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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Vor Gutivurf des preußischen Einkommensteuergesetzes

Staat fortdauernd die beträchtlichen Kosten der Katasterverwaltung hergeben
mußte, sollen min ganz und zum Teil den Gemeinden und Gutsbezirken über-
wiesen werden. Diese Überweisungen würden in deu zahlreichen Fällen, wo
die Grund- und Gebäudesteuer im Jahre 1865 mit Rücksicht auf die seitherige
Steuerfreiheit gegen Kapitalentschädigung -- im gauzeu wurden damals etwa
!>0 Millionen Mark als Entschädigung gezahlt -- übernommen sind, nichts
andres als bare Geschenke darstellen. Wir meinen, daß zu derartigen Ge¬
schenken und zu der beabsichtigten Überweisung von Staatssteuern gar keine
Veranlassung vorliegt. Wenn der Grundbesitz, worüber allein geklagt wird,
jetzt einer Doppelbesteuerung unterliegt, nämlich den Grnudabgaben und den
Persvnalabgaben, die aus der jetzigen Klassen- und Einkommensteuer besteht,
so mag der belastete Grundbesitz von den letztgenannten Personalsteneru, deren
neue Gestaltung jetzt im Werke ist, ganz oder teilweise befreit werden, nicht
von den alten, lange bestehenden Grnudabgaben. Das haben wir vorgeschlagen,
indem wir ein Viertel des Einkommens aus Grundvermögen von der neuen
Einkommensteuer befreien wollen.

Wir können den Ausführungen des Finanzministers, die er bei der Vor¬
legung des Gesetzentwurfes im Abgeordnetenhause gemacht hat, dahin nicht
folgen, daß die Zeit dazu gekommen sei, die sogenannten Ertragssteuern ^ zu
denen Grund- und Gebäudesteuern gezählt werden ^ aus den Staatsfinanzen
zu verdrängen und an ihre Stelle die Subjektssteuern -- insbesondre die Ein¬
kommensteuer -- zu setzen. Sie, die Einkommensteuer, soll nach der Auffassung
des Fiuanzmimsters der mächtigste Eckstein der Finanzen werden!

Die Finanzwissenschaft und die Jahrhunderte umfassenden Erfahrungen in
der Finanzwirtschaft lehren ein andres, sie lehren, daß eine Vielheit der Steuern
notwendig ist, um alle Einkommensquellen richtig zu treffen, und sie lehren
serner, daß alte Steuern die besten sind und nur dann abgeschafft werden
sollen, wenn sie Recht und Billigkeit offenbar verletzen. Dies kann von der
jetzt bestehenden Grund- und Gebändesteuer nicht behauptet werden.

Die phhsivkratischen Finanzkünstler des achtzehnten Jahrhunderts empfahlen
die Grundsteuer als einzige Staatsstener, und wie über diesen Irrtum des
philosophischen Jahrhunderts, wird man in der Gegenwart über den Versuch
zur Tngesorduuug übergehen, die ganzen Staatsfinanzen auf Persvualsteuern
aufzubauen. Dieser Versuch würde sich sehr bald als unheilvoll erweisen.

Den Gemeinden und Gutsbezirken ist in neuerer Zeit durch die Über¬
nahme der Schullasteu auf den Staat sehr bedeutende Hilfe geleistet worden,
namentlich auch den Gutsbezirken, die, wie in Schlesien, bisher sehr beträcht¬
liche Schulpatronatslasteu zu tragen hatten. Wenn hier noch weitere Staats¬
hilfe, namentlich bei deu Schulbänken, notwendig ist, so mag der Staat für
diese ^eistnngen eintreten, aber nicht alte, wohlbegründete Staatssteuern deu
Gemeinden abtreten. Preußens und des deutschen Reiches Finanzverwaltung


Vor Gutivurf des preußischen Einkommensteuergesetzes

Staat fortdauernd die beträchtlichen Kosten der Katasterverwaltung hergeben
mußte, sollen min ganz und zum Teil den Gemeinden und Gutsbezirken über-
wiesen werden. Diese Überweisungen würden in deu zahlreichen Fällen, wo
die Grund- und Gebäudesteuer im Jahre 1865 mit Rücksicht auf die seitherige
Steuerfreiheit gegen Kapitalentschädigung — im gauzeu wurden damals etwa
!>0 Millionen Mark als Entschädigung gezahlt — übernommen sind, nichts
andres als bare Geschenke darstellen. Wir meinen, daß zu derartigen Ge¬
schenken und zu der beabsichtigten Überweisung von Staatssteuern gar keine
Veranlassung vorliegt. Wenn der Grundbesitz, worüber allein geklagt wird,
jetzt einer Doppelbesteuerung unterliegt, nämlich den Grnudabgaben und den
Persvnalabgaben, die aus der jetzigen Klassen- und Einkommensteuer besteht,
so mag der belastete Grundbesitz von den letztgenannten Personalsteneru, deren
neue Gestaltung jetzt im Werke ist, ganz oder teilweise befreit werden, nicht
von den alten, lange bestehenden Grnudabgaben. Das haben wir vorgeschlagen,
indem wir ein Viertel des Einkommens aus Grundvermögen von der neuen
Einkommensteuer befreien wollen.

Wir können den Ausführungen des Finanzministers, die er bei der Vor¬
legung des Gesetzentwurfes im Abgeordnetenhause gemacht hat, dahin nicht
folgen, daß die Zeit dazu gekommen sei, die sogenannten Ertragssteuern ^ zu
denen Grund- und Gebäudesteuern gezählt werden ^ aus den Staatsfinanzen
zu verdrängen und an ihre Stelle die Subjektssteuern — insbesondre die Ein¬
kommensteuer — zu setzen. Sie, die Einkommensteuer, soll nach der Auffassung
des Fiuanzmimsters der mächtigste Eckstein der Finanzen werden!

