, sie besteht aus drei großen und vier kleinen Schüsseln
und vier Saueennäpfchen; es wird zweimal aufgetragen, dann folgt der Nach¬
tisch. Wenn sich ein Ausländer zum Kurfürsten zur Audienz begiebt, die dieser
kurz vor der Frühstücksstunde zu erteilen pflegt, so muß er an der Marschalls-
tafel teilnehmen; hiervon und von dem Platze, den er einnehmen soll, wird er
nach Schluß der Audienz vom Marschall in Kenntnis gesetzt. Bei Gelegenheit
meiner Teilnahme an der Tafel des Kurfürsten oder der Kurfürstin traf ich,
außer deu ersten Würdenträgern des Hofes, einen Landgrafen von Hessen-
Hombnrg an, der fürstliche Hoheit ist. Er ist brandeuburgischer General ge¬
wesen und besiegte bei Warschau die Schweden in der Stärke von WtXX)
Man", während Brandeiibnrger und Pole" ziisannnengenomuien nur M0V0
zählten; dort verlor er auch durch eine Kanonenkugel ein Bein. Ich sah auch
mehrmals den Signor Frnnhein, einen wackern, vollendeten Edelmann, der
Staatsmann ist und zu der Zeit, wo ich mit dem Landmeister Grafen
von Thun auf dem Meere hcrumsegelte, in Malta war; deu Herrn Baron


Berlin und sein Hof im I^hre

spielen. Sobald sie beginnen, ist dies el» Zeichen, daß aufgetragen wird.
An der Tafel wartet ein Beamter ans, der vorschreitet und das zerlegte
Gericht vom Kurfürsten an herumreicht; sobald sich jemand findet, der sich
davon auflegt, fängt er wieder von vorn an und verfährt in der nämlichen
Weise bei den übrigen Herren. Er trägt an der Seite einen Degen, auf dem
Haupte den Hut und auf der Achsel eine Serviette; sein Platz befindet sich
gerade dein Kurfürsten gegenüber, an der schmalsten Stelle der Tafel. Ferner
liegt die Leitung des Ganzen dem Marschall ob, der ein langes, dickes indisches
Rohr in der Hand führt. Er begiebt sich in die Küche, sobald die Speisen
aufgetragen werden, und schreitet bedeckten Hauptes den Pagen voran. Wenn
angerichtet ist, begiebt er sich mit seinem Stube zu den kurfürstlichen Herr¬
schaften und benachrichtigt sie davon. Diesen ist unterdessen von einem
Kammerherrn Waschwasser und von einem andern Würdenträger das Handtuch
dargereicht worden. Die Weine, die um beiden kurfürstlichen Tafeln getrunken
werden, sind: Rheinwein, Mosel, Burgunder und Champagner; doch habe
ich auch Montaleiner, Montepnleianer und Monfermter getrunken. Bei der
Tafel warten die Pagen allein auf, die keine andre Dienstleistung verrichten
und ihren Herren bei deren Ausfahrt zu Pferde folgen. Die Ausführung von
Aufträgen ist Sache der Kammerdiener; Vorsteher der Bedienten ist derKammcr-
lalei, der keine Livree trügt. Wenn die Pagen ihren Aufwartedienst verlassen,
erhalten sie zum Geschenk einen Degen, mit dem aber ein militärischer Posten,
der eines Hauptmnuns einer Kompagnie oder ein höherer, verbunden ist. Die
Hoffräulein werden mit Kavalieren verheiratet, die stets el» Hofamt zu be¬
kleide» pflegen. Außer der geschilderten Tafel giebt es hier »och die Marschalls-
tafel, die der Hofdamen, die der Hofherren und andre, die alle reich besetzt
find und z» derselben Zeit angerichtet werden. Die Marschallstafel ist für
zehn Personen eingerichtet, sie besteht aus drei großen und vier kleinen Schüsseln
und vier Saueennäpfchen; es wird zweimal aufgetragen, dann folgt der Nach¬
tisch. Wenn sich ein Ausländer zum Kurfürsten zur Audienz begiebt, die dieser
kurz vor der Frühstücksstunde zu erteilen pflegt, so muß er an der Marschalls-
tafel teilnehmen; hiervon und von dem Platze, den er einnehmen soll, wird er
nach Schluß der Audienz vom Marschall in Kenntnis gesetzt. Bei Gelegenheit
meiner Teilnahme an der Tafel des Kurfürsten oder der Kurfürstin traf ich,
außer deu ersten Würdenträgern des Hofes, einen Landgrafen von Hessen-
Hombnrg an, der fürstliche Hoheit ist. Er ist brandeuburgischer General ge¬
wesen und besiegte bei Warschau die Schweden in der Stärke von WtXX)
Man», während Brandeiibnrger und Pole» ziisannnengenomuien nur M0V0
zählten; dort verlor er auch durch eine Kanonenkugel ein Bein. Ich sah auch
mehrmals den Signor Frnnhein, einen wackern, vollendeten Edelmann, der
Staatsmann ist und zu der Zeit, wo ich mit dem Landmeister Grafen
von Thun auf dem Meere hcrumsegelte, in Malta war; deu Herrn Baron


