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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Der Lutmnrs des preußischen Volksschulgesetzes

Das letztere ist ein sehr fruchtbarer Gedanke und scheint ein Grundgedanke
des Gesetzes gewesen zu sein, wenigstens ist der Verwaltungsapparat sichtlich
auf größere Verhältnisse zugeschnitten. Er bedeutet die Zusammenfassung einer
Anzahl von Gemeinden zur gegenseitigen Unterstützung in Schulsachen. Aber
diese Verbände müßten groß sein und einen Viertelkrcis oder mehr anfassen.
Denn wenn man ein Dorf mit Fabrikbevölkerung und ein ackerbautreibendes,
wie sie oft dicht neben einander liegen, zusammenlegen wollte, so würde das
bedeuten, daß das letztere dem erster" die Schulen banen müßte. Auch würde
bei Zusammenfassung von wenigen Gemeinden jede größere Ausgabe als un-
gerecht verteilte Last empfunden werden. Über die beabsichtigte Größe dieser
Verbände steht nichts im Gesetze. Es scheint, daß man gefürchtet hat, das
Schulgesetz mit einer solchen Neuerung, wie sie große Schulverbäude ergeben
haben würden, zu belasten, und daß mau den Namen beibehalten hat, während
man die Sache hat fallen lassen. Wenn nämlich bestimmt wird, daß nur
solche Gemeinden zu einem Verbände zusammentreten, die eine oder mehrere
Schulen gemeinsam benutzen, so kann von einem Verbände nur in solchen
Gegenden die Rede sein, wo sich nicht geschlossene Gemeinden finden. Für
Provinzen, wo geschlossene Gemeinden bestehen, was als die Regel betrachtet
werden muß, hat es beim Schulvorstande sein Bewenden, nur daß er einen
wichtigen Teil seiner Thätigkeit an die Gemeinde-Verwaltung abzugeben hat.

Die Schullasten werden innerhalb dieser Verbände in der Weise der
Kvmmunalstenern aufgebracht. Alle sonstigen Schulleistnngen fallen weg.

Die Verwaltung der Schnlangelegenheiten, also Einrichtung und Unter¬
haltung der Schule, geschieht in der Einzelgemeinde durch deren Organe. Die
Gemeindevertretung setzt den Schnlhanshalt fest, der Gemeindevorstand ver¬
waltet das Schulvermvgen. "Im übrigen" wird zur Verwaltung der Schnl¬
angelegenheiten ein Schulvvrstand eingesetzt, der aus Mitgliedern der Gemeinde¬
vertretung oder ans stimmberechtigten Einwohnern besteht.

Die Organe des Schulverbandes sind der Schulansschnß und der Verbands-
vvrsteher. Die einzelnen Gemeinden entsenden nach Maßgabe der Steuerkraft
in deu Ausschuß ihre Schulzen und Schoppen und, wo deren Zahl nicht aus¬
reicht, andre Personen. Der Schulansschnß setzt deu Schulhanshalt fest und
verteilt die Kohle" auf die Einzelgemeinden. Er wählt aus seiner Mitte einen
Schnlverbandsvvrsteher, der den Verband vertritt und zur Durchführung
seiner Unordnungen die Mitwirkung der Gemeindevorstände in Anspruch
nehmen kann.

Zu dem Schulvorstande (Schulausschusse) treten folgende von der Schnl-
aufsichtsbehvrde widerruflich zu bestellende Mitglieder: eine oder mehrere der
mit der unmittelbaren Aufsicht über die Schulen des Bezirkes betrauten Per¬
sonen, je ein Geistlicher der in Frage kommenden Religionsgemeinschaften, ein
oder zwei Vvlksschllllehrer, vielleicht auch ein ^lrzt.


Der Lutmnrs des preußischen Volksschulgesetzes

Das letztere ist ein sehr fruchtbarer Gedanke und scheint ein Grundgedanke
des Gesetzes gewesen zu sein, wenigstens ist der Verwaltungsapparat sichtlich
auf größere Verhältnisse zugeschnitten. Er bedeutet die Zusammenfassung einer
Anzahl von Gemeinden zur gegenseitigen Unterstützung in Schulsachen. Aber
diese Verbände müßten groß sein und einen Viertelkrcis oder mehr anfassen.
Denn wenn man ein Dorf mit Fabrikbevölkerung und ein ackerbautreibendes,
wie sie oft dicht neben einander liegen, zusammenlegen wollte, so würde das
bedeuten, daß das letztere dem erster» die Schulen banen müßte. Auch würde
bei Zusammenfassung von wenigen Gemeinden jede größere Ausgabe als un-
gerecht verteilte Last empfunden werden. Über die beabsichtigte Größe dieser
Verbände steht nichts im Gesetze. Es scheint, daß man gefürchtet hat, das
Schulgesetz mit einer solchen Neuerung, wie sie große Schulverbäude ergeben
haben würden, zu belasten, und daß mau den Namen beibehalten hat, während
man die Sache hat fallen lassen. Wenn nämlich bestimmt wird, daß nur
solche Gemeinden zu einem Verbände zusammentreten, die eine oder mehrere
Schulen gemeinsam benutzen, so kann von einem Verbände nur in solchen
Gegenden die Rede sein, wo sich nicht geschlossene Gemeinden finden. Für
Provinzen, wo geschlossene Gemeinden bestehen, was als die Regel betrachtet
werden muß, hat es beim Schulvorstande sein Bewenden, nur daß er einen
wichtigen Teil seiner Thätigkeit an die Gemeinde-Verwaltung abzugeben hat.