Die Finanzwissenschaft und die Jahrhunderte umfassenden Erfahrungen in
der Finanzwirtschaft lehren ein andres, sie lehren, daß eine Vielheit der Steuern
notwendig ist, um alle Einkommensquellen richtig zu treffen, und sie lehren
serner, daß alte Steuern die besten sind und nur dann abgeschafft werden
sollen, wenn sie Recht und Billigkeit offenbar verletzen. Dies kann von der
jetzt bestehenden Grund- und Gebändesteuer nicht behauptet werden.

Die phhsivkratischen Finanzkünstler des achtzehnten Jahrhunderts empfahlen
die Grundsteuer als einzige Staatsstener, und wie über diesen Irrtum des
philosophischen Jahrhunderts, wird man in der Gegenwart über den Versuch
zur Tngesorduuug übergehen, die ganzen Staatsfinanzen auf Persvualsteuern
aufzubauen. Dieser Versuch würde sich sehr bald als unheilvoll erweisen.

Den Gemeinden und Gutsbezirken ist in neuerer Zeit durch die Über¬
nahme der Schullasteu auf den Staat sehr bedeutende Hilfe geleistet worden,
namentlich auch den Gutsbezirken, die, wie in Schlesien, bisher sehr beträcht¬
liche Schulpatronatslasteu zu tragen hatten. Wenn hier noch weitere Staats¬
hilfe, namentlich bei deu Schulbänken, notwendig ist, so mag der Staat für
diese ^eistnngen eintreten, aber nicht alte, wohlbegründete Staatssteuern deu
Gemeinden abtreten. Preußens und des deutschen Reiches Finanzverwaltung


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[0461] Vor Gutivurf des preußischen Einkommensteuergesetzes Staat fortdauernd die beträchtlichen Kosten der Katasterverwaltung hergeben mußte, sollen min ganz und zum Teil den Gemeinden und Gutsbezirken über- wiesen werden. Diese Überweisungen würden in deu zahlreichen Fällen, wo die Grund- und Gebäudesteuer im Jahre 1865 mit Rücksicht auf die seitherige Steuerfreiheit gegen Kapitalentschädigung — im gauzeu wurden damals etwa !>0 Millionen Mark als Entschädigung gezahlt — übernommen sind, nichts andres als bare Geschenke darstellen. Wir meinen, daß zu derartigen Ge¬ schenken und zu der beabsichtigten Überweisung von Staatssteuern gar keine Veranlassung vorliegt. Wenn der Grundbesitz, worüber allein geklagt wird, jetzt einer Doppelbesteuerung unterliegt, nämlich den Grnudabgaben und den Persvnalabgaben, die aus der jetzigen Klassen- und Einkommensteuer besteht, so mag der belastete Grundbesitz von den letztgenannten Personalsteneru, deren neue Gestaltung jetzt im Werke ist, ganz oder teilweise befreit werden, nicht von den alten, lange bestehenden Grnudabgaben. Das haben wir vorgeschlagen, indem wir ein Viertel des Einkommens aus Grundvermögen von der neuen Einkommensteuer befreien wollen. Wir können den Ausführungen des Finanzministers, die er bei der Vor¬ legung des Gesetzentwurfes im Abgeordnetenhause gemacht hat, dahin nicht folgen, daß die Zeit dazu gekommen sei, die sogenannten Ertragssteuern ^ zu denen Grund- und Gebäudesteuern gezählt werden ^ aus den Staatsfinanzen zu verdrängen und an ihre Stelle die Subjektssteuern — insbesondre die Ein¬ kommensteuer — zu setzen. Sie, die Einkommensteuer, soll nach der Auffassung des Fiuanzmimsters der mächtigste Eckstein der Finanzen werden! Die Finanzwissenschaft und die Jahrhunderte umfassenden Erfahrungen in der Finanzwirtschaft lehren ein andres, sie lehren, daß eine Vielheit der Steuern notwendig ist, um alle Einkommensquellen richtig zu treffen, und sie lehren serner, daß alte Steuern die besten sind und nur dann abgeschafft werden sollen, wenn sie Recht und Billigkeit offenbar verletzen. Dies kann von der jetzt bestehenden Grund- und Gebändesteuer nicht behauptet werden. Die phhsivkratischen Finanzkünstler des achtzehnten Jahrhunderts empfahlen die Grundsteuer als einzige Staatsstener, und wie über diesen Irrtum des philosophischen Jahrhunderts, wird man in der Gegenwart über den Versuch zur Tngesorduuug übergehen, die ganzen Staatsfinanzen auf Persvualsteuern aufzubauen. Dieser Versuch würde sich sehr bald als unheilvoll erweisen. Den Gemeinden und Gutsbezirken ist in neuerer Zeit durch die Über¬ nahme der Schullasteu auf den Staat sehr bedeutende Hilfe geleistet worden, namentlich auch den Gutsbezirken, die, wie in Schlesien, bisher sehr beträcht¬ liche Schulpatronatslasteu zu tragen hatten. Wenn hier noch weitere Staats¬ hilfe, namentlich bei deu Schulbänken, notwendig ist, so mag der Staat für diese ^eistnngen eintreten, aber nicht alte, wohlbegründete Staatssteuern deu Gemeinden abtreten. Preußens und des deutschen Reiches Finanzverwaltung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/461>, abgerufen am 25.08.2024.