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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Berlin und sein Hof im Jahre ^6<M

sobald er keinen Krieg führt, stellt er seine Truppen in den Sold andrer.
Der Kurfürst hat 4000 Mann auf den Beinen, nämlich in Flandern, Italien
und Ungarn, Mit dem Gewinn, der ihm aus der Stellung dieser Truppen
zufließt, bezahlt er seine Leibgarden, weswegen es sür die dentschen Fürsten
von Nutzen ist, den Krieg in die Länge zu ziehen, doch nur für die, die damit
nichts zu thun habe". Die Leibgarde ist drei Kompagnien stark, von denen
eine 400 Mann zählt, ausgesuchte und vortrefflich ausgerüstete Leute; dazu
kommt noch das Kadetten- und das Trnbantenkorps. Alle diese Leibtruppen
tragen prächtige Uniformen ans rotem Tuch, mit- goldenen Knöpfen und
einer Tresse an: Hut. Der hiesige Hof wird für einen der glänzendsten in
Europa gehalten.

In Deutschland giebt es, abgesehen vom Kaiser, keinen Fürsten, der
mächtiger wäre als der Kurfürst von Brandenburg, oder dessen Staaten eine
ebensolche Ausdehnung hätten. Er kann zweihundert Meilen weit auf seinem
Grund und Boden wandern, von der holländischen bis an die ^irländische
Grenze, nämlich von Kleve bis dnrch das ganze Herzogtum Preußen, ohne
daß ihm andre Fürsten, ausgenommen der Bischof von Münster auf drei oder
vier Stunden, in die Quere kommen. Die kurfürstlichen Staaten enthalten
60 Städte, 38 Festungen, 17 säkularisirte Abteien, sehr viele Marktflecken und
eine Unzahl von Dörfern. Das Wappen des Kurfürsten zerfüllt in siebenund-
zwanzig Felder, die rings um das Szepter gruppirt sind; dieses letztere ist
ein Privileg des Kurfürsten, da er bei Aufzügen und feierlichen Anlässen das
kaiserliche Szepter trägt. Er hat auch den Titel: Erster Kammerherr des
heiligen römischen Reiches, geht zur Rechten des Kurfürsten von Baiern und
ist der vierte in der Rangordnung der Kurfürsten. Wenn der Kurfürst von
Brandenburg dem Kaiser bei der Tafel aufwartet, reicht er Waschwasser und
Handtuch.

Der Kurfürst wurde am I, Juli 165>7 geboren, und zwar aus der Ehe
Friedrich Wilhelms, der 1688 starb, mit der 1667 verstorbenen Luise Henriette,
der Tochter des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien; folglich ist,er mit
dein Prinzen Wilhelm von Oranien, dem König von England, nahe verwandt.
Die noch lebenden Brüder des Kurfürsten sind: 1. Philipp Wilhelm, geboren
1669, Markgraf, was ein Titel für die Zweitgeborenen ist, mit 60 000 Thalern
Apanage; 2. Albert Friedrich, geboren 1672, Großmeister des Johanniter-
ordens'(von dem ich noch näher berichten werde), mit 30 000 Thalern Ein¬
künften; 3., Christian Ludwig, geboren 1677, in flandrischen Diensten stehend,
mit einer Leibrente von 12 000 Thalern; die Schwestern sind: 1. Marie
Emilie,") vermählt mit dem Herzog Karl von Mecklenburg - Güstrow, in
zweiter Ehe mit dem Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz; 2. Elisabeth



Ancille,
Berlin und sein Hof im Jahre ^6<M

sobald er keinen Krieg führt, stellt er seine Truppen in den Sold andrer.
Der Kurfürst hat 4000 Mann auf den Beinen, nämlich in Flandern, Italien
und Ungarn, Mit dem Gewinn, der ihm aus der Stellung dieser Truppen
zufließt, bezahlt er seine Leibgarden, weswegen es sür die dentschen Fürsten
von Nutzen ist, den Krieg in die Länge zu ziehen, doch nur für die, die damit
nichts zu thun habe». Die Leibgarde ist drei Kompagnien stark, von denen
eine 400 Mann zählt, ausgesuchte und vortrefflich ausgerüstete Leute; dazu
kommt noch das Kadetten- und das Trnbantenkorps. Alle diese Leibtruppen
tragen prächtige Uniformen ans rotem Tuch, mit- goldenen Knöpfen und
einer Tresse an: Hut. Der hiesige Hof wird für einen der glänzendsten in
Europa gehalten.

In Deutschland giebt es, abgesehen vom Kaiser, keinen Fürsten, der
mächtiger wäre als der Kurfürst von Brandenburg, oder dessen Staaten eine
ebensolche Ausdehnung hätten. Er kann zweihundert Meilen weit auf seinem
Grund und Boden wandern, von der holländischen bis an die ^irländische
Grenze, nämlich von Kleve bis dnrch das ganze Herzogtum Preußen, ohne
daß ihm andre Fürsten, ausgenommen der Bischof von Münster auf drei oder
vier Stunden, in die Quere kommen. Die kurfürstlichen Staaten enthalten
60 Städte, 38 Festungen, 17 säkularisirte Abteien, sehr viele Marktflecken und
eine Unzahl von Dörfern. Das Wappen des Kurfürsten zerfüllt in siebenund-
zwanzig Felder, die rings um das Szepter gruppirt sind; dieses letztere ist
ein Privileg des Kurfürsten, da er bei Aufzügen und feierlichen Anlässen das
kaiserliche Szepter trägt. Er hat auch den Titel: Erster Kammerherr des
heiligen römischen Reiches, geht zur Rechten des Kurfürsten von Baiern und
ist der vierte in der Rangordnung der Kurfürsten. Wenn der Kurfürst von
Brandenburg dem Kaiser bei der Tafel aufwartet, reicht er Waschwasser und
Handtuch.

