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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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auf hölzernen Ständern fünf Laternen, um nachts den Eintretenden zu leuchten,
was sehr zweckmäßig ist. Neben dein Hofe liegt der Garten mit Blumen und
Früchten, xm'wrröL auf französisch, und im Hintergrunde ein schönes Theater,
Mitten hindurch fließt ein Bach, über den eine Brücke führt, die mittels einiger
Gegengewichte in zwei Teilen in die Höhe geht. Neben einem Teile des Gartens
erblickt man ein im Bau begriffenes Gebäude, das zur Bibliothek bestimmt ist,
und zwar in dem Teile unterhalb der Gallerte und des Kvrridors. Im Palast
ist die Wohnung des Kurfürsten sehenswert, die reich ist an Möbeln und an
Gemälden berühmter italienischer Maler, sowie die schön ausgestattete, aber aus
kleinen Zimmern bestehende Wohnung der Kurfürstin, Ihr Schlafzimmer
enthält vortreffliche Gemälde und prächtiges Porzellan auf chinesischen
Schränken, der Fußboden ist parkettirt und nach savoyischer Sitte mit Wachs
gebohrt. Der Alkoven ist ganz mit Gold ausgelegt und hat vorn ein schönes
Geländer. Die Bibliothek und die Knnstkanuner") sind zwei Nischen, die eine
voller Bücher, die andre voller Kuriositäten, wie Cameen, alte und seltene
Münzen, verschiedne Tiere, sowie chinesische als auch europäische, recht
schlüpfrige Gemälde, von denen einige die klösterliche Zucht und Keuschheit
arg in Mißachtung bringen. Unter den Raritäten befindet sich ein Stück
gelben Bernsteins im Gewicht von dreißig deutschen Pfund, und ein andres
zwanzig Pfund schweres Stück weißen Bernsteins ; bis jetzt sind bei dem Fischen
des Bernsteins, das in der Ostsee an der Küste des dem Kurfürsten gehörigen
Herzogtums Preußen betrieben wird, Stücke von größerem Gewicht nicht ge¬
funden worden.

Die Reitbahn und der Marstall befinden sich nicht hier im Schlosse,
sondern in einem eignen, sehr großen Gebäude, das für achthundert Pferde
Raum haben wird, von dem aber bis jetzt erst die Hälfte, für vierhundert
Pferde also, fertig ist. Der jetzige Kurfürst ist kein sonderlicher Liebhaber von
Pferden; doch sah ich sehr schöne Dienstpferde.

Die kurfürstliche Livree ist aus blauem Tuch, mit karmoisinrvtem Sammet¬
besatz und reicher Goldstickerei. Je nach der Wichtigkeit des Amtes unter¬
scheiden sich die Röcke in der Stickerei, d. h. nur an den Ärmeln: bei dein
einen sind sie der Länge, bei einem andern der Quere nach, bei einem dritten
nur an den Aufschlägen gestickt. Die Pagen tragen dieselbe Livree; sie wird
niemals, weder in der Stadt noch auf dem Lande, gewechselt.

In Brandenburg ist bei den Privatleuten kein großer Reichtum, wotzl
aber bei dem Fürsten, welcher über eine Million Thaler Einkünfte haben soll.

Außer den viele" Truppen, die in den Festungen liegen, kann der Kurfürst
mit Leichtigkeit 24 000 Mann Infanterie und L000 Mann Kavallerie auf die
Beine bringen und in seinen Staaten ohne Beihilfe der Nachbarn unterhaltein



^) Der Grundstock des jetzigen königlichen Knnstgewcrbeninsenms in Berlin.

auf hölzernen Ständern fünf Laternen, um nachts den Eintretenden zu leuchten,
was sehr zweckmäßig ist. Neben dein Hofe liegt der Garten mit Blumen und
Früchten, xm'wrröL auf französisch, und im Hintergrunde ein schönes Theater,
Mitten hindurch fließt ein Bach, über den eine Brücke führt, die mittels einiger
Gegengewichte in zwei Teilen in die Höhe geht. Neben einem Teile des Gartens
erblickt man ein im Bau begriffenes Gebäude, das zur Bibliothek bestimmt ist,
und zwar in dem Teile unterhalb der Gallerte und des Kvrridors. Im Palast
ist die Wohnung des Kurfürsten sehenswert, die reich ist an Möbeln und an
Gemälden berühmter italienischer Maler, sowie die schön ausgestattete, aber aus
kleinen Zimmern bestehende Wohnung der Kurfürstin, Ihr Schlafzimmer
enthält vortreffliche Gemälde und prächtiges Porzellan auf chinesischen
Schränken, der Fußboden ist parkettirt und nach savoyischer Sitte mit Wachs
gebohrt. Der Alkoven ist ganz mit Gold ausgelegt und hat vorn ein schönes
Geländer. Die Bibliothek und die Knnstkanuner") sind zwei Nischen, die eine
voller Bücher, die andre voller Kuriositäten, wie Cameen, alte und seltene
Münzen, verschiedne Tiere, sowie chinesische als auch europäische, recht
schlüpfrige Gemälde, von denen einige die klösterliche Zucht und Keuschheit
arg in Mißachtung bringen. Unter den Raritäten befindet sich ein Stück
gelben Bernsteins im Gewicht von dreißig deutschen Pfund, und ein andres
zwanzig Pfund schweres Stück weißen Bernsteins ; bis jetzt sind bei dem Fischen
des Bernsteins, das in der Ostsee an der Küste des dem Kurfürsten gehörigen
Herzogtums Preußen betrieben wird, Stücke von größerem Gewicht nicht ge¬
funden worden.

