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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Zur Frage des bürgerlichen Gesetzbuches

Von fünf starken Bänden "Motiven" begleitet ist, die ans den Vorarbeiten der
Redaktoren und den Beratnngsprotokvllen der Kommission zusammengeschrieben
sind, daß auch nach 8 I des Entwurfs, der den "Geist der Rechtsordnung"
als subsidiäre Rechtsquelle bezeichnet, diese Motive neben den Paragraphen des
Gesetzes Anspruch aus unmittelbare Geltung haben würden. Diese Motive
lassen einen noch tieferen Einblick in die geistige Werkstatt zu, ans der der
Entwurf hervorgegangen ist.

Unbedingt ist anzuerkennen, daß die Kommission bemüht gewesen ist, als
Grundlage ihres Werkes einen möglichst vollständigen Überblick über das in
Deutschland geltende Recht zu gewinnen. Im Umfange des von der Kommission
bearbeiteten Stoffes enthalten die Motive eine ziemlich vollständige Sammlung
alles Wissenswerten sowohl ans der gemeinrechtlichen Theorie als auch aus
den in Deutschland geltenden Gesetzbüchern und den einschlagenden Landes¬
gesetzen. Diese von großem Fleiß zeugende Sammlung wird stets als Material
ihren Wert behalten.

Soweit nun dieses Material mit richtigem Verständnis in den Entwurf
übergegangen ist, enthält dieser viel Brauchbares und schätzenswertes.
Namentlich hat das preußische Landrecht öfters einen befruchtenden Einfluß
ans den Entwurf geübt. Möglich, daß auch eine Reihe wertvoller Gedanken
des Entwurfes aus der eignen Initiative der Kommission hervorgegangen ist.
Es ist ja außerordentlich schwer, zu erkennen, was in dem Werke der Kom¬
mission selbst angehört und was sie anderswoher entnommen hat. Keinesfalls
möchten wir der Kommission dadurch zu nahe treten, daß wir nicht das, was
sie Gutes geleistet hat, anerkannten.

Aber bei weitem nicht überall hat die Kommission das ihr zu Gebote
stehende Material mit wahrhaft wissenschaftlichem Geiste durchdrungen und mit
Praktischen Sinne zu gestalten verstanden. Es fehlt nicht an verfehlten
Theorien, die den Paragraphen des Entwurfs zu Grunde liegen und dann
noch des breitern in den Motiven vorgetragen werden. Eine wahre Scheu
scheint aber die Kommisston davor gehabt zu haben, praktische Gedanken, für
die sie nicht in der Theorie schon eine Grundlage vorfand, irgend zu verwirk¬
lichen. So sind eine Menge Dinge, die, wenn man einmal kodifizirt, dringend
der einheitlichen Ordnung bedürfen, im EntWurfe weggeblieben. Bis zu einem
gewissen Maße kommt der Kommission für diese Auslassungen allerdings der
von der Vorkommissivn erstattete Bericht zu statten. Darnach sollten gewisse
Rechtsgebiete von dem Entwürfe ausgeschlossen bleiben. So namentlich das
bäuerliche Güterrecht. Ferner das Verlagsrecht und das Versichcrungsrecht, die
in Verbindung mit der Revision des Handelsgesetzbuchs in Angriff genommen
werden sollten.") Bei einer Menge andrer Gegenstände <Forstrecht, Wasser-



DaS Verlagsrecht als Teil des Handelsrechts zu betrachten ist ganz unpassend.
Zur Frage des bürgerlichen Gesetzbuches

Von fünf starken Bänden „Motiven" begleitet ist, die ans den Vorarbeiten der
Redaktoren und den Beratnngsprotokvllen der Kommission zusammengeschrieben
sind, daß auch nach 8 I des Entwurfs, der den „Geist der Rechtsordnung"
als subsidiäre Rechtsquelle bezeichnet, diese Motive neben den Paragraphen des
Gesetzes Anspruch aus unmittelbare Geltung haben würden. Diese Motive
lassen einen noch tieferen Einblick in die geistige Werkstatt zu, ans der der
Entwurf hervorgegangen ist.

Unbedingt ist anzuerkennen, daß die Kommission bemüht gewesen ist, als
Grundlage ihres Werkes einen möglichst vollständigen Überblick über das in
Deutschland geltende Recht zu gewinnen. Im Umfange des von der Kommission
bearbeiteten Stoffes enthalten die Motive eine ziemlich vollständige Sammlung
alles Wissenswerten sowohl ans der gemeinrechtlichen Theorie als auch aus
den in Deutschland geltenden Gesetzbüchern und den einschlagenden Landes¬
gesetzen. Diese von großem Fleiß zeugende Sammlung wird stets als Material
ihren Wert behalten.

Soweit nun dieses Material mit richtigem Verständnis in den Entwurf
übergegangen ist, enthält dieser viel Brauchbares und schätzenswertes.
Namentlich hat das preußische Landrecht öfters einen befruchtenden Einfluß
ans den Entwurf geübt. Möglich, daß auch eine Reihe wertvoller Gedanken
des Entwurfes aus der eignen Initiative der Kommission hervorgegangen ist.
Es ist ja außerordentlich schwer, zu erkennen, was in dem Werke der Kom¬
mission selbst angehört und was sie anderswoher entnommen hat. Keinesfalls
möchten wir der Kommission dadurch zu nahe treten, daß wir nicht das, was
sie Gutes geleistet hat, anerkannten.

