Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Ranke und Gentz nicht alle Hoffnung, die Cannings Tod in ihnen erregt hatte, ausgegeben; Wie sehr Gentz an dein allen Anteil nahm, wie er namentlich durch das Die Aufzeichnung Rankes vom November 1885 -- ebenso wie die von Ranke und Gentz nicht alle Hoffnung, die Cannings Tod in ihnen erregt hatte, ausgegeben; Wie sehr Gentz an dein allen Anteil nahm, wie er namentlich durch das Die Aufzeichnung Rankes vom November 1885 — ebenso wie die von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209655"/> <fw type="header" place="top"> Ranke und Gentz</fw><lb/> <p xml:id="ID_1179" prev="#ID_1178"> nicht alle Hoffnung, die Cannings Tod in ihnen erregt hatte, ausgegeben;<lb/> einen Monat später kam die erschütternde Kunde von Navarin, er verließ<lb/> endlich die Kaiserstadt unter dein Eindruck der russischen Siegesbotschaften.</p><lb/> <p xml:id="ID_1180"> Wie sehr Gentz an dein allen Anteil nahm, wie er namentlich durch das<lb/> Vorgehen Rußlands empört und erschreckt war, wissen wir aus seinen Briefen<lb/> an Pilat, an Adam Müller, an den jungen Prokesch. Hierüber also sprach<lb/> er sich gegen Ranke aus, teilte ihm, wie wir nun hören, selbst russische<lb/> Depeschen mit, die damals nicht in die Öffentlichkeit drangen, die erst David<lb/> Urqnhart, der Sekretär der englischen Botschaft in Konstantinopel, in dem 183^<lb/> von ihm begründeten Journal „Pvrtefoliv" bekannt gemacht hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1181" next="#ID_1182"> Die Aufzeichnung Rankes vom November 1885 — ebenso wie die von<lb/> 1875, ist sie Diktat — ergänzt und vertieft obige Mitteilungen. Ranke verrät<lb/> uns hier, daß er schon in Frankfurt an der Erhebung der Griechen gegen das<lb/> Joch der Türken lebhaften Anteil nahm; er sagt es nicht, aber es ist wohl<lb/> anzunehmen, daß seine Sympathien mehr ans Seiten der Griechen waren. „Ich<lb/> will nicht leugnen — setzt er hinzu —, daß die Studien über das osmanische<lb/> Reich, die dann im ersten Bande der Fürsten und Völker mitgeteilt wurden,<lb/> auf diesen Anregungen beruhen; hauptsächlich liegen sie in einigen Anmer¬<lb/> kungen über das Fortlebe» der griechische» Welt unter dem türkischen<lb/> Joche z» Tage." In Berlin beschäftigte er sich dann znerst eingehender<lb/> mit der französischen Revolution; von der Gesellschaft, in der er sich da<lb/> bewegte — es waren nnr wenige Personen, darunter Varnhagen; Ranke<lb/> sagte damals, ganz Berlin bestünde für ihn ans fünf bis sechs Leuten —,<lb/> wurde er dazu angeregt, er lernte durch sie die Zeitschrift „Globe" kennen<lb/> und viele Denkwürdigkeiten, die ans die Revolution Bezug hatten. Er<lb/> vertiefte sich auch in den ,,Moniteur," sodaß er ,,mit den Urhebern der<lb/> revolutionären Bewegung gleichsam persönlich bekannt wurde." Er lernte<lb/> dabei, wie er sagt, nicht allein die Motive, die sie kundgaben, sondern much<lb/> die Absichten, die ihnen vorschwebten, besser kennen, als wenn er sich erst um<lb/> Autoritäten zweiter Hand gewendet hätte. „In mir selbst — gesteht er —<lb/> kam ich über das Problem, ob die Revolution ein allgemeines, Geist und<lb/> Gemüt mit Notwendigkeit bestimmendes und eine unbedingte Teilnahme er¬<lb/> forderndes Interesse in sich habe, oder ob es ein Ereignis sei, das, wie andre,<lb/> seine eigentümlichen Wurzeln in den Thatsachen hatte und ans Verflechtungen<lb/> hervorging, die mich andre hätten sein können — zur Entscheidung. Ich erkannte<lb/> die unendliche Bedeutung für die Welt und für jeden Einzelnen, die darin liegt,<lb/> lebendig an, versöhnte mich aber doch mit den entgegengesetzten Bestrebungen<lb/> der von der Bewegung nicht ergriffenen europäischen Welt. In meinen<lb/> Papieren finden sich noch Versuche der Kritik über die wichtigsten biographischen<lb/> Denkmale der Epoche. Genug, ich gelaugte unter den eifrigsten Studien zu<lb/> einer beide Seiten in sich begreifenden Auffassung, die mir eine gewisse innere</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0422]
Ranke und Gentz
nicht alle Hoffnung, die Cannings Tod in ihnen erregt hatte, ausgegeben;
einen Monat später kam die erschütternde Kunde von Navarin, er verließ
endlich die Kaiserstadt unter dein Eindruck der russischen Siegesbotschaften.