Die Reitbahn und der Marstall befinden sich nicht hier im Schlosse,
sondern in einem eignen, sehr großen Gebäude, das für achthundert Pferde
Raum haben wird, von dem aber bis jetzt erst die Hälfte, für vierhundert
Pferde also, fertig ist. Der jetzige Kurfürst ist kein sonderlicher Liebhaber von
Pferden; doch sah ich sehr schöne Dienstpferde.

Die kurfürstliche Livree ist aus blauem Tuch, mit karmoisinrvtem Sammet¬
besatz und reicher Goldstickerei. Je nach der Wichtigkeit des Amtes unter¬
scheiden sich die Röcke in der Stickerei, d. h. nur an den Ärmeln: bei dein
einen sind sie der Länge, bei einem andern der Quere nach, bei einem dritten
nur an den Aufschlägen gestickt. Die Pagen tragen dieselbe Livree; sie wird
niemals, weder in der Stadt noch auf dem Lande, gewechselt.

In Brandenburg ist bei den Privatleuten kein großer Reichtum, wotzl
aber bei dem Fürsten, welcher über eine Million Thaler Einkünfte haben soll.

Außer den viele» Truppen, die in den Festungen liegen, kann der Kurfürst
mit Leichtigkeit 24 000 Mann Infanterie und L000 Mann Kavallerie auf die
Beine bringen und in seinen Staaten ohne Beihilfe der Nachbarn unterhaltein



^) Der Grundstock des jetzigen königlichen Knnstgewcrbeninsenms in Berlin.
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[0035] auf hölzernen Ständern fünf Laternen, um nachts den Eintretenden zu leuchten, was sehr zweckmäßig ist. Neben dein Hofe liegt der Garten mit Blumen und Früchten, xm'wrröL auf französisch, und im Hintergrunde ein schönes Theater, Mitten hindurch fließt ein Bach, über den eine Brücke führt, die mittels einiger Gegengewichte in zwei Teilen in die Höhe geht. Neben einem Teile des Gartens erblickt man ein im Bau begriffenes Gebäude, das zur Bibliothek bestimmt ist, und zwar in dem Teile unterhalb der Gallerte und des Kvrridors. Im Palast ist die Wohnung des Kurfürsten sehenswert, die reich ist an Möbeln und an Gemälden berühmter italienischer Maler, sowie die schön ausgestattete, aber aus kleinen Zimmern bestehende Wohnung der Kurfürstin, Ihr Schlafzimmer enthält vortreffliche Gemälde und prächtiges Porzellan auf chinesischen Schränken, der Fußboden ist parkettirt und nach savoyischer Sitte mit Wachs gebohrt. Der Alkoven ist ganz mit Gold ausgelegt und hat vorn ein schönes Geländer. Die Bibliothek und die Knnstkanuner") sind zwei Nischen, die eine voller Bücher, die andre voller Kuriositäten, wie Cameen, alte und seltene Münzen, verschiedne Tiere, sowie chinesische als auch europäische, recht schlüpfrige Gemälde, von denen einige die klösterliche Zucht und Keuschheit arg in Mißachtung bringen. Unter den Raritäten befindet sich ein Stück gelben Bernsteins im Gewicht von dreißig deutschen Pfund, und ein andres zwanzig Pfund schweres Stück weißen Bernsteins ; bis jetzt sind bei dem Fischen des Bernsteins, das in der Ostsee an der Küste des dem Kurfürsten gehörigen Herzogtums Preußen betrieben wird, Stücke von größerem Gewicht nicht ge¬ funden worden. Die Reitbahn und der Marstall befinden sich nicht hier im Schlosse, sondern in einem eignen, sehr großen Gebäude, das für achthundert Pferde Raum haben wird, von dem aber bis jetzt erst die Hälfte, für vierhundert Pferde also, fertig ist. Der jetzige Kurfürst ist kein sonderlicher Liebhaber von Pferden; doch sah ich sehr schöne Dienstpferde. Die kurfürstliche Livree ist aus blauem Tuch, mit karmoisinrvtem Sammet¬ besatz und reicher Goldstickerei. Je nach der Wichtigkeit des Amtes unter¬ scheiden sich die Röcke in der Stickerei, d. h. nur an den Ärmeln: bei dein einen sind sie der Länge, bei einem andern der Quere nach, bei einem dritten nur an den Aufschlägen gestickt. Die Pagen tragen dieselbe Livree; sie wird niemals, weder in der Stadt noch auf dem Lande, gewechselt. In Brandenburg ist bei den Privatleuten kein großer Reichtum, wotzl aber bei dem Fürsten, welcher über eine Million Thaler Einkünfte haben soll. Außer den viele» Truppen, die in den Festungen liegen, kann der Kurfürst mit Leichtigkeit 24 000 Mann Infanterie und L000 Mann Kavallerie auf die Beine bringen und in seinen Staaten ohne Beihilfe der Nachbarn unterhaltein ^) Der Grundstock des jetzigen königlichen Knnstgewcrbeninsenms in Berlin.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/35>, abgerufen am 29.06.2024.