Aber bei weitem nicht überall hat die Kommission das ihr zu Gebote
stehende Material mit wahrhaft wissenschaftlichem Geiste durchdrungen und mit
Praktischen Sinne zu gestalten verstanden. Es fehlt nicht an verfehlten
Theorien, die den Paragraphen des Entwurfs zu Grunde liegen und dann
noch des breitern in den Motiven vorgetragen werden. Eine wahre Scheu
scheint aber die Kommisston davor gehabt zu haben, praktische Gedanken, für
die sie nicht in der Theorie schon eine Grundlage vorfand, irgend zu verwirk¬
lichen. So sind eine Menge Dinge, die, wenn man einmal kodifizirt, dringend
der einheitlichen Ordnung bedürfen, im EntWurfe weggeblieben. Bis zu einem
gewissen Maße kommt der Kommission für diese Auslassungen allerdings der
von der Vorkommissivn erstattete Bericht zu statten. Darnach sollten gewisse
Rechtsgebiete von dem Entwürfe ausgeschlossen bleiben. So namentlich das
bäuerliche Güterrecht. Ferner das Verlagsrecht und das Versichcrungsrecht, die
in Verbindung mit der Revision des Handelsgesetzbuchs in Angriff genommen
werden sollten.") Bei einer Menge andrer Gegenstände <Forstrecht, Wasser-



DaS Verlagsrecht als Teil des Handelsrechts zu betrachten ist ganz unpassend.
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[0309] Zur Frage des bürgerlichen Gesetzbuches Von fünf starken Bänden „Motiven" begleitet ist, die ans den Vorarbeiten der Redaktoren und den Beratnngsprotokvllen der Kommission zusammengeschrieben sind, daß auch nach 8 I des Entwurfs, der den „Geist der Rechtsordnung" als subsidiäre Rechtsquelle bezeichnet, diese Motive neben den Paragraphen des Gesetzes Anspruch aus unmittelbare Geltung haben würden. Diese Motive lassen einen noch tieferen Einblick in die geistige Werkstatt zu, ans der der Entwurf hervorgegangen ist. Unbedingt ist anzuerkennen, daß die Kommission bemüht gewesen ist, als Grundlage ihres Werkes einen möglichst vollständigen Überblick über das in Deutschland geltende Recht zu gewinnen. Im Umfange des von der Kommission bearbeiteten Stoffes enthalten die Motive eine ziemlich vollständige Sammlung alles Wissenswerten sowohl ans der gemeinrechtlichen Theorie als auch aus den in Deutschland geltenden Gesetzbüchern und den einschlagenden Landes¬ gesetzen. Diese von großem Fleiß zeugende Sammlung wird stets als Material ihren Wert behalten. Soweit nun dieses Material mit richtigem Verständnis in den Entwurf übergegangen ist, enthält dieser viel Brauchbares und schätzenswertes. Namentlich hat das preußische Landrecht öfters einen befruchtenden Einfluß ans den Entwurf geübt. Möglich, daß auch eine Reihe wertvoller Gedanken des Entwurfes aus der eignen Initiative der Kommission hervorgegangen ist. Es ist ja außerordentlich schwer, zu erkennen, was in dem Werke der Kom¬ mission selbst angehört und was sie anderswoher entnommen hat. Keinesfalls möchten wir der Kommission dadurch zu nahe treten, daß wir nicht das, was sie Gutes geleistet hat, anerkannten. Aber bei weitem nicht überall hat die Kommission das ihr zu Gebote stehende Material mit wahrhaft wissenschaftlichem Geiste durchdrungen und mit Praktischen Sinne zu gestalten verstanden. Es fehlt nicht an verfehlten Theorien, die den Paragraphen des Entwurfs zu Grunde liegen und dann noch des breitern in den Motiven vorgetragen werden. Eine wahre Scheu scheint aber die Kommisston davor gehabt zu haben, praktische Gedanken, für die sie nicht in der Theorie schon eine Grundlage vorfand, irgend zu verwirk¬ lichen. So sind eine Menge Dinge, die, wenn man einmal kodifizirt, dringend der einheitlichen Ordnung bedürfen, im EntWurfe weggeblieben. Bis zu einem gewissen Maße kommt der Kommission für diese Auslassungen allerdings der von der Vorkommissivn erstattete Bericht zu statten. Darnach sollten gewisse Rechtsgebiete von dem Entwürfe ausgeschlossen bleiben. So namentlich das bäuerliche Güterrecht. Ferner das Verlagsrecht und das Versichcrungsrecht, die in Verbindung mit der Revision des Handelsgesetzbuchs in Angriff genommen werden sollten.") Bei einer Menge andrer Gegenstände <Forstrecht, Wasser- DaS Verlagsrecht als Teil des Handelsrechts zu betrachten ist ganz unpassend.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/309>, abgerufen am 23.07.2024.