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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Berlin und sein Hof im Jahre ^6^6

einem Zttge, und es ist Vorschrift, daß man sich dabei anstrenge. Das ist
die größte Ehre, die man den Deutschen anthun kann. Der Kurfürst pflegt
jedesmal, wenn er sich ans ein andres Schloß begiebt oder den Aufenthaltsort
wechselt, und wem, der Fremde dort noch nie gewesen ist, aufzufordern, den
"Willkum" dieses Ortes, selbstverständlich nur ein einzigesmal, zu trinken.
Will man auf die Gesundheit des Kurfürsten trinken, so erhebt man sich; er
entbindet aber den Betreffenden leutselig davon und heißt ihn sich setzen.
Dann erwähne ich noch die besondern Gesundheiten, die stehend ausgebracht
werden, wie ich es oben von der Tafel der Kurfürstin berichtet habe. Die
Tafel des Kurfürsten ist für sechs Personen ausgestattet und gedeckt. Es wird
nach französischer Sitte bedient: zweimal werden die warmen Schüsseln auf¬
getragen, dann folgt das "Dessert," d. h. die Früchte. Bei jedem Gange
kommen drei große Schüssel" auf die Tafel, nämlich eine Hauptschüssel in die
Mitte, die beiden andern Nebenschüsseln an die Seiten, und in die Zwischen-
räume zwei kleinere an jeder Seite, im ganzen also sieben; außerdem stehe"
in der Mitte noch vier Sorten "Ragout," d. h. scharf gewürzte Speisen, zwei
an jeder Seite der Tafel, sowie vier niedrige Salzfässer. Immer findet man
da Fleisch sowie Fisch in Hülle und Fülle und vou ausgezeichnetem Wohl¬
geschmack. Das Dessert wird auf einer aus mehreren Stücken bestehenden
Platte eingenommen, die einzelnen Teile werden zusammengefügt und dann das
Ganze von den Pagen auf Befehl in die Höhe gehoben und auf den Tisch
desjenigen Hofherrn gelegt -- nud dort auch gedeckt --, der zerlegt und
Vorschneider genannt wird; dieses Geschäft wird der Reihe nach von denen,
die diesen Posten inne haben, besorgt. Die Platte mit dem Nachtisch ist
bemalt und vergoldet, ihre einzelnen Teile alle gehörig zusammengefügt und
befestigt; es befinden sich darauf Teller mit Früchten und französischem Zucker¬
werk, die zusammen drei vollkommene Pyramiden bilden, uur für die Leuchter
sind gewisse kleine Höhlungen gelassen. Der Kurfürst sitzt obenan; er hat
einen ebensolchen Sessel wie die übrigen, die Kurfürstin einen andern, der mit
Armlehnen versehen ist. Links von ihr sitzen, abwechselnd nach Rang und
Stand, die Gäste. Der Kurfürst lädt zur Tafel seiue angesehensten Höflinge,
wie Herrn Gäth,") seinen Oberkammerherrn, den der Kurfürstin, dessen
Vetter, Herrn Dobresensk,"*) der böhmischer Kreishauptmann ist, den Ober-
jägermeistcr, den Oberst der Garde, die ersten Beamten des Kriegsministeriums
und die fremdländischen Herren. Sobald der Kurfürst speist, ertönt immer
Musik, nämlich in Berlin von zweiunddreißig Trompeten und zwei Paar
Pauken, auswärts vou sechzehn Trompeten und zwei Paar Pauken;
dabei teilen sich die Musiker in zwei Teile, um abwechselnd anszn-




Kolbe von Wartenberg.
Dobrzynski.
Berlin und sein Hof im Jahre ^6^6

einem Zttge, und es ist Vorschrift, daß man sich dabei anstrenge. Das ist
die größte Ehre, die man den Deutschen anthun kann. Der Kurfürst pflegt
jedesmal, wenn er sich ans ein andres Schloß begiebt oder den Aufenthaltsort
wechselt, und wem, der Fremde dort noch nie gewesen ist, aufzufordern, den
„Willkum" dieses Ortes, selbstverständlich nur ein einzigesmal, zu trinken.
Will man auf die Gesundheit des Kurfürsten trinken, so erhebt man sich; er
entbindet aber den Betreffenden leutselig davon und heißt ihn sich setzen.
Dann erwähne ich noch die besondern Gesundheiten, die stehend ausgebracht
werden, wie ich es oben von der Tafel der Kurfürstin berichtet habe. Die
Tafel des Kurfürsten ist für sechs Personen ausgestattet und gedeckt. Es wird
nach französischer Sitte bedient: zweimal werden die warmen Schüsseln auf¬
getragen, dann folgt das „Dessert," d. h. die Früchte. Bei jedem Gange
kommen drei große Schüssel» auf die Tafel, nämlich eine Hauptschüssel in die
Mitte, die beiden andern Nebenschüsseln an die Seiten, und in die Zwischen-
räume zwei kleinere an jeder Seite, im ganzen also sieben; außerdem stehe»
in der Mitte noch vier Sorten „Ragout," d. h. scharf gewürzte Speisen, zwei
an jeder Seite der Tafel, sowie vier niedrige Salzfässer. Immer findet man
da Fleisch sowie Fisch in Hülle und Fülle und vou ausgezeichnetem Wohl¬
geschmack. Das Dessert wird auf einer aus mehreren Stücken bestehenden
Platte eingenommen, die einzelnen Teile werden zusammengefügt und dann das
Ganze von den Pagen auf Befehl in die Höhe gehoben und auf den Tisch
desjenigen Hofherrn gelegt — nud dort auch gedeckt —, der zerlegt und
Vorschneider genannt wird; dieses Geschäft wird der Reihe nach von denen,
die diesen Posten inne haben, besorgt. Die Platte mit dem Nachtisch ist
bemalt und vergoldet, ihre einzelnen Teile alle gehörig zusammengefügt und
befestigt; es befinden sich darauf Teller mit Früchten und französischem Zucker¬
werk, die zusammen drei vollkommene Pyramiden bilden, uur für die Leuchter
sind gewisse kleine Höhlungen gelassen. Der Kurfürst sitzt obenan; er hat
einen ebensolchen Sessel wie die übrigen, die Kurfürstin einen andern, der mit
Armlehnen versehen ist. Links von ihr sitzen, abwechselnd nach Rang und
Stand, die Gäste. Der Kurfürst lädt zur Tafel seiue angesehensten Höflinge,
wie Herrn Gäth,") seinen Oberkammerherrn, den der Kurfürstin, dessen
Vetter, Herrn Dobresensk,"*) der böhmischer Kreishauptmann ist, den Ober-
jägermeistcr, den Oberst der Garde, die ersten Beamten des Kriegsministeriums
und die fremdländischen Herren. Sobald der Kurfürst speist, ertönt immer
Musik, nämlich in Berlin von zweiunddreißig Trompeten und zwei Paar
Pauken, auswärts vou sechzehn Trompeten und zwei Paar Pauken;
dabei teilen sich die Musiker in zwei Teile, um abwechselnd anszn-




Kolbe von Wartenberg.
Dobrzynski.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/82>, abgerufen am 22.07.2024.