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[0083] Berlin und sein Hof im I^hre spielen. Sobald sie beginnen, ist dies el» Zeichen, daß aufgetragen wird. An der Tafel wartet ein Beamter ans, der vorschreitet und das zerlegte Gericht vom Kurfürsten an herumreicht; sobald sich jemand findet, der sich davon auflegt, fängt er wieder von vorn an und verfährt in der nämlichen Weise bei den übrigen Herren. Er trägt an der Seite einen Degen, auf dem Haupte den Hut und auf der Achsel eine Serviette; sein Platz befindet sich gerade dein Kurfürsten gegenüber, an der schmalsten Stelle der Tafel. Ferner liegt die Leitung des Ganzen dem Marschall ob, der ein langes, dickes indisches Rohr in der Hand führt. Er begiebt sich in die Küche, sobald die Speisen aufgetragen werden, und schreitet bedeckten Hauptes den Pagen voran. Wenn angerichtet ist, begiebt er sich mit seinem Stube zu den kurfürstlichen Herr¬ schaften und benachrichtigt sie davon. Diesen ist unterdessen von einem Kammerherrn Waschwasser und von einem andern Würdenträger das Handtuch dargereicht worden. Die Weine, die um beiden kurfürstlichen Tafeln getrunken werden, sind: Rheinwein, Mosel, Burgunder und Champagner; doch habe ich auch Montaleiner, Montepnleianer und Monfermter getrunken. Bei der Tafel warten die Pagen allein auf, die keine andre Dienstleistung verrichten und ihren Herren bei deren Ausfahrt zu Pferde folgen. Die Ausführung von Aufträgen ist Sache der Kammerdiener; Vorsteher der Bedienten ist derKammcr- lalei, der keine Livree trügt. Wenn die Pagen ihren Aufwartedienst verlassen, erhalten sie zum Geschenk einen Degen, mit dem aber ein militärischer Posten, der eines Hauptmnuns einer Kompagnie oder ein höherer, verbunden ist. Die Hoffräulein werden mit Kavalieren verheiratet, die stets el» Hofamt zu be¬ kleide» pflegen. Außer der geschilderten Tafel giebt es hier »och die Marschalls- tafel, die der Hofdamen, die der Hofherren und andre, die alle reich besetzt find und z» derselben Zeit angerichtet werden. Die Marschallstafel ist für zehn Personen eingerichtet, sie besteht aus drei großen und vier kleinen Schüsseln und vier Saueennäpfchen; es wird zweimal aufgetragen, dann folgt der Nach¬ tisch. Wenn sich ein Ausländer zum Kurfürsten zur Audienz begiebt, die dieser kurz vor der Frühstücksstunde zu erteilen pflegt, so muß er an der Marschalls- tafel teilnehmen; hiervon und von dem Platze, den er einnehmen soll, wird er nach Schluß der Audienz vom Marschall in Kenntnis gesetzt. Bei Gelegenheit meiner Teilnahme an der Tafel des Kurfürsten oder der Kurfürstin traf ich, außer deu ersten Würdenträgern des Hofes, einen Landgrafen von Hessen- Hombnrg an, der fürstliche Hoheit ist. Er ist brandeuburgischer General ge¬ wesen und besiegte bei Warschau die Schweden in der Stärke von WtXX) Man», während Brandeiibnrger und Pole» ziisannnengenomuien nur M0V0 zählten; dort verlor er auch durch eine Kanonenkugel ein Bein. Ich sah auch mehrmals den Signor Frnnhein, einen wackern, vollendeten Edelmann, der Staatsmann ist und zu der Zeit, wo ich mit dem Landmeister Grafen von Thun auf dem Meere hcrumsegelte, in Malta war; deu Herrn Baron

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/83>, abgerufen am 03.07.2024.