Wie sehr Gentz an dein allen Anteil nahm, wie er namentlich durch das
Vorgehen Rußlands empört und erschreckt war, wissen wir aus seinen Briefen
an Pilat, an Adam Müller, an den jungen Prokesch. Hierüber also sprach
er sich gegen Ranke aus, teilte ihm, wie wir nun hören, selbst russische
Depeschen mit, die damals nicht in die Öffentlichkeit drangen, die erst David
Urqnhart, der Sekretär der englischen Botschaft in Konstantinopel, in dem 183^
von ihm begründeten Journal „Pvrtefoliv" bekannt gemacht hat.
Die Aufzeichnung Rankes vom November 1885 — ebenso wie die von
1875, ist sie Diktat — ergänzt und vertieft obige Mitteilungen. Ranke verrät
uns hier, daß er schon in Frankfurt an der Erhebung der Griechen gegen das
Joch der Türken lebhaften Anteil nahm; er sagt es nicht, aber es ist wohl
anzunehmen, daß seine Sympathien mehr ans Seiten der Griechen waren. „Ich
will nicht leugnen — setzt er hinzu —, daß die Studien über das osmanische
Reich, die dann im ersten Bande der Fürsten und Völker mitgeteilt wurden,
auf diesen Anregungen beruhen; hauptsächlich liegen sie in einigen Anmer¬
kungen über das Fortlebe» der griechische» Welt unter dem türkischen
Joche z» Tage." In Berlin beschäftigte er sich dann znerst eingehender
mit der französischen Revolution; von der Gesellschaft, in der er sich da
bewegte — es waren nnr wenige Personen, darunter Varnhagen; Ranke
sagte damals, ganz Berlin bestünde für ihn ans fünf bis sechs Leuten —,
wurde er dazu angeregt, er lernte durch sie die Zeitschrift „Globe" kennen
und viele Denkwürdigkeiten, die ans die Revolution Bezug hatten. Er
vertiefte sich auch in den ,,Moniteur," sodaß er ,,mit den Urhebern der
revolutionären Bewegung gleichsam persönlich bekannt wurde." Er lernte
dabei, wie er sagt, nicht allein die Motive, die sie kundgaben, sondern much
die Absichten, die ihnen vorschwebten, besser kennen, als wenn er sich erst um
Autoritäten zweiter Hand gewendet hätte. „In mir selbst — gesteht er —
kam ich über das Problem, ob die Revolution ein allgemeines, Geist und
Gemüt mit Notwendigkeit bestimmendes und eine unbedingte Teilnahme er¬
forderndes Interesse in sich habe, oder ob es ein Ereignis sei, das, wie andre,
seine eigentümlichen Wurzeln in den Thatsachen hatte und ans Verflechtungen
hervorging, die mich andre hätten sein können — zur Entscheidung. Ich erkannte
die unendliche Bedeutung für die Welt und für jeden Einzelnen, die darin liegt,
lebendig an, versöhnte mich aber doch mit den entgegengesetzten Bestrebungen
der von der Bewegung nicht ergriffenen europäischen Welt. In meinen
Papieren finden sich noch Versuche der Kritik über die wichtigsten biographischen
Denkmale der Epoche. Genug, ich gelaugte unter den eifrigsten Studien zu
einer beide Seiten in sich begreifenden Auffassung, die mir eine gewisse innere
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