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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Das Aufrücken der Lehrer ein den höhern Unterrichtsanstalten Preußens

scheu Zusammenstellungen über das Dienstalter der Gymnasiallehrer von West¬
falen, Sachsen, Hessen-Nassau, Ost- und Westpreußen.

Infolge dieser offenbaren Mißstände hat nun der Herr Kultusminister
angeordnet, daß mehr auf Gleichmäßigkeit gesehen werden soll. So ist es
denn neuerdings in den uns bekannten Provinzen auch einigemale vorgekommen,
daß Lehrer, die zu lauge auf einer Stelle gesessen hatten, weggebracht und
anderswohin, wo das Aufrücken zu schnell erfolgte, eingeschoben wurden. Eine
solche Ausgleichung pflegt aber bei der jetzigen Einrichtung auch Mißstände
von mancherlei Art im Gefolge zu haben. Als Beweis diene folgendes.
Einem Bekannten wurde nach längerm Sitzen uns der vorletzten (sechsten)
ordentlichen Stelle die besondre Vergünstigung zuteil, in die dritte ordentliche
Stelle eines andern Gymnasiums versetzt zu werden, wodurch er eine Gehalts¬
aufbesserung von 600 Mark erhielt. Da aber gleichzeitig an der Anstalt, wo
der Betreffende bisher gewirkt und trotz des langsamen Aufrückens wegen der
sonstigen angenehmen dienstlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse sich sehr
wohl gefühlt hatte, auch plötzlich eine Vakanz eintrat, somit die Gelegenheit
geboten gewesen wäre, den Betreffenden wenigstens um eine Stelle (d. i. um
300 Mary steigen zu lassen, so stellte sich in Anbetracht des um 60 Mark
geringern Wohuungsgeldzuschusses an seinem neuen Amtssitze der ganze Bor¬
ten, den er bei seiner Versetzung erreicht hatte, auf 240 Mark. Bei der
jetzigen Einrichtung wird der Lehrer aus liebgewordenen Verhältnissen heraus¬
gerissen und das Verhältnis zwischen den Kollegen, wie das zwischen Lehrern
und Schülern gestört. Wenn Aufrücke" in Altersklassen durch die ganze Pro¬
vinz oder den Staat erfolgte, würde der Staat gar nicht genötigt sein, Ver-
setzungen vorzunehmen. Er würde also auch die Umzngskosten sparen, die er
jetzt und später, wenn das Aufrücken ein gerechtes und geregeltes werden soll,
zahlen muß.

Ein weiterer Mißstand ist der, daß gewöhnlich ein auf solche Weise in
ein schnell aufrückendes Kollegium eiugeschobeuer Lehrer Kollegen zu Vorder¬
männern erhält, die im Dienstalter jünger sind als er. So bekam z. B. der
ebenerwähnte Lehrer zwei im Dienstalter jüngere Kollegen als Vordermänner.
Auch das ist kein besonders erhebendes Gefühl, wenn man sich sagen muß:
Eigentlich hättest du deinem Dienstalter nach noch zwei Stellen höher rücken
müssen! So ist es gekommen, daß die beiden jüngern Kollegen, der eine seit
sechs, der andre seit vier Jahren schon Oberlehrer geworden sind, wahrend
der Betreffende bei längerer Dienstzeit noch die erste ordentliche Stelle
inne hat.

Eine gerechte Ausgleichung in Zukunft zu schaffen, ist der Behörde bei
der jetzigen Einrichtung oft geradezu unmöglich. Gesetzt, es fehlt ein Lehrer
für eins der Fächer, die an kleinern Anstalten nur einen Vertreter haben,
z. B. der Religionslehrer, der Mathematiker oder der Geschichtslehrer. Bei


Das Aufrücken der Lehrer ein den höhern Unterrichtsanstalten Preußens

scheu Zusammenstellungen über das Dienstalter der Gymnasiallehrer von West¬
falen, Sachsen, Hessen-Nassau, Ost- und Westpreußen.

Infolge dieser offenbaren Mißstände hat nun der Herr Kultusminister
angeordnet, daß mehr auf Gleichmäßigkeit gesehen werden soll. So ist es
denn neuerdings in den uns bekannten Provinzen auch einigemale vorgekommen,
daß Lehrer, die zu lauge auf einer Stelle gesessen hatten, weggebracht und
anderswohin, wo das Aufrücken zu schnell erfolgte, eingeschoben wurden. Eine
solche Ausgleichung pflegt aber bei der jetzigen Einrichtung auch Mißstände
von mancherlei Art im Gefolge zu haben. Als Beweis diene folgendes.
Einem Bekannten wurde nach längerm Sitzen uns der vorletzten (sechsten)
ordentlichen Stelle die besondre Vergünstigung zuteil, in die dritte ordentliche
Stelle eines andern Gymnasiums versetzt zu werden, wodurch er eine Gehalts¬
aufbesserung von 600 Mark erhielt. Da aber gleichzeitig an der Anstalt, wo
der Betreffende bisher gewirkt und trotz des langsamen Aufrückens wegen der
sonstigen angenehmen dienstlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse sich sehr
wohl gefühlt hatte, auch plötzlich eine Vakanz eintrat, somit die Gelegenheit
geboten gewesen wäre, den Betreffenden wenigstens um eine Stelle (d. i. um
300 Mary steigen zu lassen, so stellte sich in Anbetracht des um 60 Mark
geringern Wohuungsgeldzuschusses an seinem neuen Amtssitze der ganze Bor¬
ten, den er bei seiner Versetzung erreicht hatte, auf 240 Mark. Bei der
jetzigen Einrichtung wird der Lehrer aus liebgewordenen Verhältnissen heraus¬
gerissen und das Verhältnis zwischen den Kollegen, wie das zwischen Lehrern
und Schülern gestört. Wenn Aufrücke« in Altersklassen durch die ganze Pro¬
vinz oder den Staat erfolgte, würde der Staat gar nicht genötigt sein, Ver-
setzungen vorzunehmen. Er würde also auch die Umzngskosten sparen, die er
jetzt und später, wenn das Aufrücken ein gerechtes und geregeltes werden soll,
zahlen muß.