Die Schullasten werden innerhalb dieser Verbände in der Weise der
Kvmmunalstenern aufgebracht. Alle sonstigen Schulleistnngen fallen weg.

Die Verwaltung der Schnlangelegenheiten, also Einrichtung und Unter¬
haltung der Schule, geschieht in der Einzelgemeinde durch deren Organe. Die
Gemeindevertretung setzt den Schnlhanshalt fest, der Gemeindevorstand ver¬
waltet das Schulvermvgen. „Im übrigen" wird zur Verwaltung der Schnl¬
angelegenheiten ein Schulvvrstand eingesetzt, der aus Mitgliedern der Gemeinde¬
vertretung oder ans stimmberechtigten Einwohnern besteht.

Die Organe des Schulverbandes sind der Schulansschnß und der Verbands-
vvrsteher. Die einzelnen Gemeinden entsenden nach Maßgabe der Steuerkraft
in deu Ausschuß ihre Schulzen und Schoppen und, wo deren Zahl nicht aus¬
reicht, andre Personen. Der Schulansschnß setzt deu Schulhanshalt fest und
verteilt die Kohle» auf die Einzelgemeinden. Er wählt aus seiner Mitte einen
Schnlverbandsvvrsteher, der den Verband vertritt und zur Durchführung
seiner Unordnungen die Mitwirkung der Gemeindevorstände in Anspruch
nehmen kann.

Zu dem Schulvorstande (Schulausschusse) treten folgende von der Schnl-
aufsichtsbehvrde widerruflich zu bestellende Mitglieder: eine oder mehrere der
mit der unmittelbaren Aufsicht über die Schulen des Bezirkes betrauten Per¬
sonen, je ein Geistlicher der in Frage kommenden Religionsgemeinschaften, ein
oder zwei Vvlksschllllehrer, vielleicht auch ein ^lrzt.


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[0595] Der Lutmnrs des preußischen Volksschulgesetzes Das letztere ist ein sehr fruchtbarer Gedanke und scheint ein Grundgedanke des Gesetzes gewesen zu sein, wenigstens ist der Verwaltungsapparat sichtlich auf größere Verhältnisse zugeschnitten. Er bedeutet die Zusammenfassung einer Anzahl von Gemeinden zur gegenseitigen Unterstützung in Schulsachen. Aber diese Verbände müßten groß sein und einen Viertelkrcis oder mehr anfassen. Denn wenn man ein Dorf mit Fabrikbevölkerung und ein ackerbautreibendes, wie sie oft dicht neben einander liegen, zusammenlegen wollte, so würde das bedeuten, daß das letztere dem erster» die Schulen banen müßte. Auch würde bei Zusammenfassung von wenigen Gemeinden jede größere Ausgabe als un- gerecht verteilte Last empfunden werden. Über die beabsichtigte Größe dieser Verbände steht nichts im Gesetze. Es scheint, daß man gefürchtet hat, das Schulgesetz mit einer solchen Neuerung, wie sie große Schulverbäude ergeben haben würden, zu belasten, und daß mau den Namen beibehalten hat, während man die Sache hat fallen lassen. Wenn nämlich bestimmt wird, daß nur solche Gemeinden zu einem Verbände zusammentreten, die eine oder mehrere Schulen gemeinsam benutzen, so kann von einem Verbände nur in solchen Gegenden die Rede sein, wo sich nicht geschlossene Gemeinden finden. Für Provinzen, wo geschlossene Gemeinden bestehen, was als die Regel betrachtet werden muß, hat es beim Schulvorstande sein Bewenden, nur daß er einen wichtigen Teil seiner Thätigkeit an die Gemeinde-Verwaltung abzugeben hat. Die Schullasten werden innerhalb dieser Verbände in der Weise der Kvmmunalstenern aufgebracht. Alle sonstigen Schulleistnngen fallen weg. Die Verwaltung der Schnlangelegenheiten, also Einrichtung und Unter¬ haltung der Schule, geschieht in der Einzelgemeinde durch deren Organe. Die Gemeindevertretung setzt den Schnlhanshalt fest, der Gemeindevorstand ver¬ waltet das Schulvermvgen. „Im übrigen" wird zur Verwaltung der Schnl¬ angelegenheiten ein Schulvvrstand eingesetzt, der aus Mitgliedern der Gemeinde¬ vertretung oder ans stimmberechtigten Einwohnern besteht. Die Organe des Schulverbandes sind der Schulansschnß und der Verbands- vvrsteher. Die einzelnen Gemeinden entsenden nach Maßgabe der Steuerkraft in deu Ausschuß ihre Schulzen und Schoppen und, wo deren Zahl nicht aus¬ reicht, andre Personen. Der Schulansschnß setzt deu Schulhanshalt fest und verteilt die Kohle» auf die Einzelgemeinden. Er wählt aus seiner Mitte einen Schnlverbandsvvrsteher, der den Verband vertritt und zur Durchführung seiner Unordnungen die Mitwirkung der Gemeindevorstände in Anspruch nehmen kann. Zu dem Schulvorstande (Schulausschusse) treten folgende von der Schnl- aufsichtsbehvrde widerruflich zu bestellende Mitglieder: eine oder mehrere der mit der unmittelbaren Aufsicht über die Schulen des Bezirkes betrauten Per¬ sonen, je ein Geistlicher der in Frage kommenden Religionsgemeinschaften, ein oder zwei Vvlksschllllehrer, vielleicht auch ein ^lrzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/595>, abgerufen am 23.07.2024.