Der Kurfürst wurde am I, Juli 165>7 geboren, und zwar aus der Ehe
Friedrich Wilhelms, der 1688 starb, mit der 1667 verstorbenen Luise Henriette,
der Tochter des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien; folglich ist,er mit
dein Prinzen Wilhelm von Oranien, dem König von England, nahe verwandt.
Die noch lebenden Brüder des Kurfürsten sind: 1. Philipp Wilhelm, geboren
1669, Markgraf, was ein Titel für die Zweitgeborenen ist, mit 60 000 Thalern
Apanage; 2. Albert Friedrich, geboren 1672, Großmeister des Johanniter-
ordens'(von dem ich noch näher berichten werde), mit 30 000 Thalern Ein¬
künften; 3., Christian Ludwig, geboren 1677, in flandrischen Diensten stehend,
mit einer Leibrente von 12 000 Thalern; die Schwestern sind: 1. Marie
Emilie,") vermählt mit dem Herzog Karl von Mecklenburg - Güstrow, in
zweiter Ehe mit dem Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz; 2. Elisabeth



Ancille,
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[0036] Berlin und sein Hof im Jahre ^6<M sobald er keinen Krieg führt, stellt er seine Truppen in den Sold andrer. Der Kurfürst hat 4000 Mann auf den Beinen, nämlich in Flandern, Italien und Ungarn, Mit dem Gewinn, der ihm aus der Stellung dieser Truppen zufließt, bezahlt er seine Leibgarden, weswegen es sür die dentschen Fürsten von Nutzen ist, den Krieg in die Länge zu ziehen, doch nur für die, die damit nichts zu thun habe». Die Leibgarde ist drei Kompagnien stark, von denen eine 400 Mann zählt, ausgesuchte und vortrefflich ausgerüstete Leute; dazu kommt noch das Kadetten- und das Trnbantenkorps. Alle diese Leibtruppen tragen prächtige Uniformen ans rotem Tuch, mit- goldenen Knöpfen und einer Tresse an: Hut. Der hiesige Hof wird für einen der glänzendsten in Europa gehalten. In Deutschland giebt es, abgesehen vom Kaiser, keinen Fürsten, der mächtiger wäre als der Kurfürst von Brandenburg, oder dessen Staaten eine ebensolche Ausdehnung hätten. Er kann zweihundert Meilen weit auf seinem Grund und Boden wandern, von der holländischen bis an die ^irländische Grenze, nämlich von Kleve bis dnrch das ganze Herzogtum Preußen, ohne daß ihm andre Fürsten, ausgenommen der Bischof von Münster auf drei oder vier Stunden, in die Quere kommen. Die kurfürstlichen Staaten enthalten 60 Städte, 38 Festungen, 17 säkularisirte Abteien, sehr viele Marktflecken und eine Unzahl von Dörfern. Das Wappen des Kurfürsten zerfüllt in siebenund- zwanzig Felder, die rings um das Szepter gruppirt sind; dieses letztere ist ein Privileg des Kurfürsten, da er bei Aufzügen und feierlichen Anlässen das kaiserliche Szepter trägt. Er hat auch den Titel: Erster Kammerherr des heiligen römischen Reiches, geht zur Rechten des Kurfürsten von Baiern und ist der vierte in der Rangordnung der Kurfürsten. Wenn der Kurfürst von Brandenburg dem Kaiser bei der Tafel aufwartet, reicht er Waschwasser und Handtuch. Der Kurfürst wurde am I, Juli 165>7 geboren, und zwar aus der Ehe Friedrich Wilhelms, der 1688 starb, mit der 1667 verstorbenen Luise Henriette, der Tochter des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien; folglich ist,er mit dein Prinzen Wilhelm von Oranien, dem König von England, nahe verwandt. Die noch lebenden Brüder des Kurfürsten sind: 1. Philipp Wilhelm, geboren 1669, Markgraf, was ein Titel für die Zweitgeborenen ist, mit 60 000 Thalern Apanage; 2. Albert Friedrich, geboren 1672, Großmeister des Johanniter- ordens'(von dem ich noch näher berichten werde), mit 30 000 Thalern Ein¬ künften; 3., Christian Ludwig, geboren 1677, in flandrischen Diensten stehend, mit einer Leibrente von 12 000 Thalern; die Schwestern sind: 1. Marie Emilie,") vermählt mit dem Herzog Karl von Mecklenburg - Güstrow, in zweiter Ehe mit dem Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz; 2. Elisabeth Ancille,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/36>, abgerufen am 26.06.2024.