Ein weiterer Mißstand ist der, daß gewöhnlich ein auf solche Weise in
ein schnell aufrückendes Kollegium eiugeschobeuer Lehrer Kollegen zu Vorder¬
männern erhält, die im Dienstalter jünger sind als er. So bekam z. B. der
ebenerwähnte Lehrer zwei im Dienstalter jüngere Kollegen als Vordermänner.
Auch das ist kein besonders erhebendes Gefühl, wenn man sich sagen muß:
Eigentlich hättest du deinem Dienstalter nach noch zwei Stellen höher rücken
müssen! So ist es gekommen, daß die beiden jüngern Kollegen, der eine seit
sechs, der andre seit vier Jahren schon Oberlehrer geworden sind, wahrend
der Betreffende bei längerer Dienstzeit noch die erste ordentliche Stelle
inne hat.

Eine gerechte Ausgleichung in Zukunft zu schaffen, ist der Behörde bei
der jetzigen Einrichtung oft geradezu unmöglich. Gesetzt, es fehlt ein Lehrer
für eins der Fächer, die an kleinern Anstalten nur einen Vertreter haben,
z. B. der Religionslehrer, der Mathematiker oder der Geschichtslehrer. Bei


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[0071] Das Aufrücken der Lehrer ein den höhern Unterrichtsanstalten Preußens scheu Zusammenstellungen über das Dienstalter der Gymnasiallehrer von West¬ falen, Sachsen, Hessen-Nassau, Ost- und Westpreußen. Infolge dieser offenbaren Mißstände hat nun der Herr Kultusminister angeordnet, daß mehr auf Gleichmäßigkeit gesehen werden soll. So ist es denn neuerdings in den uns bekannten Provinzen auch einigemale vorgekommen, daß Lehrer, die zu lauge auf einer Stelle gesessen hatten, weggebracht und anderswohin, wo das Aufrücken zu schnell erfolgte, eingeschoben wurden. Eine solche Ausgleichung pflegt aber bei der jetzigen Einrichtung auch Mißstände von mancherlei Art im Gefolge zu haben. Als Beweis diene folgendes. Einem Bekannten wurde nach längerm Sitzen uns der vorletzten (sechsten) ordentlichen Stelle die besondre Vergünstigung zuteil, in die dritte ordentliche Stelle eines andern Gymnasiums versetzt zu werden, wodurch er eine Gehalts¬ aufbesserung von 600 Mark erhielt. Da aber gleichzeitig an der Anstalt, wo der Betreffende bisher gewirkt und trotz des langsamen Aufrückens wegen der sonstigen angenehmen dienstlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse sich sehr wohl gefühlt hatte, auch plötzlich eine Vakanz eintrat, somit die Gelegenheit geboten gewesen wäre, den Betreffenden wenigstens um eine Stelle (d. i. um 300 Mary steigen zu lassen, so stellte sich in Anbetracht des um 60 Mark geringern Wohuungsgeldzuschusses an seinem neuen Amtssitze der ganze Bor¬ ten, den er bei seiner Versetzung erreicht hatte, auf 240 Mark. Bei der jetzigen Einrichtung wird der Lehrer aus liebgewordenen Verhältnissen heraus¬ gerissen und das Verhältnis zwischen den Kollegen, wie das zwischen Lehrern und Schülern gestört. Wenn Aufrücke« in Altersklassen durch die ganze Pro¬ vinz oder den Staat erfolgte, würde der Staat gar nicht genötigt sein, Ver- setzungen vorzunehmen. Er würde also auch die Umzngskosten sparen, die er jetzt und später, wenn das Aufrücken ein gerechtes und geregeltes werden soll, zahlen muß. Ein weiterer Mißstand ist der, daß gewöhnlich ein auf solche Weise in ein schnell aufrückendes Kollegium eiugeschobeuer Lehrer Kollegen zu Vorder¬ männern erhält, die im Dienstalter jünger sind als er. So bekam z. B. der ebenerwähnte Lehrer zwei im Dienstalter jüngere Kollegen als Vordermänner. Auch das ist kein besonders erhebendes Gefühl, wenn man sich sagen muß: Eigentlich hättest du deinem Dienstalter nach noch zwei Stellen höher rücken müssen! So ist es gekommen, daß die beiden jüngern Kollegen, der eine seit sechs, der andre seit vier Jahren schon Oberlehrer geworden sind, wahrend der Betreffende bei längerer Dienstzeit noch die erste ordentliche Stelle inne hat. Eine gerechte Ausgleichung in Zukunft zu schaffen, ist der Behörde bei der jetzigen Einrichtung oft geradezu unmöglich. Gesetzt, es fehlt ein Lehrer für eins der Fächer, die an kleinern Anstalten nur einen Vertreter haben, z. B. der Religionslehrer, der Mathematiker oder der Geschichtslehrer. Bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/71>, abgerufen am 23.07.2024.